Walter Freese, Interrogare Wissen, was die Menschen wirklich denken (und fühlen)

Emotionen sind der Schlüssel zu allem. Emotionen machen aus einer Erfahrung ein Erlebnis, aus einem Treffen eine Begegnung und aus einer Marke eine Love Brand. Ergebnisse einer Studie, in der die emotionale Welt von über 100 Marken implizit vermessen wurde.

Gedanken und Gefühle (Bild: picture alliance / Zoonar | Max)

Jede Marke sollte wissen, welche Gedanken, Gefühle und Emotionen Menschen mit ihr verbinden. Implizite Verfahren der Emotionsforschung ermöglichen hierfür einen tiefen Einblick. (Bild: picture alliance / Zoonar | Max)

Jeder aus dem Marketing und Branding weiß, dass sich funktionale Aspekte erfolgreicher Produkte – also die USPs – genauso kopieren lassen wie Kommunikationsbotschaften und ganze Marketingstrategien. Bei Emotionen gelingt dies aber nicht so leicht. Daher sollte jede Marke wissen, wo in den Augen der Konsumierenden der ESP – der Emotional Selling Point – der Marke liegt. Das bedeutet, dass die emotionale Verortung, die Wahrnehmungstreiber und die darunterliegenden Motive identifiziert werden müssen.

Wie kann man „Emotional Branding“ messen?

Zur Dekodierung emotionaler Markenmotive und -emotionen in der quantitativen Marktforschung hat sich die Reaktionszeitmessung (RTM) etabliert. Bei diesem Verfahren werden die impliziten Assoziationen, die mit einer Marke verbunden werden, gemessen. Anstatt über skalenbasierte Fragen die rein explizite, bewusste Wahrnehmung zu ermitteln, sollen die Befragten so schnell wie möglich antworten, ob zum Beispiel Bilder oder Begriffe zur eingeblendeten Marke passen oder nicht. Kurze Antwortzeiten zeigen dabei eine hohe Assoziationsstärke, während lange Antwortzeiten darauf schließen lassen, dass keine impliziten, unbewussten Assoziationen bestehen.

Die RTM misst also die Assoziationsstärke zwischen Stimulus – also Begriffen oder Bildern – und der Marke. Wir bei Interrogare arbeiten mit einem validierten Set an Begriffen und Bildern, die sich sieben basalen Emotionssystemen zuordnen lassen (siehe Abbildung).

sieben Emotionssysteme (Bild: Interrogare)

Diese sieben Emotionssysteme untersucht Interrogare in der Reaktionszeitmessung. (Grafik: Interrogare)

Im Rahmen einer Studie mit mehr als 2.600 Befragten wurde bei über 100 Marken aus verschiedensten Branchen getestet, ob und wie emotional diese bei den Konsumenten verankert sind.

Im Kern wollten wir wissen:

  • Welche Marken und Branchen haben die höchste Markensympathie?
  • Welche Emotionen werden von den Marken getriggert, welche Emotionssystem befeuert?
  • Welchen Impact haben die Einzelemotionen auf die Markenstärke?
  • Wo steckt für Marken Verbesserungs- oder Wachstumspotenzial auch in scheinbar zementierten und saturierten Märkten?

1. Versicherungen – nicht sehr emotional?

Die Erkenntnis ist nicht neu: Marken von Finanzdienstleistern haben es schwer emotional aufgeladen zu werden, da die Beschäftigung mit deren Produkten und Dienstleistungen eher lästige Pflicht als emotionales Markenerlebnis ist und ein geringes Involvement erzeugt. Im Branchenvergleich erzielen Versicherungen neben Online-Banken die geringste Markensympathie. Dieser Gesamtwert, der auch als Pleasure oder Markenstärke bezeichnet werden kann, wird je Marke aus der impliziten Messung mehrerer Begriffe wie ‚attraktiv‘, ‚positiv‘ oder ‚sympathisch‘ berechnet. Während einige Top-Marken wie dm, Lego oder adidas Werte von über 60 erzielen, kommt selbst Branchen-Primus Allianz auf nicht mehr als 35.

Trotzdem haben auch diese Marken einen emotionalen Fußabdruck: Die höchsten Assoziationen bestehen zu den Emotionssystemen Fürsorge und Dominanz. Auf der einen Seite stehen Marken wie die Allianz, AXA oder auch die Cosmos Direkt für Sicherheit, Schutz, Vertrauen und Zuverlässigkeit – auf der anderen Seite für Erfolg, Status und Leistung. Aber: Den höchsten Impact – also die per Treiberanalyse ermittelte Wirkung einzelner Emotionen auf die gesamte Markenstärke – haben neben der Fürsorge die beiden Emotions-Systeme Suche und Spiel/Freude. Versicherungen, die als offen, inspirierend oder kreativ gelten oder es schaffen, Lebensfreude und Gemeinschaft zu kommunizieren, haben hier durchaus einen Hebel, um in der Markensympathie zu steigen.      

Ein weiteres Ergebnis zeigt auf, wie schwierig und komplex das Thema Emotionen und deren Messung ist: Neben den Begriffen nutzen wir für die Assoziationen ein validiertes Set an Bildern. Vergleicht man, welche Bilderwelten die Versicherungen in der Regel kommunizieren – Familien, Kinder, Menschengruppen et cetera – und welche Bilder tatsächlich am stärksten von den Konsumenten assoziiert werden, wird die Diskrepanz besonderes deutlich. Es sollen Fürsorge und Gemeinschaft kommuniziert werden, aber Status und Dominanz liefern die Bilder im Kopf (siehe Abbildung).

gen am meisten kommunizieren (Bild: Interrogare)

Gegenüberstellung der Bilder, die Banken und Versicherungen am meisten kommunizieren (links), und den Assoziationen, die tatsächlich in den Köpfen der Menschen entstehen. (Grafik: Interrogare / Quellen: www.barmenia.de, www.allianz.de, www.wuerttembergische.de)

Warum sind Drogerien so erfolgreich?

Die beiden Marken dm und Rossmann erzielt bei der emotionalen Markenstärke absolute Top-Werte. Die Konsumierenden verbinden mit den Drogerie-Marken starke Emotionen aus den Balance- und Fürsorge-Systemen (Harmonie, Wohlfühlen, Entspannung sowie Vertrauen, Zuverlässigkeit). Die Marken stehen für Produkte, die sowohl Selfcare und das Auf-sich-Acht-geben ermöglichen als auch Schutz und Verantwortung gegenüber anderen, wie der Familie und Freundinnen und Freunden.

Aber auch bei diesen Marken lohnt sich der Blick auf die Treiber der Markenstärke. Den höchsten Impact hat nämlich das Spiel/Freude System. Lebensfreude, Spaß und Leichtigkeit sind die Emotionen, die im Drogerie-Markt am stärksten das Pleasure-Maß triggern. Vielleicht kann man diese Erkenntnis so interpretieren, dass die Pflege- und Kosmetik-Produkte stark das Markenbild prägen, es aber der gemeinsame Einkaufserlebnis ist, dass die Marken wirklich nach vorne bringt.

Emotionale Markenprofile von Drogeriemärkten (Bild: Interrogare)

Emotionale Markenprofile von Drogeriemärkten: Das Spiel/Freude-System hat den größten Impact auf die Markenstärke. (Grafik: Interrogare)

Fazit

Es wird zurzeit viel über Purpose von Marken gesprochen, und viele Unternehmen versuchen sich als nachhaltig und umweltbewusst zu positionieren. In jeder Marketing-Abteilung arbeiten externe und interne Branding-Experten an der Entwicklung und Etablierung von Mission Statements, Visionen oder schlicht Markenbildern.

Will man aber langfristig verstehen, wofür eine Marken in den Augen und Köpfen der wirklich entscheidenden Instanz – nämlich derjenigen der Konsumenten, Kunden oder Käufern – steht, muss man mit den geeigneten Methoden der Marktforschung unter die Oberfläche von geäußerten Meinungen und Wahrnehmungen gelangen. Aus gutem Grund steht das diesjährige Branchentreffen, der BVM Kongress im Juni, unter dem Motto „Verstehen, was Menschen wirklich denken“. Implizite Verfahren der Emotionsforschung bieten einen tiefen Blick hinter die mentalen Kulissen und decken auf, welche Emotionen tatsächlich zählen.

Alle Markenverantwortlichen sollten wissen, wie stark die emotionale Verankerung ist, welche Emotionen genau es sind, die getriggert werden und welchen Impact diese auf die gesamte Markenstärke haben.

Über Walter Freese

Walter Freese von Interrogare
Walter Freese ist seit April 2018 bei Interrogare als Director Business Development für die Neu- und Weiterentwicklung von Kundenbeziehungen sowie den Vertrieb etablierter und innovativer Projekte verantwortlich. Zuvor war der Diplom-Sozialwirt 23 Jahren in globalen Marktforschungskonzerne wie der GfK und Kantar TNS tätig.

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