Wohin mit unserem Geld?

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist

Von Oliver W. Schwarzmann

Ja, wohin mit unserem Geld?
Das ist die bange Frage, die vielen Anlegern derzeit nicht mehr aus dem Kopf geht.
Die einen haben Angst vor einer Superinflation; nicht zu Unrecht, bedenkt man die monströsen Staatsschulden, die hier in Europa und in den USA aufgetürmt vor einer noch nicht zu erkennenden Lösung liegen und die irgendwann quasi "gegeninflationiert" werden müssen, so das Hauptargument der Inflationsbefürchter. Anders, so die Argumentation weiter, werden die Länder ihre Schulden nie los. Wer an eine reguläre Rückzahlung glaubt, ist ein Träumer.
Da ist was dran.
Natürlich reden alle vom Sparen. Doch die bei uns verfassungsrechtlich festgeschriebene Schuldenbremse (die in Europa als vorbildlich gilt) ist keine Rückzahlungsverpflichtung, sondern lediglich die nun selbstverbriefte Tugend, in Zukunft weniger Schulden zu machen. Es geht also nicht um konkrete Tilgungsbemühungen, sondern um die noble Geste, weniger Schulden zu machen (außer in Ausnahmesituationen, in die die Welt natürlich immer wieder stürzt). Würde sich Ihre Bank damit zufriedengeben?
Nun, andere Länder, und das ist wohl die gute Nachricht, schwelgen im Gegensatz zu Deutschland nur in Sparabsichten, Pardon – in dem Vorhaben, weniger Schulden zu machen. 
Tja, die Schulden müssen weniger werden, daran geht kein Weg vorbei. Eine Inflation wäre da eine geschickte Entwertungshilfe, die aber nicht nur Barvermögen vernichtet, sondern auch steigende Preise bedeutet. Zudem wäre die EZB gehalten, der Inflation massiv entgegenzutreten (schon alleine, um ihr verlorenes Gesicht durch den umstrittenen Ankauf von Staatsanleihen ausgewiesener Pleitestaaten wiederzugewinnen). Doch höhere Zinsen inklusive einer Einschränkung der Geldmenge plus der Verteuerung der Lebenshaltungskosten würden die sich ohnehin schon ankündigende Rezession weiter verschlimmern. 
Während jedoch die Preise noch relativ stabil sind, befürchten die anderen das Ende des Euros.
Adieu, Euro?
An dieses Negativszenario glaube ich nicht, alle EU-Politiker würden Ansehen und Glaubwürdigkeit einbüßen und der wirtschaftliche wie politische Zerfall Europas wäre dann tatsächlich nicht mehr aufzuhalten. Auch Brüssel wird das aus diesen Überlegungen und nicht zuletzt aus Gründen des existenziellen Selbsterhaltungstriebs nicht zulassen. Die naheliegende Ultima Ratio: Eurobonds.
Mehr Sorgen macht mir da schon der Dollar, obwohl US-Notenbankchef Ben Bernanke nichts Neues zur Lösung der amerikanischen Schuldenkrise sagt, aber dennoch sehr bemüht alles tut, um Vertrauen in die Märkte zu streuen. So glaubt der Fed-Chef an eine wirtschaftliche Erholung der US-Konjunktur im zweiten Halbjahr, was wohl den einen oder anderen Investor hoffen lässt. Wachstum, so der ungebrochene Glaube vieler, ist das ultimative Heilsversprechen für die Zukunft und die Lösung für alle (Finanz-)Probleme. 
Doch Wachstum braucht Vertrauen - diese Reihenfolge lässt sich nicht umkehren.
Das sollten (wirkliche) Anleger bedenken.
Spaß an der Börse haben momentan deshalb nur die Hedgefonds, die die Volatilität der Finanzmärkte geschickt ausnutzen, weshalb das derzeitige Börsenbild kaum aussagekräftig ist über die Zukunft von Geld, Wirtschaft und Unternehmen.

Wohin also mit unserem Geld?
Kapital ist ja genügend vorhanden, nur die Staaten sind aufgrund ihrer zum Teil verschwenderischen und zum Teil notwendigen Kompensations- und Verteilungspolitik von der Pleite bedroht.
Den Vermögenden geht es bestens.
Es drohen ja keine Steuererhöhungen, nein, hierzulande geht es sogar um Entlastungen und in den USA wird sich Obama wie wir jüngst im Schuldenstreit gesehen haben mit einer Besteuerung der Reichen und Superreichen nicht, heißt wahrscheinlich: niemals, durchsetzen können.
Die Frage ums liebe Geld ist also die alte: Wo können wir es sicher anlegen, bei entsprechender Rendite versteht sich?
Lohnen Investitionen …
in Gold? Nö, überbewertet.
In Schweizer Franken? Nö, überbewertet.
In guten Wein? Absolut, aber nur in Maßen und die wirklichen Top-Jahrgänge sind eh vergriffen. Also: Abstriche machen und selbst verkosten.
In Kunst? Ja schon, doch: Klassiker zu teuer, deshalb nur zeitgenössische Werke sinnvoll, Intuitiventscheidungen unumgänglich. Deshalb sich vorher fragen: Habe ich den richtigen Riecher?
In Konsum? Ok, aber nur selektiv und nur, wenn er innerlich befreit. Dabei bedenken: Andere beschenken macht glücklich. Allerdings: Nicht auf Dauer. Das gilt auch für den Eigenkonsum. Deshalb: Nur spontan einkaufen. 
In Rohstoffe? Solide, aber sehr stark konjunktur- und weltmarktabhängig; derzeit also unruhig.
In Immobilien? Immer, bei einem Grundsatz: Lage und Qualität müssen stimmen. Alles andere sind Kostenkulissen.
Und an der Börse?

Nun, wir werden lernen müssen, dass die Börsen auch in Zukunft hohen Schwankungen ausgesetzt sind. Die globale Wirtschaft ist ein Netz aus äußerst unterschiedlichen Volkswirtschaften, die zudem extreme Ungleichheiten aufweisen. Durch die enge Verzahnung der weltweiten Ökonomie kommt es zu unkalkulierbaren Wechselwirkungen dieser Ungleichgewichte, die sich weiter beschleunigen und verstärken werden. Damit ist auch die Zeit der Wellen und Zyklen vorbei; Krise wird neben Boom herrschen ebenso wie grandioser Erfolg neben massivem Misserfolg existiert.
Von der Politik würde ich keine bahnbrechenden Entscheidungen erwarten; sie wird zunehmend zum pragmatischen Administrator. Ein anderer Habitus ist der Politik nicht mehr möglich.
Tja, einst war die Ökonomie ein System, das durch die Politik gestaltet wurde. Heute ist die Politik, die, wie gesagt, statt aus Organisation und Integration nur noch aus Kompensation und Verteilung besteht, zum Risikofaktor für die Ökonomie geworden. Die Finanzmärkte haben das in den letzten Monaten sehr deutlich demonstriert.  
Es wird deshalb vor allem auf jeden Einzelnen selbst ankommen, was er aus diesem wirtschaftlichen Wirrwarr macht; wie er sich entfalten will, mit welchen Ideen und persönlichem Engagement er dieser Welt zu begegnen weiß.
Nun, wo viele Risiken sind, sind auch viele Chancen.
Aber nur dann, wenn wir sie sehen wollen.
Denn: Risiken sind offensichtlich, Chancen nicht.
Risiken kommen auch von ganz alleine, Chancen nicht.
Über Risiken sind sich alle einig, bei Chancen nicht.
Deshalb hören wir so viel über Risiken.
Darin liegt auch die Antwort auf die Titelfrage.
Wir wollen unser Geld ja dort anlegen, wo die meisten Chancen sind.
Dann müssen wir lernen, sie uns selbst zu schaffen.
Und das hat zunächst nichts mit Geld zu tun.

 

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