Sommerumfrage: Vorschau aufs das Jahresende Zuversicht, aber das Unsicherheitsniveau bleibt hoch

Mit welchen Erwartungen gehen die Chefs der größten deutschen Marktforschungsinstitute ins zweite Halbjahr? Lesen Sie im zweiten Teil unserer Sommerumfrage, wie die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Aussichten für die Marktforschungsbranche und das eigene Institut aktuell eingeschätzt werden.

Mit den Wörtern „vorsichtig optimistisch“ lässt sich der Ausblick der Institutsleiter aufs zweite Halbjahr beschreiben. Aber die Sicherheitsweste bleibt besser noch etwas an (Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer).

Die zweite Frage an die Top25 Institute war: „Von welcher Entwicklung für Ihr Unternehmen im Speziellen und die Marktforschungsbranche im Allgemeinen gehen Sie für die zweite Jahreshälfte 2023 aus? Was stimmt Sie optimistisch? Was bereitet Ihnen Unbehagen?“.

Die Aussagen zeigen alles in allem eine zuversichtliche Erwartung fürs zweite Halbjahr, wobei die Vorsicht und das gefühlte Unsicherheitsniveau bei den Institutsleitern hoch bleibt. Es wird eine konjunkturelle Entspannung in Deutschland erwartet, die das zweite Halbjahr auch für die Marktforschungsbranche einfacher machen dürfte. Als weitere Themen werden der Umgang der Branche mit KI, weitere Übernahmen und Fusionen, sowie die Qualität von Umfragen sein.

Innofact: Die Wirtschaft wird wieder in Schwung kommen

Christian Thunig: Das Bild ist sehr gemischt: Konjunkturell gibt es verschiedenste Signale. Es gibt eine Reihe Branchen, die sich schwertun, aber es geht nicht allen durchgängig schlecht. Derzeit geht man ja von einer kleinen Schrumpfung für Deutschland aus. Sehr interessant und für unsere Branche ein wichtiger Indikator ist der Werbemarkt. Nach dem aktuellen Dentsu Global Ad Spend Report sollen die Spendings in Deutschland für 2023 um 0,5 Prozent leicht steigen. Das halte ich für eine gute Nachricht. Wenn hier wieder die Budgets leicht steigen, ist das für die Marktforschung auf jeden Fall kein schlechtes Signal.

Und da Deutschland im internationalen Vergleich der großen Volkswirtschaften mit am schlechtesten dasteht, arbeitet die Bundesregierung fieberhaft an Maßnahmen, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Das werden sie, denke ich, nicht auf sich sitzen lassen, zumal die großen Wirtschaftsverbände massiv Druck machen. Und die Stimmung bei den Konsumenten scheint sich auch leicht aufzuhellen. Es ist also gemischt, aber nicht hoffnungslos. Fest steht aber auch: Idealerweise hat man als Institut eine breite Range an Kunden-Branchen.

Christian Thunig ist Mitglied im BVM-Vorstand sowie Managing Partner bei der INNOFACT AG.

Infas Institut: Zuversicht trotz steigender Kosten

Menno Smid: Vor dem Hintergrund des positiven Verlaufs im ersten Halbjahr und des guten Auftragsbestandes sind wir für das zweite Halbjahr zuversichtlich. Unbehagen verursachen höhere Kosten (die meist bei den Kunden nicht nachgefordert werden können), der damit gesunkene Ertrag, sowie Kapazitätsengpässe aufgrund von personellen Engpässen, die kurzfristig offenbar nicht so ohne weiteres zu lösen sind, weil sie Ausdruck eines strukturellen Problems in Deutschland sind.

Menno Smid ist Vorstandsvorsitzender (CEO) bei der Infas Holding AG.

Lesen Sie hier den ersten Teil unserer Sommerumfrage!

Psyma-Gruppe: Auftragslage gut, aber das Unsicherheitsniveau bleibt hoch

Bernd Wachter: Auch auf die zweite Jahreshälfte blicke ich optimistisch. Trotz der volkswirtschaftlichen Belastungen - hohe Energiepreise, Zinsen und Inflation, Stagnation statt Wirtschaftswachstum und verhaltene Konsumnachfrage - ist unsere Auftragslage gut und es zeichnet sich glücklicherweise keine Änderung ab.

Allerdings ist es schwer, über die nächsten drei Monate hinaus zu planen, das Unsicherheitsniveau bleibt hoch.

Bernd Wachter ist CEO der Psyma Group AG, Vorsitzender des ADM und Präsident von EFAMRO.

Skopos-Gruppe: Auf einem guten Weg

Olaf Hofmann: Wir bleiben insgesamt optimistisch für die Marktforschungsbranche im Speziellen, aber auch für die Konjunktur im Allgemeinen – auch wenn viele Deutschland (zumindest medial vermittelt) schon abgeschrieben haben. Totgesagte leben sehr oft viel länger und zeigen sich irgendwann wieder putzmunter. Und wir sind als Branche zwar nicht gänzlich, aber doch in Teilen vom konjunkturellen Umfeld entkoppelt. Unsere Branche wächst signifikant schneller als das BIP der Bundesrepublik in den vergangenen zehn Jahren.

Wir sind als Branche nach meiner Einschätzung noch lange nicht da, wo wir hingehören, aber auf einem guten Weg dahin.

Wir erhalten von Kunden zunehmend Anfragen und Beauftragungen für Rahmenverträge – auch und gerade für Ad-hoc-Projekte, deren Anzahl und Art noch vollkommen unklar ist.

Das heißt unsere Kunden leiden nicht nur selbst unter dem Fachkräftemangel bzw. unter Budget-Restriktionen, sondern verspüren dies auch bei den Instituten/Anbietern. In so einem Umfeld muss man sich Kapazitäten blocken und das tun unsere Kunden. So können auch wir letztlich besser planen.

Olaf Hofmann ist zusammen mit Thomas Starsetzki Group-Geschäftsführer der SKOPOS GROUP.

GIM: Signifikante Wiederbelebung

Stephan Teuber, GIM (Bild: GIM)
Stephan Teuber: Auch wenn das dritte Quartal noch jung ist, verspüren wir eine signifikante Wiederbelebung des Geschäfts, die uns optimistisch stimmt. Das Anfragevolumen hat sich deutlich erhöht. Wir erwarten eine lebhafte zweite Jahreshälfte.

Stephan Teuber ist Managing Director bei der GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH.

YouGov: Fortsetzung der Entspannung

Benedikt Lüthi, YouGov: Für das zweite Halbjahr rechnen wir mit einer Fortsetzung der im zweiten Quartal gesehenen Entspannung, und einer damit einhergehenden besseren Situation für Agentur-Budgets und Investition in Marktforschungsdaten und -Dienstleistungen. Für uns zeigt sich dies in einem auftragsstarken Beginn des dritten Quartals, in welches der Start unseres unternehmerischen Fiskaljahres 2024 fällt. Hier sehen wir, neben einer weiteren Steigerung der Nachfrage nach unseren schnellen Ad-Hoc-Umfragen, hohes Interesse an unseren syndizierten Connected-Data-Lösungen BrandIndex und Profiles sowie an Custom-Research-Lösungen, gerade von großen lokalen und internationalen Marken.

Benedikt Lüthi ist General Manager bei YouGov für die DACH-Region.

Bonsai Research: Weitere Übernahmen am Horizont

Jens Krüger:  Ich hoffe, dass es uns gelingt das Momentum der letzten Monate bis zum Jahresende und in 2024 durchzuhalten. Für die Branche sehe ich weiter Konsolidierungen und Übernahmen - gerade bei den kleineren und spezialisierten Instituten. Viele davon sind Mitte bis Ende der 90er gegründet worden. Die Geschäftsmodelle noch oft auf den Gründer zugeschnitten, mit der fatalen Nebenwirkung keine echte Nachfolgeregelungen gefunden oder aufgebaut zu haben.

Aber auch einigen tollen Start-ups der Branche wird die Luft ausgehen.

Gerade dann, wenn institutionelle Investoren mit der zunehmenden Verteuerung des Geldes sich wieder zurückziehen. Das wäre schlimm.

Jens Krüger ist CEO von Bonsai Research.

Sinus-Gruppe: Zweite Jahreshälfte wird ruhiger werden

Manfred Tautscher: Wir gehen davon aus, dass die zweite Jahreshälfte ruhiger wird. Wir merken eine leichte Markt-Konsolidierung. Wie weit sich dies auf 2024 ausweitet, wird sich im Q4 zeigen; da sind wir verhalten optimistisch.

Beeindruckend ist, wie groß der Hype für KI-Anwendungen ist, mit dem wir uns natürlich ausführlich beschäftigen, aber auch schwer einordnen können, was KI für unsere Branche bedeutet. Es bestehen auf alle Fälle Chancen und Risiken.

Manfred Tautscher ist Geschäftsführer des SINUS-Instituts.

Ipsos: KI und ESG im Fokus

Christoph Preuss: Bei dieser Frage kommt man um das Thema Generative AI nicht mehr vorbei. Das Potenzial, das künstliche Intelligenz für unser Unternehmen und die Branche als Ganzes birgt, ist enorm. Ich bin fest davon überzeugt, dass Generative AI schon in naher Zukunft ein bedeutender Treiber für Produktivitäts- sowie Qualitätssteigerung und Wachstum für unsere Kunden sein wird. Bei Ipsos nutzten wir bereits intensiv seit einiger Zeit unsere unternehmensinterne AI -Plattform mit Modellen von führenden Anbietern. Die rapiden technologischen Fortschritte gehen aber natürlich auch mit der Notwendigkeit einher, sich ständig und rasch anpassen und weiterentwickeln zu müssen. Unbehagen bereitet mir das aber nicht, denn Ipsos ist hier entsprechend aufgestellt.

Darüber hinaus wird unser Fokus noch stärker als bislang auf dem Thema ESG (Environmental, Social and Governance) liegen. Als eines der weltweit größten Marktforschungsunternehmen verstehen wir unsere Verantwortung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben – und wenden entsprechend strenge Standards auf unser eigenes Handeln an. Gleichzeitig wird ESG zunehmend zu einem wichtigen Geschäftskriterium für unsere Kunden. Unser Anspruch ist es, Unternehmen, Regierungen und öffentlichen Einrichtungen verlässliche und verwertbare Informationen zu liefern und ihnen so das Vertrauen zu geben, das sie benötigen, um Entscheidungen zu treffen, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten zugutekommen und nachhaltigen Wohlstand für alle fördern.

Dr. Christoph Preuss ist CEO von Ipsos Deutschland.

Info GmbH: Neue Qualitätsoffensive, um den Ruf der Branche zu schützen

Holger Liljeberg: Wir gehen davon aus, dass wir unseren erfolgreichen Weg auch im zweiten Halbjahr fortsetzen werden. Dafür spricht der erhebliche Auftragsbestand, aber auch das anhaltende Vertrauen unserer Kunden in unsere Arbeit. Optimistisch stimmen uns vor allem die hohen Qualitätsanforderungen unserer Kunden.

Unbehagen bereitet uns, dass immer noch Daten und Studien veröffentlicht werden, die auf unzureichender Basis einfache Antworten auf komplizierte Fragen versprechen. Deshalb engagieren wir uns bei ADM und BVM für eine neue Qualitätsoffensive, um letztlich auch den guten Ruf unserer Branche insgesamt zu schützen.

Holger Liljeberg ist Geschäftsführender Gesellschafter der INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung.

Krämer Marktforschung: Ausbau der Kapazitäten für Gruppendiskussionen

Claus Günnewig: In den letzten zwei, drei Jahren ist, bedingt durch die Pandemie, die Anzahl an F2F-Interviews stark zurückgegangen. Das gleiche gilt für POS. Über 80% der damals verschobenen Studien sind mittlerweile durchgeführt worden. Ein Teil wird sicherlich digital bleiben, ein größerer Teil wird wieder in Präsens durchgeführt.

Unsere Gruppendiskussionsräume werden stärker gebucht. Mit Düsseldorf (ehem. IHR Teststudio) haben wir einen sechsten Standort eröffnet. Es bleibt einiges im Wandel.

Claus Günnewig ist Prokurist bei der Krämer Marktforschung.

Lesen Sie in Kürze, wo die Institutsleiter ihre Sommerferien verbracht haben und auf welche Veranstaltungen sie sich im zweiten Halbjahr besonders freuen.

Ein Wort zur Stichprobe: Angefragt für ein Statement wurden per E-Mail der laut Context-Liste 2022 größten 25 deutschen Institute. Davon haben elf Institute an der Umfrage teilgenommen.

 

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