Coronavirus "Wir stellen Bedenken auf Seiten der Interviewer fest, in betroffenen Regionen Interviews zu erheben."

Hat das Coronavirus schon Auswirkungen auf die Bereitschaft, an Marktforschung teilzunehmen? Wie ist den Interviewern zumute, die die Probanden befragen? Und welche Maßnahmen müssen in der Feldarbeit jetzt unbedingt ergriffen werden? Wir sprachen mit Sandra Baethge von IWD Market Research, Markus Meeth von Quovadis, Alexander Schmidt und Marcus Schatilow, beide Ifak, Christoph Rogl von Krämer Marktforschung, Stephan Schmid von Schmiedl Marktforschung und Stefanie Abele von Quotapoint.

Hat das Coronavirus schon Auswirkungen auf die Bereitschaft der Probanden an Marktforschung teilzunehmen?

Sandra Baethge, IWD Market Research: Aktuell können wir über alle Länder hinweg generell keine großen Veränderungen im Antwortverhalten der Befragten wahrnehmen. Sicherlich gibt es in den Ländern vereinzelt Fälle, in denen die Befragten bewusst oder unbewusst vorsichtiger agieren und mehr Nachfragen stellen. Aber das sind in der Masse an Befragungen immer noch Einzelfälle.

Markus Meeth, Quovadis: Ein klares Nein. Bei Quovadis erleben wir ein ungebremstes Interesse der Probanden an der Studien-Teilnahme in unseren Teststudios. Das gilt gleichermaßen für alle drei Standorte: Hamburg, Köln und München. Bislang ist festzuhalten, dass der Besuch in unseren Studios für Testpersonen eher dem Alltagsgeschehen zuzuordnen ist. Menschen gehen einkaufen, sie gehen spazieren, sie gehen ins Café. In diesem Lebensbereich sind wir angesiedelt. Man sollte außerdem im Blick behalten, dass wir kaum mit Bevölkerungsgruppen in Verbindung kommen, die sich jetzt besonders vor Corona-Viren schützen müssen und deshalb vieles reduzieren. Für alle anderen ist das Teststudio ein sicherer Ort, an dem hohe Hygienevorschriften gelten und wo sich Menschen nicht zu nah kommen.

Alexander Schmidt, Ifak: Nein, auf die Bereitschaft der Probanden hat der COVID-19-Virus aktuell noch keine Auswirkungen. Wir stellen eher Bedenken auf Seiten der Interviewer fest, in betroffenen Regionen Interviews zu erheben.

Christoph Rogl, Krämer Marktforschung: Die Bereitschaft der Testpersonen an Face-to-Face Veranstaltungen teilzunehmen, hat bereits leicht nachgelassen, vor allem in der Zielgruppe 60+. Entsprechend muss hier deutlich mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wir gehen davon aus, dass die Bereitschaft in den nächsten Tagen abhängig von der weiteren Entwicklung weiter sinken wird.

Stephan Schmid, Schmiedl Marktforschung: Aktuell sehen wir noch keine Einschränkungen bei der Rekrutierung bzw. erleben keine höhere No-Show Rate. Wir beobachten jedoch die aktuelle Entwicklung intensiv und beobachten sehr genau wie sich die Bereitschaft zur Teilnahme verändert. Denn dies kann sich bei fortschreitender Ausbreitung nahezu täglich ändern. Einschränkungen sind aktuell eher von Kundenseite zu beobachten. Aufgrund von unternehmensinternen Vorgaben nur noch notwendige Geschäftsreisen zu unternehmen, haben viele Kunden Ihren Teilnahme vor Ort abgesagt, buchen alternativ dazu Videostreaming bzw. verschieben schon geplante Studien um 4-12 Wochen.

Stefanie Abele, Quotapoint: Bisher konnten wir keine Beeinträchtigung bei der Bereitschaft zur Studienteilnahme feststellen, diese ist wie gewohnt hoch. 
Auch kommt es nicht zu verstärkten krankheitsbedingten Absagen der Probanden.

Haben Sie besondere Maßnahmen in der Feldarbeit wegen des Corona-Virus ergriffen?

Sandra Baethge, IWD Market Research: Sicherlich sind wir alle hochsensibilisiert und kommen unserer Fürsorgepflicht nach, unseren Interviewern und Supervisoren in den Ländern präventiv die von der WHO empfohlenen Hygieneregeln noch einmal nahezubringen. Dazu gehören selbstverständlich u.a. das regelmäßige Waschen der Hände und auch die Vermeidung von Körperkontakt. Letzterer ist im Rahmen einer persönlichen Befragung jedoch per se nicht üblich zum Schutz der Privatsphäre des Befragten. Zudem weisen wir verstärkt darauf hin, dass natürlich auch jetzt kein Job angetreten werden darf im Falle, dass der Interviewer krank ist oder eine aufkommende Krankheit bei sich beobachtet. Aber auch das war vorher schon Teil unserer normalen Schutzmaßnahmen bei persönlichen Befragungen auf der Fläche. Zudem tracken wir täglich die Infektionsraten in den Ländern in denen wir für unsere Kunden auf der Fläche tätig sind. Aktuell sehen wir in den meisten Ländern kein Risiko, so dass auch die Befragungen wie gewohnt durchlaufen. In den stärker betroffenen Ländern stehen wir in ständigem Austausch mit den Kunden und prüfen sorgfältig, in welchen Regionen Befragungen kurz pausieren sollten und wo wir wie gehabt weiter erheben können.

Markus Meeth, Quovadis:
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ohnehin enorm verantwortungsvoll. Wir haben ausschließlich qualifizierte Kräfte, die immer die Hygiene und Gesundheit der Teilnehmerinnen und auch ihrer Kolleginnen und Kollegen im Blick haben. Unsere Regeln sind allgemeingültig und deshalb auch beim Corona-Virus wertvoll. Das Team weiß, dass wir keine kränkelnden Mitarbeiter am Arbeitsplatz haben möchten. Denn wir machen Arbeit mit Menschen. Auch wenn wir zu den Probanden auf Distanz bleiben, wollen wir hier kein Risiko eingehen. Für den Umgang miteinander und die Pflege der Räume gelten höchste Hygieneregeln. Corona bietet den aktuellen Anlass, nochmals dringlich an das unbedingte Einhalten dieser Regeln zu erinnern.

Marcus Schatilow, Ifak: Ja, und zwar: 1. Sensibilisierung der Interviewer und Aktualisierung der vorliegenden Informationen zum Thema COVID-19-Virus durch Ifak; 2. Generelle Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen (Hinweise bzgl. Hände waschen, in Armbeuge husten / niesen usw.); 3. Anweisung zwischen Teilnehmer und sich selbst einen Sicherheitsabstand von ca. 1m bei der Befragung zu lassen. Zusätzlich werden Tablets grundsätzlich nicht mehr an Befragte übergeben; 4. Bitte sich umgehend zu melden, sofern man Kontakt zu Personen hatte, die in einem Verbreitungsgebiet waren bzw. Kontakt zu Personen hatte, die erkrankt sind; 5. Bei Beschwerden soll der Interviewer seinen Auftrag gar nicht erst antreten. Bitte an die Interviewer, sobald man Symptome einer Atemwegserkrankung hat, den Interviewereinsatz abzubrechen und sich ärztlich untersuchen zu lassen. Für diese Fälle hat Ifak eine zentrale Rufnummer, bei denen sich die Interviewer bei Abbruch und nach der Diagnose melden sollen. Hieraus ergeben sich dann je nach Einsatzort weitere Maßnahmen.

Christoph Rogl, Krämer Marktforschung: Wir folgen der Empfehlung des RKI und schließen alle Personen die innerhalb der letzten 14 Tage in Risikogebieten waren, mit infizierten Personen in Kontakt gekommen sind, oder aktuell Erkältungssymptome aufweisen von Face-to-Face Befragungen aus. Dies gilt selbstverständlich auch für unsere Mitarbeiter und Kunden. Es wurden spezielle Hygienerichtlinien kurzfristig in unseren Studios umgesetzt, so werden bspw. Testplätze nach jedem Interview desinfiziert, auf offene Lebensmittel verzichtet und allen Personen Zugang zu Händedesinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus bitten wir alle Mitarbeiter und Besucher den gängigen Hygieneempfehlungen zu folgen.

Stephan Schmid, Schmiedl Marktforschung: Wir haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Notwendige Dienstreisen werden unterlassen. Mitarbeiter sind hinsichtlich erhöhter Hygienemaßnahmen sensibilisiert, und arbeiten vom Home Office wenn sie z.B. in den letzten 14 Tagen ein Risikogebiet bereist haben. Außerdem haben wir in unserem Rekrutierungsprozess zusätzliche Fragen integriert, die Risikopersonen von der Teilnahme ausschließen, um unsere Kunden als auch Mitarbeiter zu schützen. Darüber hinaus ist unser Reinigungspersonal in den Studios angewiesen besonders kritische Bereiche wie Türklinken, Tische, Empfänge mindestens täglich zu desinfizieren. Hinsichtlich Studienverschiebungen und –stornierungen suchen wir individuelle Lösungen mit unseren Kunden. Zum Beispiel bieten wir die Möglichkeit durch Kooperationen mit Plattform-Anbietern von klassischer Face-to-Face Marktforschung auf Online-Methoden wie Webcam-Gruppendiskussionen/-Interviews bzw. Online-Bulletin Boards umzusteigen.

Stefanie Abele, Quotapoint: Im Zuge der Rekrutierung thematisieren wir das Aufeinandertreffen von Menschen bei uns vor Ort. Wir erklären zudem, dass unsere Gruppen in großzügig gehaltenen Räumen stattfinden und alle notwendigen hygienischen Maßnahmen ergriffen werden. Allerdings bemerken wir, dass unsere Kunden momentan weniger reisen. Daher kommt es verstärkt zur Übertragung der Studien via Focus Vision oder Webstreaming.

Die Interviews führte Gessica Uerling

Sandra Baethge ist Prokuristin der IWD Market Research GmbH und betreut seit 15 Jahren als Senior Projektmanager nationale und internationale Handelskunden.

Markus Meeth (47 Jahre) ist Gründer und Geschäftsführer der Quovadis-Teststudios.

Alexander Schmidt ist Division Manager bei Ifak Field Services. Marcus Schatilow ist Member of the Ifak Management Board & Head of Consumer & Customer.

Christoph Rogl ist Managing Director bei Krämer Marktforschung GmbH und hauptverantwortlich für den Bereich Teststudio und Rekrutierung.

Stephan Schmid ist Managing Director bei der Schmiedl Marktforschung GmbH.

Stefanie Abele ist seit Anfang 2016 geschäftsführende Gesellschafterin bei Quotapoint Market Research Services.

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Dennis Welker am 12.03.2020
    Wir erleben hier bei U-Turn Research ebenfalls Auswirkungen der COVID-19-Situation.

    Angebote und auch bereits bestehende Projekts werden zum Teil von F2F auf Remote- oder telefonische Befragungsmethoden umgestellt. Fokusgruppen werden zu Online-GDs etc.
    Teilweise aufgrund von Reiseverboten der Endkunden oder auch reiner Vorsichtsmaßnahmen unserer Instituts-Kunden.

    Für uns als verantwortliche Rekrutierer verursacht das allerdings keine Probleme.

    Einige Projekte sind auch vorerst gestoppt. Je nach Land sind die Reaktionen natürlich sehr unterschiedlich. In Italien bekommen wir aktuell zum Beispiel keinerlei Angebote mehr für F2F von unseren Partnern.

    Hamsterkäufe haben wir unseren Mitarbeitern untersagt.

    Wir haben aber auch schon drei Hunde im Büro!
  2. Peter Brietsche am 12.03.2020
    Ich vermisse die Beteiligung der Big-Player im F2F hier in der Diskussion!

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