Interview mit Wilhelm Kampik und Stephan Teuber Wie sich Forschung und Kunst ergänzen

marktforschung.de: Herr Kampik, Herr Teuber, Sie führen nicht nur ein Marktforschungsunternehmen, sondern engagieren sich sowohl persönlich als auch als Teil der GIM in vielfältiger Weise in der Kulturszene. Schlägt neben Ihrer Marktforscherseele insgeheim ein Künstlerherz? Oder wie ist diese Verbindung zur Kunst und Musik entstanden?
Wilhelm Kampik: Von einem Künstlerherz zu sprechen, wäre vielleicht etwas anmaßend. Aber wir beide sind seit jeher an Kunst interessiert, insbesondere an bildender Kunst und an Musik. Diese Leidenschaft teilen wir interessanterweise auch mit vielen unserer Mitarbeiter. Für ein Unternehmen, in dem dieses Interesse viele verbindet, liegt es daher nahe, sich auch entsprechend zu engagieren.
Stephan Teuber: Wir glauben auch, dass leidenschaftliche Forscher grundlegende Gemeinsamkeiten mit Künstlern haben: den Drang, Neuland zu betreten, auf neugierige Art und Weise die Welt zu entdecken, zu deuten und zu gestalten. Forscher wie Künstler stellen Dinge grundsätzlich in Frage, entdecken neue Perspektiven und provozieren sicherlich auch manchmal. Im Angelsächsischen heißen die (Geistes-)Wissenschaften nicht grundlos "Arts". Dabei ergänzen sich unseres Erachtens Forschung und Kunst.
Wilhelm Kampik: Das stimmt. Wo wir als Marktforscher die "Welt wissenschaftlich vermessen", erklären und deuten, entwickelt die Kunst ihre eigenen, z.B. bildlichen oder musikalischen Ausdrucksformen und Deutungswege. Dort, wo Forschung mit ihrer Weisheit endet, beginnt quasi die Kunst. Dadurch ist die Beschäftigung mit Kunst nicht nur ein schöner Ausgleich zur Forschungsarbeit, sondern auch eine innere Ergänzung.
Marktforschung ist keine "art pour l‘art"
marktforschung.de: Generell sagt man Künstlern ja ein eher sensibles Wesen nach. Eine gewisse Sensibilität muss man sicherlich auch als Marktforscher an den Tag legen. Passen Marktforschung und Kunst demnach nicht eigentlich perfekt zusammen?
Stephan Teuber: Genau, das was für Forschung und Kunst gilt, ist auch wesentlich für gute Forscher und Künstler: Beide zeichnen sich durch Empathie, Neugierde, Kreativität und Offenheit aus. Auch Marktforscher müssen in ihren Gegenstandsbereich eintauchen, ihn von innen kennen, um kompetent darüber arbeiten zu können. Dabei darf der Marktforscher aber natürlich niemals vergessen, dass er keine "art pour l‘art" betreiben kann, und das ist sicher ein gravierender Unterschied sowohl in der eigentlichen Tätigkeit als auch im Selbstverständnis.
Wilhelm Kampik: Ich bin sicher, wenn sich Forscher zu sehr als Künstler fühlten, würden sie doch den Kontakt zu unserer Mafo-Realität verlieren. Wenn sie sich aber dieser Differenz bewusst bleiben, den weltoffenen Blick eines Künstlers jedoch beibehalten, dann ist das ein perfekter Fit. Das gilt unseres Erachtens nicht nur für die qualitativen Forscher, wie man vermuten könnte, sondern gerade auch für die quantitativen.
Stephan Teuber: Legendär ist ja die Nähe zwischen Mathematik und Musik, was wir übrigens auch bei dem einen oder anderen GIM-Forscher ganz konkret wiederfinden: So haben wir nicht nur die inzwischen Mafo-weit bekannte GIM-Band, sondern auch aktive Geiger oder Chorsängerinnen im Team.

marktforschung.de: Um Ihre Verbindung zur Kunst zu erkennen, reicht es schon, das Gebäude der GIM zu besuchen, in das Sie zahlreiche Kunstwerke integriert haben. Welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Strategie?
Wilhelm Kampik: Das ursprüngliche Ziel war recht pragmatisch: Farbe und Lebendigkeit in ein Gebäude aus der Gründerzeit zu bringen, das mit 4 Meter hohen Räumen dringend belebt werden wollte. Recht schnell wurde dann aber klar, dass die Ausstattung der Räume mit Kunst nicht nur dekorativen Funktionen diente, sondern unserem Arbeitskontext eine kreative und kommunikative Atmosphäre schenkte, die der Forschung einen ganz besonderen Rahmen bescherte: Die GIM-Büros sind keine langweiligen "Verwaltungsbüros", sondern Räume, die selbst die Kreativität und Empathie ihrer Bewohner widerspiegeln.
Stephan Teuber: Und wir sind uns sicher, dass damit das kreative und empathische Denken und Potenzial unseres Teams gefördert wird.
marktforschung.de: Gibt es innerhalb des GIM-Gebäudes ein Kunstwerk, das Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Stephan Teuber: Vielleicht ist es ein eher atypisches Objekt… der Großteil der Kunst in der GIM besteht ja aus Gemälden, aber das älteste Kunstwerk, das wir 1999 haben anfertigen lassen, ist eine Metall-Skulptur, die im Vorgarten der GIM steht. Sie stellt eine Gruppendiskussion dar, und der Clou daran ist, dass die metallenen Diskussionsteilnehmer tatsächlich an einem Tisch sitzen, der der erste Diskussionstisch der GIM war und an dem Hunderte von Gruppendiskussionen stattfanden. Forschung und Kunst gehen hier Hand in Hand.

marktforschung.de: Ich könnte mir vorstellen, dass diese besondere Form der Innenarchitektur bei Besuchern, Kunden oder Bewerbern erst einmal für verblüffte Gesichter sorgt. Wie reagieren Gäste von außerhalb gemeinhin bei ihrem ersten Besuch des GIM-Gebäudes?
Wilhelm Kampik: Sagen wir es so: Es gibt immer Reaktionen – und darüber freuen wir uns! Die Kunst lässt praktisch keinen Besucher kalt. Natürlich polarisieren die Bilder auch, aber sie sind immer ein Gesprächsthema und sie werden immer als inspirierend empfunden: Sie werden nicht auf eine dekorative Funktion reduziert, sondern sie rufen stets eine inhaltliche Auseinandersetzung hervor!
Stephan Teuber: Genau, entweder mit den Bildern selbst oder mit dem Künstler, aber auch mit dem Unternehmen, das so viel Wert auf diese Kunst legt, und mit deren Wirkung auf die Mitarbeiter und deren Forschungsarbeit.
Wissenschaftliche Neutralität schließt Stellungnahmen nicht aus
marktforschung.de: Die GIM engagiert sich unter anderem als Sponsor des Plakatwettbewerbs "Mut zur Wut", in dem gerade kritische Motive zu sozialen, gesellschaftlichen und politischen Themen gefragt sind. Wünschen Sie sich auch hin und wieder, die wissenschaftliche Neutralität des Marktforschers abzulegen und sich ein wenig sozial- oder gesellschaftskritischer positionieren zu können?
Wilhelm Kampik: Wir wollen damit zumindest zum Ausdruck bringen, dass sich ein Unternehmen nicht im luftleeren Raum bewegt, im sozialen Vakuum, sondern immer auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollte. Die wissenschaftliche Neutralität schließt ja Stellungnahmen zu sozialen und gesellschaftlichen Themen nicht aus – ganz im Gegenteil!
Stephan Teuber: Deshalb haben wir uns auch sehr früh für die Förderung von "Mut zur Wut" entschieden, noch bevor dieser Wettbewerb zu einer bekannten internationalen Größe der Plakatkunst wurde. Es ging uns damals nämlich nicht nur darum, die Künstler aus den Regionen zu unterstützen, in denen persönliche Meinungsfreiheit tatsächlich existenziellen Mut erfordert. Es ging uns vor allem auch darum, die Differenz zwischen diesen tatsächlich Mutigen und den doch eher saturierten Wutbürgern im Schwäbischen aufzuzeigen, um dadurch eine Diskussion zu entfachen. Das ist uns in Heidelberg auch ganz gut gelungen. (grinst)

Stephan Teuber: Das regionale Engagement ist nur ein Teil unserer Aktivitäten. Mit der Unterstützung des Heidelberger Frühlings, einem der führenden Klassik-Festivals in Deutschland, möchten wir unsere – auch wirtschaftliche – Rolle in Heidelberg unterstreichen. Mit ca. 100 Mitarbeitern am Standort Heidelberg gehören wir zu den größeren mittelständischen Unternehmen der Stadt und erwarten uns von einem solchen Engagement eine bessere Sichtbarkeit in der Stadt. Unsere Forschung findet ja größtenteils überregional und vor allem international statt.
Wilhelm Kampik: Wir erhoffen uns aber auch, dass durch solche Kulturangebote Heidelberg als Firmenstandort noch attraktiver für unsere Mitarbeiter wird. Es geht also auch um das Employer Branding. Stichwort "überregional": "Mut zur Wut" wird mittlerweile international gezeigt, nicht nur in Europa, sondern auch in Südamerika und Asien!
Stephan Teuber: Andere Aktivitäten haben auch überregionale Wirkung. Die Keil-Collection Heidelberg unterhielt z.B. eine temporäre Galerie in Berlin. Dort war nicht nur die Veranstaltungsreihe Research Plus der DGOF zu Gast, sondern wir führten dort auch ein besonders ausgewöhnliches Forschungsprojekt durch: Einige Bilder von Peter Robert Keil porträtieren Berliner Milieus "am Rande der Gesellschaft". Genau diese Milieus – beispielsweise das Rotlichtmilieu – haben wir zu Gruppendiskussionen in der Galerie eingeladen und sie mit den Werken konfrontiert. Dadurch haben wir interessante Reflexionsprozesse innerhalb der Milieus ausgelöst, die uns eine besonders tiefe Exploration ermöglichten.
marktforschung.de: Man kann Heidelberg sein romantisches Image mit Sicherheit nicht absprechen. Würden Sie sagen, dass dieses malerische Setting auch Ihre eigene künstlerische Ader und damit Ihr Engagement in diesem Bereich beeinflusst hat?
Wilhelm Kampik: Eher umgekehrt! Das romantische Image von Heidelberg möchten wir mit unseren Engagements eigentlich konterkarieren. Die von uns geförderten Projekte haben eines gemeinsam: Sie möchten das vor allem in der Öffentlichkeit herrschende traditionelle Bild Heidelbergs nicht zementieren, sondern auf der Basis bestimmter Heidelberger Kernwerte (Romantik, Hermeneutik, aber eben auch High-Tech-Wissenschaft) Zukunft gestalten.
Stephan Teuber: So ist der Heidelberger Frühling zweifellos eines der innovativsten Klassik-Festivals überhaupt, und weder die expressiv provokanten Bilder von Keil noch die Aktion "Mut zur Wut" bedienen das "Heidelberg-Klischee".
marktforschung.de: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Die Region Rhein-Neckar beherbergt ja eine ganze Reihe an Kunstmuseen und Galerien. Gibt es aus Ihrer Sicht einen Insidertipp, den man als Besucher der Region unbedingt gesehen haben sollte?
Wilhelm Kampik: Pflichtbesuch ist selbstverständlich die etablierte Kunsthalle Mannheim, die demnächst nach einem sensationellen Umbau neu eröffnet wird. Insidertipp ist allerdings die Sammlung Prinzhorn, in der seit 1840 Gemälde von Patienten der Heidelberger Psychiatrie gesammelt und ausgestellt werden – weltweit eine der bedeutendsten Sammlungen dieser Art.
Das Interview führte Thorsten Treder.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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