Interview mit Bernd Wachter, ADM Wir müssen eine Anlaufstelle auch für 'junge Wilde' werden

Bernd Wachter ist Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V., kurz ADM genannt. Der ADM vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen der privatwirtschaftlichen Markt- und Sozialforschungsinstitute. Bernd Wachter ist seit 2005 ehrenamtlicher Vorsitzender des Vereins. Sein Lebensunterhalt verdient er aber als CEO der Psyma Group AG im fränkischen Rückersdorf. Der ADM unterstützt den Start-up Pitch Online von marktforschung.de. Bernd Wachter vertritt den ADM in der Jury des Wettbewerbs und stand uns im Interview Rede und Antwort.
Bernd, wenn Du heute selbst ein Unternehmen gründen würdest: Würdest Du in der Marktforschung gründen? Falls nicht, welcher Bereich würde Dich reizen?
Bernd Wachter: Ein Unternehmen zu gründen ist immer spannend und reizvoll, egal in welchem Bereich. Und ich finde die Marktforschungsbranche tatsächlich besonders interessant. Hier kommen viele Disziplinen zusammen, Technologien, Innovationen und inhaltlich macht Marktforschung nicht nur Spaß, es ist auch eine wichtige und sinnvolle Betätigung.
Warum lohnt es sich für Start-ups heute in der Marktforschung zu gründen?
Bernd Wachter: Start-ups lohnen sich immer dann, wenn sie tatsächlich etwas Neues mit relevantem Nutzen bieten. Ich weiß nicht, ob man mit der 27. Bio-Gewürzmischung wirklich in die Höhle des Löwen muss, aber da Marktforschung sich permanent neu erfindet, gibt es auch viele Chancen für neue Unternehmen und Dienstleister oder Technologieanbieter.
In welchen Bereichen der Marktforschung fehlen Dir Innovationen?
Bernd Wachter: Eine gute, aber wirklich schwierige Frage. Wenn ich hier die ultimative Antwort hätte - und damit nicht allein dastünde - dann würde ich sie hier nicht geben, sondern ein Start-up gründen.
Der ADM unterstützt den Start-up Pitch von marktforschung.de. Das freut uns sehr. Aber, müsste der ADM nicht noch viel mehr machen, um Start-ups in der Marktforschung zu fördern? Gerade in Zeiten von Corona, wo die traditionellen Offline-Methoden stark gelitten haben?
Bernd Wachter: Das stimmt schon, und daher hat sich der ADM auch schon vor Corona auf den Weg gemacht und sich für junge und innovative Unternehmen geöffnet. Es gab bislang ja zwei formale Hürden, die Start-ups per Definition nicht nehmen konnten: mindestens drei Jahre Tätigkeit im Bereich der Marktforschung und ein gewisser Mindestumsatz. Seit diesem Jahr bieten wir jungen und (noch) kleinen Unternehmen die Möglichkeit der assoziierten Mitgliedschaft und öffnen somit die Tür zum Verband sowie den Zugang zu den etablierten Mitgliedsinstituten. Mehr Förderung geht eigentlich nicht, denn wer mit der Marktforschung ins Geschäft kommen möchte, der muss mit den relevanten Playern in Kontakt kommen. Und dazu bietet der ADM gerade Newcomern natürlich viel Information und Austausch, etwa zu den zugegebenermaßen nicht immer einfachen Rechtsgrundlagen unserer Profession.
Es gibt seit April 2020 die Möglichkeit der assoziierten Mitgliedschaft für jüngere und kleinere Unternehmen. Warum sollten sich Start-ups dem ADM anschließen? Was kann der ADM Start-ups bieten?
Bernd Wachter: Um es kurz zu machen: Marktzugang, Information und Austausch, Interessensvertretung.
Start-ups haben ja im Kern immer die Herausforderung des Etablierten. Jetzt besteht der ADM zu 99% aus etablierten Unternehmen. Das jüngste Unternehmen dürfte Insa-Consulere sein, die aber auch schon elf Jahre am Markt sind. Wie wird der ADM zukünftig auf "junge Wilde" zugehen?
Bernd Wachter: Wir müssen eine Anlaufstelle auch für "junge Wilde" werden. Der ADM braucht auch deren Input und Mindset, ganz klar. Auch deshalb haben wir ja die Satzung geändert. Wir versuchen, durch Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam zu machen und sprechen aktiv an, wer uns über den Weg läuft und auch für den Verband eine Bereicherung sein könnte. Ich bin sicher, dass wir Ende des Jahres mindestens ein, gerne auch mehr sehr junge Unternehmen in unseren Reihen haben werden, entsprechende Anfragen gibt es und Gespräche werden geführt.
Das bekannteste Start-up aktuell in der Branche dürfte Civey sein. In meiner Wahrnehmung war das Verhältnis zwischen Civey und dem ADM in den letzten Jahren nicht ganz einfach. Was würdest Du zurückblickend anders machen?
Bernd Wachter: Vielleicht weniger spontan reagieren, sondern erst einmal tief durchatmen und eine Nacht schlafen. Aber ich glaube, das Verhältnis zwischen Civey und dem ADM ist gar nicht so schlecht (eher zwischen Civey und einzelnen ADM-Mitgliedern) - und ich denke und hoffe, Janina Mütze, die ja auch in der Jury sitzt, sieht das genauso. Der ADM ist den Standesregeln verpflichtet, aber auch zur methodischen Neutralität. Sonst würden immer noch alle Interviews mit dem Klemmbrett geführt, und es gäbe innerhalb des ADM weder telefonische noch Online-Erhebungen. Aber natürlich müssen neue Methoden auf den Prüfstand gestellt werden und natürlich müssen wir auch reagieren, wenn neue Methoden als der vermeintliche Blockbuster vermarktet und die klassische Markt- und Sozialforschung schlecht geredet wird.
sh
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