Teilnehmende Beobachtung

[engl.: participant observation]

Die Beobachtung ist eine sozialwissenschaftliche Forschungsmethode, die in der Ethnologie, aber auch Psychologie und Soziologie genutzt wird. Dabei wird das Verhalten einzelnen Personen oder Gruppen im Hinblick auf eine bestimmte Forschungsfrage beobachtet, beschrieben und analysiert.

Beobachtungsverfahren lassen sich danach unterscheiden, welche Rolle und Position das Forschungssubjekt (die beobachtende Person) gegenüber dem Forschungsobjekt (der beobachteten Person oder Gruppe) einnimmt.

Im Gegensatz zu der nicht-teilnehmenden Beobachtung, bei der das Forschungssubjekt von außen beobachtet, ist es bei der teilnehmenden Beobachtung aktiver Teil des beobachteten Geschehens. Das heißt, es nimmt sowohl die Außen- als auch die Innensichtperspektive ein. Zum einen beobachtet es Situation und Verhalten des Gegenüber (Fremdbeobachtung), zum anderen reflektiert es das eigene Verhalten und Erleben (Selbstbeobachtung).

Bei der teilnehmenden Beobachtung wird danach unterschieden, ob das Forschungssubjekt erkennbar ist bzw. sich zu erkennen gibt.

  • Offene Beobachtung: Das Forschungssubjekt ist für das Forschungsobjekt in der Beobachtungsrolle erkennbar (z. B. im Rahmen eines biotischen bzw. ethnografischen Interviews, in das die Verhaltensbeobachtung integriert ist).
  • Verdeckte Beobachtung: Das Forschungssubjekt informiert das Forschungsobjekt bei der Beobachtung nicht, dass es Gegenstand der Beobachtung ist.

Die verdeckte Beobachtung ist forschungsethisch und rechtlich kritisch. Beobachtete Personen müssen zumindest im Vorfeld informiert werden, dass sie beobachtet werden könnten.

Formen der Beobachtung

Abb.: Beobachtungsmethoden


 

Die teilnehmende Beobachtung erfolgt in der Regel im natürlichen Alltagskontext (Feldbeobachtung). Sie kann sowohl für qualitative als auch quantitative Erkenntnisse eingesetzt werden, wobei das Ziehen einer größeren repräsentativen Stichprobe mitunter schwierig ist.

Anwendung der teilnehmenden Beobachtung in der Marktforschung

Typisches Einsatzfeld in der Marktforschung ist Mystery Shopping, bei dem Testpersonen sich in die Kundenrolle begeben und z. B. Käufe tätigen, Beratung in Anspruch nehmen, die Hotline kontaktieren, Services nutzen etc. Die Testpersonen werden vorab geschult. Ihre Dokumentation und Beurteilung erfolgt anhand eines Beobachtungsbogens nach einem definierten Kriterienkatalog. Mystery Research hat besondere Abläufe und Anforderungen (technischer, organisatorischer und rechtlicher Natur) und wird deshalb meist von spezialisierten Instituten angeboten.

Ethnografische bzw. biotische Interviews sind ein weiterer wichtiger Einsatzbereich und kombinieren einen Beobachtungsteil mit einem Interviewteil. Die Beobachtung findet dabei im natürlichen, alltäglichen Verhaltenskontext statt und kann teilnehmend oder nicht-teilnehmend erfolgen. Vorteile der teilnehmenden Beobachtung sind, dass die Beobachtungssituation – gerade bei längerer Beobachtung im Alltag – natürlicher wird und dass sich das Forschungssubjekt eindenken und einfühlen kann, weil es das Ganze selbst erfährt.

Beispiele:
Für den deutschen Markteintritt im Bereich Rasenmäher-Traktor will ein Unternehmen aus Übersee einen Einblick in die Rasenmäh-Kultur in Deutschland gewinnen. Dazu werden ethnografische Interviews mit Personen durchgeführt, die einen Rasenmäh-Traktor nutzen.

Ein Projekt zu Nachhaltigkeit und Food Waste Reduction will die Kultur des Einkaufens, Kochens, Vorrat-Haltens und Wegwerfens explorieren und führt dazu ethnografische Beobachtungen in Single- und Mehrpersonen-Haushalten durch.

Beobachtung, Dokumentation und Auswertung sind bei der teilnehmenden Beobachtung sehr anspruchsvoll. Es muss getrennt werden zwischen Fremd- und Selbstbeobachtung, zwischen den vom Gegenüber verbalisierten Erfahrungen und der Selbsterfahrung. Fremd- und Selbstperspektive müssen differenziert aufeinander bezogen und miteinander kombiniert werden, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass das Forschungssubjekt durch seine Teilnahme das Verhalten des Forschungsobjekts beeinflusst haben kann.

Vorteile der teilnehmenden Beobachtung

  • Erfassung des tatsächlichen Verhaltens (und nicht der Absichtsbekundungen)
  • Erfassung des natürlichen Verhaltens im natürlichen Kontext
  • Anwendbar auf Gegenstandsbereiche, die schwer über Befragungen erschließbar sind
  • Erlaubt die Beobachtung von Gruppen und über längere Zeiträume
  • Ganzheitliche Analyse eines Gegenstandsbereichs im Falle von ethnografischen Interviews

Nachteile der teilnehmenden Beobachtung

  • Höherer Aufwand als bei Befragungen, erfordert Beobachtungsschulung
  • Hohe Anforderungen an Forschende und Teilnehmende im Falle ethnografischer Interviews
  • Beobachtung kann nicht sofort dokumentiert werden
  • Gefahr der Konfundierung von Außen- und Innensicht, von Beobachtung und Interpretation
  • Gründe für das beim Gegenüber beobachtete Verhalten bleiben unbekannt, wenn keine Kombination mit einem Interview erfolgt
  • Ethische und juristische Grenzen der verdeckten Beobachtung (beobachtete Personen müssen zumindest informiert sein, dass sie beobachtet werden)

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