Sonderauswertung Recruiting-Studie Woran Marktforscher in Vorstellungsgesprächen scheitern

Warum scheitern Marktforscher im Vorstellungsgespräch? Wir haben Personalverantwortliche und HR-Manager aus der Marktforschungsbranche befragt und die häufigsten Gründe für das Scheitern von Bewerberinnen und Bewerbern identifiziert.



von Matthias Richter, marktforschung.de

Marktforscherinnen und Marktforscher, die sich Gedanken über ihr Vorstellungsgespräch machen, haben bereits eine große Hürde gemeistert. Die Bewerbungsunterlagen konnten – zumindest bis zu einem gewissen Grad – überzeugen. Jetzt heißt es für den Bewerber oder die Bewerberin, die "Versprechen" aus dem Anschreiben glaubhaft zu vermitteln und sich im besten Licht zu präsentieren. Dieser Schritt, den es noch für eine Einstellung zu meistern gilt, birgt jedoch diverse Gefahren, wie unsere Ergebnisse zeigen.

Motivation, Authentizität, Sympathie

In unserer Studie haben wir zunächst gestützt gefragt, was seitens der Bewerberinnen und Bewerber wichtig ist, um im Vorstellungsgespräch zu punkten. Das Ergebnis: Fast alle der von uns vorgeschlagenen Verhaltensweisen werden irgendwie als wichtig erachtet. Bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch, dass es vor allem darum geht: Motivation zeigen, authentisch sein, sympathisch auftreten. Gemessen nach Wichtigkeit stehen erst danach die fachlichen Kompetenzen und das Wissen über das jeweilige Unternehmen. Der Dresscode scheint in der Marktforschungsbranche ein weniger ausschlaggebendes Kriterium zu sein.

Abbildung 1: Wichtige Kriterien, um im Vorstellungsgespräch zu überzeugen; aus Sicht von Personalverantwortlichen: n=194–198


Interessanter wird es, wenn man die Personalverantwortlichen konkret (offen) danach fragt, woran Bewerber am häufigsten scheitern. Die angegebenen Gründe sind vielfältig, aber lassen sich gut in Gruppen (s. Abbildung 2) zusammenfassen.

1. Vorbereitung: über Unternehmen, Position und Branche informieren

Am häufigsten bemängeln die befragten Personalentscheider, dass Bewerber mit keinen, zu ungenauen oder gänzlich falschen Vorstellungen über das jeweilige Unternehmen oder die vakante Stelle in die Gespräche starten. Quereinsteiger informieren sich manchen Aussagen nach zu wenig über die Branche. Insgesamt mangelt es aus Sicht einiger der Befragten bei vielen Bewerbern augenscheinlich an der richtigen Vorbereitung. Dies äußere sich dann häufig in unqualifizierten Fragen und unpassenden, wenig individualisierten Standardantworten. Mehr als ein Fünftel (21 Prozent) aller genannten Gründe des Scheiterns hängt mit einer unzureichenden Vorbereitung zusammen. 

Abbildung 2: Gründe, aus denen Marktforscher besonders häufig im Vorstellungsgespräch scheitern; aus Sicht von Personalverantwortlichen: n=163; 421 Nennungen (Gründe)

2. Fachwissen: Ehrlich währt am Längsten

Viele der Befragten bemerken im Vorstellungsgespräch, dass die Bewerber nicht den fachlichen Anforderungen gerecht werden. Häufig wird erst jetzt deutlich, dass die in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Kompetenzen mit der tatsächlichen Expertise nicht deckungsgleich sind. Selbstverständlich macht es Sinn, die eigenen fachlichen Fähigkeiten im Anschreiben positiv darzustellen. Über das Ziel hinauszuschießen, lohnt sich jedoch selten: Die Personaler bewerten es als absolutes No-Go, wenn Lügen aufgetischt werden und sie diese durch gezielte Fragen entlarven können – genau darin sind sie in der Regel gut geschult und geübt. Mit beispielsweise einem nicht absolvierten Hochschulstudium oder etwa nicht vorhandenen Softwarekenntnissen sollte also nicht geprahlt werden – meistens fliegt man damit ohnehin spätestens in der Probezeit auf. Manchmal reichen auch einfache Testaufgaben bzw. Case Studies dazu aus, Bewerber beim Nachweis ihrer angeblichen Fähigkeiten ins Schlingern zu bringen, so die Befragten. Daher unser Rat: Verkaufen Sie sich gut, aber bleiben Sie bei der Wahrheit.   

3. Auftreten: Nicht zu überheblich, nicht zu zurückhaltend

Ein hoher Anteil der genannten Ursachen für das Scheitern in Vorstellungsgesprächen (28 Prozent) hängt mit einem unangemessenen Auftreten in Bezug auf das Selbstbewusstsein der Bewerber zusammen. Weder zu überheblich noch zu schüchtern sollten sich die Interessenten zeigen. Dabei werden Überheblichkeit und Arroganz – die sich meist auch in unrealistischen Gehaltsforderungen äußern – häufiger genannt als ein zu schwaches Selbstbewusstsein (Verhältnis etwa 60:40). Letzteres zeigt sich in übertriebener Schüchternheit bzw. Nervosität, Passivität und letztlich auch der Unfähigkeit, die eigenen Stärken überzeugend zu vermitteln. Manchmal wirken die Bewerber dadurch auch unmotiviert oder leidenschaftslos. Gewünscht wird also, dass die Bewerber selbstsicher und souverän auftreten, dabei aber bodenständig bleiben und sich nicht übertrieben selbst inszenieren.

4. Intrinsische Motivation: Das innere Feuer zeigen 

Auf einige der Befragten wirken Bewerber zu häufig wenig interessiert an der ausgeschriebenen Tätigkeit, insgesamt unmotiviert oder gar phlegmatisch. Manch einem fehle das "Leuchten in den Augen", ein "inneres Feuer" oder der "eigene Antrieb". Direkt den Einstieg mit Fragen zu Gehalt, Urlaubsanspruch oder der Flexibilität der Arbeitszeiten zu suchen, wird als Tabu aufgeführt. Die Befragten wünschen sich von ihren Bewerbern, dass sie für die Marktforschung "brennen" und ihnen der Job Spaß macht. Die Erklärung ist nachvollziehbar: Gesucht werden in der Regel Mitarbeiter, die langfristig bleiben, hohe Leistungen erbringen, lernbereit sind und sich für den gemeinschaftlichen Erfolg engagieren. Motivierte Mitarbeiter sind förderlich für ein gutes Betriebsklima und meist färbt eine außerordentliche Motivation auch auf andere Mitarbeiter ab. Unser Tipp: Erläutern Sie Ihre Interessen und Leidenschaften und bringen Sie diese deutlich in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle mit ein. Verzichten Sie dabei auf abgedroschene Floskeln und starten Sie Ihre Sätze beispielsweise mit "In ihrem Unternehmen erkenne ich die Möglichkeit, …".

5. Persönlichkeit: Der Funke muss überspringen

Immerhin fast jeder Zehnte der befragen Personalentscheider sagt, dass es häufig an der Persönlichkeit oder am Charakter der Befragten scheitert. Manchmal passen die Interessen oder Werte nicht zusammen. Manch ein Personaler befürchtet, dass der Kandidat nicht ins eigene Team passt. Einige entscheiden auch nach "Bauchgefühl" oder finden, dass die "Chemie einfach nicht passt". Einzelne machen sich Sorgen, ob das eigene Unternehmen bieten kann, was sich der Bewerber vorstellt. An dieser Stelle ist es schwierig, Ratschläge zu erteilen, denn manchmal passt es einfach nicht. Wer sich offen und positiv zeigt und die anderen hier gegebenen Vorschläge beherzigt, fährt sicherlich nicht allzu verkehrt.

6. Antworten: präzise, direkt, ehrlich

Ein paar der Befragten machen häufig das Antwortverhalten von Bewerbern als Gründe des Scheiterns aus, insbesondere wenn es um unangenehme Fragen geht. Häufig würde dann "um den heißen Brei" geredet, ausgewichen, wenig souverän reagiert oder allzu offensichtlich gelogen. Sie wünschen sich seitens der Bewerber konkrete und präzise Antworten, einen roten Faden beim Beantworten und geistige Flexibilität. Bereiten Sie sich also auch auf mögliche unangenehme Fragen, beispielsweise zu Lücken im Lebenslauf oder schlechten Noten in einem Studienfach vor. Häufig werden Sie dabei nur auf Ihre Reaktion getestet. Üben Sie außerdem, beim Antworten auf den Punkt zu kommen und: Lügen Sie nicht, denn das könnte schnell zum Ausschluss führen.

Zur Studie: Ziel der Untersuchung war, die Rekrutierung, Bewerbungs- und Einstellungsprozesse in der Marktforschungsbranche genauer zu beleuchten. Dafür wurden im Rahmen einer Onlineumfrage insgesamt 621 Personen befragt, davon 380 Marktforscher zu vergangenen und aktuellen Bewerbungsprozessen. Die anderen 241 waren Mitarbeiter, die an der Rekrutierung und/oder Einstellungsentscheidung neuer Mitarbeiter beteiligt sind. Diese haben aus Unternehmenssicht Auskunft über Einstellungsprozesse von marktforschungsbezogenen Stellen gegeben.

 

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