Dr. Roland Abel, Qualtrics Zuhören und agieren: So machen Sie Employee-Experience-Management richtig

Wer seine Mitarbeiter befragt, muss diesen Befragungen auch weitere Maßnahmen folgen lassen. Sonst bleibt das Employee-Experience-Management sinnlos. Wie das richtige EX-Management den Mitarbeitern eine echte Mitgestaltungsmöglichkeiten bietet, erklärt Dr. Roland Abel, Qualtrics.

Employee Experience ist zurzeit das bestimmende Thema im Personalwesen. Eine moderne Zuhörpraxis hält langsam auch bei deutschen Unternehmen Einzug. Neue Befragungselemente zielen auf die Stimmungen, Ideen und Meinungen der Mitarbeiter ab - und zwar genau in dem Moment, in dem der Mitarbeiter eine Erfahrung macht. Die Employee Experience (EX) hat einen hohen Stellenwert und wird situationsbedingt mehrfach im Jahr abgefragt. So findet der Arbeitgeber heraus, ob beispielsweise das Onboarding gelungen ist oder das letzte Projekt effizient erarbeitet wurde. Allerdings brauchen Unternehmen nicht zu fragen, wenn sie nicht bereit sind, ihre Mitarbeiter mit einzubinden und Veränderungen herbeizuführen. Eine neue Zuhörpraxis erfordert eine Neuausrichtung entsprechender Folgemaßnahmen, die bereits in der klassischen Mitarbeiterbefragung zu den größten Herausforderungen gehörten.

Befragungsmüdigkeit überwinden

Die meisten Mitarbeiter haben schlechte Erfahrungen mit früheren Folgeprozessen gesammelt. Eine gewisse Befragungsmüdigkeit ist verbreitet und mindert die Chancen für ein erfolgreiches EX-Management. Hinzu kommt, dass nicht nur ein Zuwachs an Befragungen zu befürchten ist, sondern vor allem eine Erwartungshaltung der Mitarbeiter, die sich kaum erfüllen lässt. Unternehmen können weder organisatorisch noch zeitlich mehr Workshops zur Mitarbeitereinbindung stemmen oder jedes Mal einen abgestimmten Folgeprozess entwickeln. Was ist also die zu erwartende Realität? Und was sind die Lösungen, um diesen neuen Anforderungen zu begegnen?

Betroffene zu Beteiligten machen

In jedem Change-Management-Handbuch findet sich ein Kapitel darüber, wie wichtig die Einbindung der Angestellten in die verschiedenen Prozessphasen ist. "Betroffene zu Beteiligten machen" lautet das Motto. Veränderungen sind nicht jedermanns Sache, deshalb ist es wichtig, die Mitarbeiter am Wandel zu beteiligen und ihre Bedenken zu erfassen. Genau hierauf zielt das EX-Management ab: Es baut Vertrauen auf und Widerstände ab. Denn es bindet nicht nur die Ideen der Mitarbeiter mit ein, sondern schafft echte Mitgestaltungsmöglichkeiten. Je weniger Top-down vorgegeben wird, desto größer die Unterstützungsbereitschaft für Veränderungen.

Die richtige EX-Plattform erleichtert Zugriff für alle Ebenen

Viele EX-Technologien vereinfachen zwar die Dokumentation und die Verfolgung von Maßnahmen, erreichen allerdings nicht alle Ebenen in einem Unternehmen. Abgehobene Fragestellungen aus der Unternehmenszentrale - beispielsweise über die allgemeinen Unternehmensziele oder den Führungsstil des Vorstands - haben oft wenig mit dem Alltag vieler Arbeitnehmer zu tun. Wichtiger ist eher, dass der lokale Manager und seine Teammitglieder erfahren, wie die eigene Geschäftseinheit abschneidet und wie die lokalen Prozesse funktionieren.

Ein gutes EX-Management zeichnet sich durch einen Mix aus zentralen und dezentralen Befragungen, themenspezifischen Feedbacksammlungen und der Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen aus. Eine EX-Plattform muss genau dies ermöglichen und für jede Mitarbeiterbefragung anwendbar sein. Sie sollte sowohl in technischer Hinsicht flexibel anpassbar sein als auch auf inhaltlicher Ebene verschiedene Modelle integrieren können.

So können die mittleren und höheren Führungskräfte einzelner Geschäftsbereiche Feedback zu ihren selbst gesetzten Prioritäten einsammeln. Dadurch erhöht sich für sie die Relevanz der Themen und die Umsetzung von Vorhaben und Veränderungen wird wahrscheinlicher. Denn: Geht es um geschäftsentscheidende Fragen für den lokalen Markt, sind die Mitarbeiter stärker involviert und haben eher Lust, sich mit den Umfragen und Ergebnissen auseinanderzusetzen.

Wichtig ist, dass zwischen Mitarbeitern und Folgeprozessen ein entsprechend naher Bezug gewährleistet wird, dieser aber hoch genug angesetzt ist, damit strukturelle Veränderungen möglich sind. Die EX-Plattform muss fähig sein, dezentrale Themen heterogen in einer Plattform abzubilden. Manche Unternehmen kommen sogar zu dem Ergebnis dass sie gar keine Umfragen mehr machen wollen, deren Resultate auf Unternehmensebene für den Vorstand aggregiert werden.

Einbindung aktueller und zukünftiger Themen

Gerade große Unternehmen messen sich in ihren Umfragen gerne an Benchmarks, um die eigene Position im Vergleich zu den Mitbewerbern zu sehen. Das Problem: Diese Benchmarks hinken dem Wandel der Zeit oft hinterher, es werden immer die gleichen Inhalte abgefragt. Modernes EX-Management bedeutet daher auch, sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen unserer Arbeitswelt zu stellen. Hierzu gehören neue Arbeitsformen und Karrierepfade, die Interaktion mit digitalen Tools, der Umgang mit zunehmender Komplexität oder das Aufbrechen klassischer Führungsstrukturen. Um zu diesen prägenden neuen Erfahrungen bei der Belegschaft Rückmeldungen einzuholen, müssen Unternehmen einen Sinneswandel durchlaufen und echte Veränderungsbereitschaft signalisieren. Technik kann helfen, Ideen zu sammeln und Vorschläge für neue Konzepte und Organisationsstrukturen von der Belegschaft bewerten zu lassen.

Mehr Befragungen bedeutet nicht mehr Aufwand

Sind neben der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft die nötigen Strukturen und eine passende Software integriert, steht einer effizienten EX-Planung nichts mehr im Weg. Denn mit einem Vorurteil muss aufgeräumt werden: Mehr Umfragen bedeutet nicht mehr Aufwand.

Im Unterschied zur großen, jährlichen Engagement-Umfrage aller Arbeitnehmer zielt das EX-Management von heute auf häufige, kurze und dezentrale Umfragen für spezifische Zielgruppen ab. Entsprechend werden auch die Maßnahmen entwickelt. Zum Beispiel: Die Mitarbeiter eines Geschäftsbereiches machen vierteljährlich zu dem gleichen Themenkomplex kurze Umfragen, sogenannte "Pulse Checks". Führungskräfte können so regelmäßig überprüfen, ob die Engagement-Treiber und die Themen noch die gleichen sind. Außerdem: Was sagen die Beschäftigten zur Qualität des Folgeprozesses? Ein großer Vorteil regelmäßiger Umfragen ist, dass neben aktuellen Projekten auch die Folgemaßnahmen abgefragt und bewertet werden können. Sind alle Mitarbeiter mit den Entwicklungen zufrieden, muss nichts geändert werden. Gibt es negatives Feedback, können die Maßnahmen im Kleinen sofort angepasst werden.

Das ist eine große Zeitersparnis: Denn messen Unternehmen nicht regelmäßig die EX, können die Ergebnisse unbemerkt schlechter werden, und der Aufwand, nach einem Jahr alles komplett neu aufzusetzen, ist immens hoch. Hinzu kommt: Werden die Mitarbeiter regelmäßig befragt, können sie sich die aufwendigen Workshops sparen, die bisher üblicherweise nach Jahresumfragen abgehalten wurden. Hier sollten im Team Ergebnisse bewertet und Maßnahmen entwickelt werden. Denn Workshops sind sehr zeitintensiv und können besonders dann frustrierend sein, wenn der eigene Beitrag nicht berücksichtigt wird. Das erklärt auch, warum die eigentliche Müdigkeit der Mitarbeiter meist nicht von den Befragungen kommt, sondern von eben diesen Workshops. Zusammengefasst heißt das: Mehr Umfragen steigern den Aufwand für Unternehmen nicht. Und für kleine Pulse-, Lifecycle- oder Onboarding-Befragungen gibt es ohnehin Themenverantwortliche, die sich kümmern.

Folgemaßnahmen als integraler Bestandteil - ohne stets aufwendige Team-Workshops

Selbst wenn die richtigen Fragen gestellt werden, hängt der Erfolg einer EX-Strategie von den Maßnahmen ab: Sie müssen ein integraler Bestandteil jeder Strategieplanung sein. Eine Mitmachkultur kann nur hergestellt werden, wenn die Führungsebene mit ihren Mitarbeitern kommuniziert und sie in die Planung von Veränderungen mit einbindet. Statt die Ergebnisse nur in Workshops zu präsentieren, bieten sich hierfür auch das Intranet oder Web-Meetings an, solange es den Dialog fördert.

Für eine bessere Einbindung gibt es auch andere Möglichkeiten: Statt nur die Ergebnisse ihres Teams zu erhalten, können Mitarbeiter in übergreifenden Initiativen tätig werden. Beispielsweise nehmen sich ausgewählte Mitglieder aus verschiedenen Teams der strukturellen Veränderung einer ganzen Geschäftsabteilung an. Auch die Einbindung der unternehmensinternen Change-Manager und der Input von Fachabteilungen für die Planung von Maßnahmenszenarien erleichtern es Unternehmen, schneller agieren zu können.

Mit der richtigen EX-Plattform können auch Ideen zu verschiedenen Inhalten gesammelt werden; das war sonst der entsprechenden Fachabteilung vorbehalten. Eine flächendeckende Ideenabfrage oder -bewertung liefert mehr Input und ist effektiver als die sonst üblichen Einzel-Interviews.

Fazit

Employee-Experience-Management muss eine Veränderungsbereitschaft im Unternehmen herstellen. Wenn das gelingt, wird fortschrittliche Personalarbeit möglich. Gleichzeitig werden dabei diejenigen Ebenen im Unternehmen aktiviert, die für die wirklich relevanten Veränderungen sorgen können. Moderne Software hilft dabei, aber ohne individuell zugeschnittene Konzepte für jedes Unternehmen geht gar nichts. Wer besser zuhören will, um mehr zu bewegen, muss Bewegung ins Zuhören bringen.

Über den Autor: Dr. Roland Abel ist Head of Growth & Strategy - Employee Experience (EX) DACH und unterstützt Qualtrics-Kunden bei der Erhebung von Experience-Daten. Er blickt auf über zwölf Jahre Erfahrung im Bereich Employee Experience zurück. Bei einer großen HR-Beratung führte er als Practice Head Employee Insights Germany & Austria multinationale Mitarbeiterbefragungen für internationale Konzerne in der DACH-Region durch. Dabei kümmerte er sich um die Konzeption und Auswertung der Umfragen, die Besprechung der Ergebnisse mit der Führungsebene und um die Planung von Folgeaktivitäten. Zuvor promovierte er in Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.

 

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