Whitepaper Teststudios: Rekrutierung, Qualitätssicherung, Forschungsvielfalt - ein Blick hinter den Einwegspiegel
2015
Smart News Fachverlag GmbH

Sind Sie in letzter Zeit einmal angebaggert worden? Nein? Falls Ihnen genau danach aber der Sinn steht, dann sollten Sie sich möglicherweise mal ein wenig häufiger in den einschlägigen Einkaufsstraßen in den Großstädten dieser Republik aufhalten. Doch bevor Sie sich direkt aufmachen, um vor Ort den nächsten Flirt zu suchen, so muss ich Sie leider gleich wieder bremsen. Ich möchte Ihnen nämlich keine Tipps für ein neues Liebesabenteuer an die Hand geben, nein, ich habe Ihnen lediglich erzählen wollen, wo Sie auf jene Leute treffen, die einen der vielleicht härtesten Jobs in unserer geschätzten Branche ausüben – die Baggerer. Diese Kollegen sind nämlich zumeist dort anzutreffen, wo eine hohe Passanten-Frequenz zu messen ist, und dies ist häufig in den eingangs erwähnten Einkaufsstraßen der Fall. Dort finden sich folglich auch in der Regel die Räumlichkeiten der Teststudios. Jene Orte, an denen Benutzer und Probanden zu Rate gezogen und befragt werden, wenn es etwas zu testen, zu probieren, zu diskutieren und zu erforschen gibt.
Um aber geeignete Probanden zu finden, werden auch heute noch die Baggerer ausgesandt. Und so schwärmen die hart arbeitenden Kollegen aus und sprechen nicht nur gestresste Börsianer in ihrer 15-minütigen Mittagspause an, sondern auch die Urlauber, die einfach nur ihre freie Zeit genießen möchten. Aber auch die Mutter dreier Kinder, die – trotz gerade gekaufter Eiskrem – schon bald die nächste Rauferei ihres Nachwuchses unterbinden muss, kann zur gewünschten Zielgruppe gehören und darf somit nicht ausgespart werden. Der Baggerer muss, je nach Projekt, genau diese und weitere Menschen eines ganz anderen Schlags ansprechen, und kennt dabei die häufigste Reaktion ohnehin vorab: "keine Zeit". Wer eine solche Ablehnung nicht ertragen kann, der hat als Baggerer eigentlich nichts auf der Straße zu suchen, denn ein emotionsloses "keine Zeit" zählt definitiv noch zu den freundlichsten Ablehnungen, die man über einen normalen Arbeitstag hinweg zu hören bekommt. Doch nun genug von den Baggerern. So wichtig diese Tätigkeit für die Arbeit vieler Teststudios auch heute noch ist, so wenig darf man vergessen, dass in den Teststudios noch sehr viel mehr geleistet wird.
Einen Wunsch möchte ich hinsichtlich dieser Kollegen jedoch noch äußern dürfen: Bei der Zusammenstellung dieses marktforschung.dossier habe ich mir im Vorfeld einen ausführlichen Bagger-Bericht gewünscht. Einen Bericht, der sich nicht scheut, die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten dieses Berufes zu beschreiben. Einen Bericht, der wiedergibt, dass auch die scheinbar einfachste Aufgabe unlösbar werden kann, und die offensichtlich vermeintlich simpelste Zielgruppe an manchen Tagen einfach keine Lust hat, sich auf der Straße blicken, geschweige denn sich "bekehren" zu lassen. Wer also doch noch aus dem Nähkästchen plaudern möchte, der möge mir bitte seine Geschichte erzählen, damit ich sie im Rahmen dieses Dossiers noch veröffentlichen kann. Es wäre mir eine Freude.
Wie dem auch sei, das Aufgabenspektrum der Teststudios beschränkt sich nicht nur auf das Befragen von Probanden. Wer eine Befragung durchführt, hat häufig bereits das ganze Programm abgespult, welches manches Mal das Beantworten der für den Kunden interessanten Fragen erst ermöglicht. In vielen Studios muss zunächst ein Einkauf simuliert, die Nutzeroberfläche einer Website begutachtet, eine Backofenpizza verkostet, eine Mahlzeit gekocht, der Sound eines Motors gehört, ein Waschmittel getestet, die Saugkraft eines Wischmobs geprüft, oder ein neues Kaugummi mit einer ungewöhnlichen Geschmacksrichtung probiert werden, bevor überhaupt erste Erkenntnisse gesammelt und für den Kunden aufbereitet werden können.
Aufgrund dieses Potpourris von Testmöglichkeiten haben sich sogar einige Anbieter spezialisiert; so finden sich in der Landschaft der mal auf die Qualitative Forschung und mal auf Quantitative Forschung konzentrierten Studios auch jene, die das Thema Sensorik oder Usability in den Vordergrund stellen, und sich auf diesen speziellen Feldern ihre Meriten erworben haben. Dann gibt es Anbieter, die vermehrt auf die sogenannten Car-Clinics setzen. Dazu braucht es vor allem Platz, denn in der Regel werden bei den Car-Clinics diverse bauähnliche Fahrzeuge miteinander verglichen – Vor- und Nachteile einer neuen Baureihe eines Automobilherstellers werden auf diese Art und Weise erörtert.
In diesem marktforschung.dossier haben wir versucht, allen Themen gerecht zu werden, die für die Teststudios heute relevant sind. Facettenreich sind die Beiträge ohne Frage, doch alle Themen sind nur schwerlich abzuarbeiten. Insbesondere deshalb, weil wir nicht nur die Tätigkeit der Teststudios haben beleuchten wollen. Das vergangene Jahr hat einige Schließungen in diesem Feld der Marktforschungsbranche nach sich gezogen. Warum es dazu kam, und wie sich dieser Branchenarm in Zukunft entwickeln wird, ist eine Frage, der wir ebenso nachgegangen sind. Wir möchten nämlich wissen, ob die Entwicklung des letzten Jahres einen unausweichlichen Trend, vielleicht eine voranschreitende Konsolidierungsphase oder gar nur die Auswüchse eines Ausnahme-Jahres darstellt.
Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre, die mit Sicherheit nicht nur interessante Fakten für Sie bereithält, sondern Sie mitunter ebenso unterhalten wird. Machen Sie sich aber am besten selbst ein Bild.