Ipsos Wie sich die Wahrnehmung von der Realität unterscheiden kann

Die eigene Wahrnehmung stimmt häufig nicht mit der Realität überein. Das zeigt auch eine Studie von Ipsos, bei der die Bevölkerung in 40 Ländern Zahlen zur Bevölkerungsstruktur und gesellschaftsrelevanten Themen schätzte – und lag dabei teilweise ziemlich daneben.


In Deutschland wurde vor allem der Anteil an muslimischen Mitbürgern überschätzt. Ansonsten liegen die Befragten in Deutschland auch bei anderen Fragen ziemlich daneben, manchmal aber treffen sie auf den Punkt:

1. Aktuelle muslimische Bevölkerung: Der prozentuale Anteil an Muslimen in der deutschen Bevölkerung wird von den Deutschen weit überschätzt. Einer von fünf Deutschen (21 Prozent) sei muslimischen Glaubens, schätzen die Befragten – in Wirklichkeit ist es jedoch laut einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge etwa einer von zwanzig (5 Prozent). Damit ist der geschätzte Anteil vier Mal höher als die reale Zahl.

2. Zukünftige muslimische Bevölkerung: Auch der Zuwachs der muslimischen Bevölkerung in Deutschland wird höher eingeschätzt. Knapp ein Drittel (31 Prozent) würden Muslime demnach 2020 in der deutschen Bevölkerung ausmachen. Tatsächlich wird laut des Pew Research Centers ein Anstieg auf 6,9 Prozent erwartet. 

3. Glück: Nicht einmal die Hälfte (45 Prozent) der deutschen Bevölkerung würde von sich selbst behaupten glücklich zu sein, schätzten die Befragten. Dabei gaben in einer aktuellen Studie acht von zehn (84 Prozent) an, alles in allem zufrieden zu sein. 

4. Homosexualität: Die Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe in Deutschland wird unterschätzt. Die Befragten denken, ein Drittel (33 Prozent) der Deutschen würde Homosexualität moralisch nicht vertretbar finden. In Wirklichkeit ist es jedoch knapp einer von zehn (8 Prozent).

5. Sex vor der Ehe: Es wird geschätzt, dass einer von fünf (18 Prozent) Deutschen gegen vorehelichen Sex sei. Tatsächlich findet einer von zwanzig (6 Prozent) das moralisch nicht akzeptabel.

6. Abtreibung: Der Anteil an Abtreibungsgegnern in der deutschen Bevölkerung wird überschätzt. Statt der angenommenen 43 Prozent empfinden nur 19 Prozent Abtreibung als moralisch verwerflich. 

7. Reichtum der ärmsten 70 Prozent: Das Vermögen der 70 Prozent der Bevölkerung, die am wenigsten besitzen wird überschätzt. Mehr als ein Viertel (27 Prozent) des Gesamtvermögens der Deutschen würden sie schätzungsweise ihr Eigen nennen. Dabei macht der Anteil laut Credit Suisse gerade einmal 12 Prozent aus. 

8. Wohneigentümer: In Deutschland gibt es mehr Haus- und Wohnungseigentümer als die Befragten denken. Knapp die Hälfte der Haushalte (45 Prozent) wohnt im eigenen Haus oder der Wohnung. Geschätzt wurde, dass es nicht einmal ein Drittel sei (28 Prozent).

9. Kosten der Gesundheitsversorgung: Während die Befragten davon ausgehen, dass 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wird, sind es laut Weltbank knapp die Hälfte (11,3 Prozent).

10. Aktuelle Bevölkerungszahl: Die aktuelle Bevölkerungszahl wurde dagegen richtig schätzt: Aktuell leben in Deutschland 82,18 Millionen Menschen – die Schätzung belief sich auf 82 Millionen.

11. Zukünftige Bevölkerungszahl: Statt eines von den Deutschen geschätzten Anstiegs auf 85 Millionen, wird von der UN prognostiziert, dass die deutsche Bevölkerung bis 2050 auf 74,51 Millionen schrumpfen wird. 

Für Dr. Robert Grimm, Associate Director Ipsos Public Affairs, zeigt die Studie unter anderem, dass sich derzeit viele Menschen von Wahrheiten abwenden und emotional geführten Diskursen hingeben. Das zeige zum Beispiel der zu hoch eingeschätzte Anteil von Muslimen in Deutschland, eines der Themen, dem sich populistische Bewegungen aktuell widmen. 

Wie gut können Menschen weltweit die Lage einschätzen?

Ein Blick auf die übrigen Teilnehmerländer zeigt, dass sich auch dort ordentlich verschätzt wurde. So überschätzen viele Länder ihre muslimische Bevölkerung um ein erstaunliches Maß. Beispielsweise wird in Frankreich durchschnittlich vermutet, dass 31 Prozent der Bevölkerung muslimisch sind, tatsächlich sind es nur 7,5 Prozent. Auch andere westeuropäische Länder wie Italien (20 Prozent/3,7 Prozent) und Belgien (23 Prozent /7 Prozent) verschätzen sich massiv. 

Thema Homosexualität: Vor allem in den europäischen Ländern neigen Menschen dazu, die Akzeptanz der Homosexualität zu unterschätzen. In den Niederlanden wird durchschnittlich vermutet, dass 36 Prozent der Bevölkerung Homosexualität moralisch inakzeptabel finden, wenn es tatsächlich nur 5 Prozent tun. Ein ähnliches Ergebnis findet sich auch in Tschechien (43 Prozent /14 Prozent) und Spanien (34 Prozent /6 Prozent). 

Reichtum der ärmsten 70 Prozent: Wie in Deutschland auch überschätzen Menschen weltweit den Anteil, den die ärmsten 70 Prozent der Bevölkerung am Reichtum eines Landes besitzen. Über alle Länder der Studie hinweg sind im Durchschnitt nur 15 Prozent des Gesamtvermögens im Besitz der unteren 70 Prozent – aber die durchschnittliche Schätzung ist mit 28 Prozent fast doppelt so hoch. 

"Index of Ignorance": Deutschland schätzt recht genau

Ipsos ermittelte die Genauigkeit der Schätzungen aller Länder in fünf Kernfragen und konnte so anhand der Abweichungen den "Index of Ignorance" bestimmen. Indien erhält die zweifelhafte Ehre, den ersten Rang einzunehmen. Die Niederlande, Schweden und Großbritannien lagen dagegen am nächsten an der Realität. Auch Deutschland ist im weltweiten Vergleich unter den präzisesten Antwortgebern.  

Zur Studie: 

Die Ergebnisse stammen aus einer Studie, die zwischen dem 22. September und 16. November 2016 unter 28.256 Befragten in 40 Ländern durchgeführt wurde. Teilnehmende Länder waren Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, Chile, China, Kolumbien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Ungarn, Indien, Israel, Italien, Japan, Mexiko, Peru, Polen, Russland, Südafrika, Südkorea, Spanien, Schweden, Türkei und die USA. In Australien, Brasilien, Kanada, China, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Japan, Montenegro, den Niederlanden, Norwegen, Serbien, Spanien und den USA wurden ca. 1.000 Personen befragt. In den restlichen Ländern wurden jeweils rund 500 Personen befragt. Die Daten wurden mittels einer Kombination von Online-, Telefon- (CATI) oder Face-to-Face-Methoden erhoben. Der Index of Ignorance berechnet sich aus den fünf Fragen zu den tatsächlichen Realitäten – Bevölkerungsgröße, muslimische Bevölkerungsgröße, Vermögensungleichheit, Gesundheitsausgaben und Wohneigentum –, weil für diese Fragen Daten aus mehreren Ländern verfügbar waren. 

dr

 

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