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Überaltete Gesellschaft Wie sich der demografische Wandel auf die Bau- und Immobilienbranche auswirkt

Die Nachfrage nach altersgerechten Wohnen wird mit Blick auf unsere immer älter werdende Bevölkerung zunehmend höher. (Bild: picture alliance / Rolf Kremming | Rolf Kremming)
Denn wo es in Deutschland nicht nur ein insgesamt hohes Median-Alter gibt, sondern in absoluten Zahlen immer mehr Senioren leben, betreffen beide Faktoren die Doppelbranche Bau und Immobilien. Sie kann aus der aktuellen und künftigen Situation durchaus Vorteile ziehen, muss jedoch ebenso einige herbe Nachteile in Kauf nehmen.
1. Deutschlands Demografie Stand 2022
Demografie ist ein wissenschaftlicher Teilbereich, der sich mit einer Bevölkerung aus struktureller Sicht befasst. Zwar spielen hierbei auch geographische und soziale Aspekte eine Rolle, doch nicht nur für diesen Text ist die alters- und zahlenmäßige Betrachtungsweise maßgeblich.
Hierzu lässt sich eines feststellen: Was das Medianalter seiner Bevölkerung anbelangt, so gehört Deutschland zu den ältesten Nationen der Welt. Exkludiert man Kleinstaaten und Regionen wie Monaco, Sint Maarten oder die Isle of Man, so ergibt sich folgendes Bild des Durchschnittsalters:
- Japan 48,7
- Italien 47,3
- Portugal 45,4
- Griechenland 45,1
- Deutschland 44,8
- Bulgarien 44,7
- Spanien 44,3
- Puerto Rico 44,3
- Kroatien 44,0
- Süd-Korea 43,9
Wie demografischer Wandel entsteht
Maßgeblich für das Medianalter einer Nation sind drei Faktoren:
- Die Geburtenrate, ferner die Kindessterblichkeit. Erstere betrug in Deutschland im jüngsten vollständig beobachteten Jahr (2021) 1,58 Kinder pro Frau.
- Das Wanderungssaldo. Also die Summe aus Zu- und Abwanderung über die Grenzen eines Landes hinaus. Ebenfalls 2021 konnte Deutschland ein positives Saldo von 0,33 Millionen Menschen vermelden.
- Die Sterberate und das Sterbealter. Erstere lag 2021 aufgrund der Pandemie mit 1,01 Millionen Fällen, respektive 22 Prozent mehr, ungewöhnlich hoch. Letzteres lag im beobachteten Zeitraum 2019/2021 bei 78,5 Jahren (Männer) und 83,4 Jahren (Frauen).
Damit ein Land eine klassische Bevölkerungspyramide mit breiter Basis und schmaler Spitze und geraden Flanken aufweist, ist grundsätzlich eine Mindest-Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau notwendig. Diese „Idealpyramide“ existiert heute fast ausschließlich noch in Lateinamerika und Indien. Deutlich häufiger ist eine Pagoden-, Bienenstock- oder Glockenform – bevor sich die Alterspyramide umkehrt.
Je weiter sich der breiteste Teil dieser Form, also jene Alterskohorte(n) mit den meisten Menschen, von der Basis der Geburten und Kinder entfernt, desto älter wird eine Nation. Die Gründe dahinter können für sich stehen oder in Kombination auftreten. In Deutschland ist letzteres der Fall:
- Die Geburtenrate sinkt über mehrere Jahrzehnte hinweg ab. Dadurch liegt sie dauerhaft unter einer Hochphase in der Vergangenheit. In Deutschland war dieser Punkt für die noch lebenden Generationen 1965 erreicht. Damals gab es, beide deutschen Teilstaaten zusammengerechnet, 1,33 Millionen Geburten. 2021 lag dieser Wert bei 0,79 Millionen.
- Die Anzahl der Sterbefälle, bezogen auf die Geburten, ist höher. 1950 gab es 0,75 Millionen Sterbefälle, 1965 0,91 und 2021 1,02 Millionen. Damals starben also deutlich weniger Menschen als geboren wurden.
- (Ein negatives Zuwanderungssaldo von Menschen jüngerer Altersgruppen oder ein positives, sofern das Medianalter dieser Personen nicht merklich unter dem Medianalter der bestehenden Bevölkerung liegt).
- Das aus Gründen der Medizin und des Lebensstils einer breiten Bevölkerungsmehrheit erreichbare Todesalter. 1965 lag das durchschnittliche Sterbealter bei 67,47 Jahren. 2021 war der Wert auf 79,27 Jahre gestiegen – und gleichsam erstmalig seit Aufzeichnungsbeginn gesunken: Ein Jahr zuvor betrug er noch 79,34 Jahre. Grund war die Übersterblichkeit der Pandemie.
Einfach gesprochen: Deutschlands lebende Bevölkerung kann in der Masse ein immer höheres Alter erreichen, erzeugt jedoch weder genügend Nachwuchs (selbst wenn dieser eine enorm hohe Überlebenswahrscheinlichkeit hat) noch zieht das Land genügend jüngere Einwanderer an. Das ist aktuell besonders dramatisch, weil dieser „überalterte Teil“ der Pyramide maßgeblich durch die besonders geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge bestimmt wird – die sogenannten Baby-Boomer (häufig nur als Boomer abgekürzt).
Das heißt, in den ersten etwa 20 Nachkriegsjahren wurden sowieso ungewöhnlich viele Kinder geboren – verglichen mit dem vorherigen Zeitraum bis zurück nach 1914. Selbst ohne weitere Faktoren würde sich dies heute merklich auswirken, sofern die Geburtenrate nicht länger so hoch geblieben wäre.
Genau das geschah jedoch nicht, sondern es trat das Gegenteil ein. Ab Anfang der 1960er kam die Antibabypille auf den Markt. Seit 1972 (DDR), beziehungsweise 1976 (BRD) waren zudem Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen straffrei.
Nachdem also fast 20 Jahre sehr viele Kinder geboren worden waren (und dank deutlich verbesserter Versorgung, Medizin und Hygiene auch überlebten), wurden durch beide Faktoren in einem vergleichbaren Zeitraum nunmehr weniger Kinder gezeugt und geboren. Vor allem die hormonelle Verhütung wirkte sich stark aus. Die nach 1965 abfallende Kurve wird deshalb als „Pillenknick“ bezeichnet.
Geburtenzahlen im Wandel (Bild: Demografieportal von Bund und Ländern)
2. Die demografischen Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienbranche
2022 sind fast 60 Jahre vergangen, seitdem in Deutschland letztmalig sehr viele Kinder geboren wurden. Heutige Senioren zählen deshalb zu einem erheblichen Teil zu den „Boomern“, ergänzt um ihre bereits qua Geburt deutlich weniger kopfstärkeren Vorgänger der Kriegs- und letzten Vorkriegsjahre – der 1939er Jahrgang wurde 2022 83 Jahre alt und liegt damit bereits über dem durchschnittlichen Sterbealter.
Rechnen wir allein die Menschen der Alterskohorten ab 60 bis über 100, so sprechen wir von knapp 30 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung 2021. Zum Vergleich: Unter 18 waren in diesem Zeitraum nur 16,7 Prozent der Bevölkerung.
Neben zahlreichen anderen volkswirtschaftlichen Faktoren wirkt sich diese „Schieflage“ auf die Bau- und Immobilienbranche aus.
Immobilie Hinterlassenschaften einer bauenden Boomer-Generation und Notwendigkeiten von deren Kindern
Vor allem in Westdeutschland sind die Baby-Boomer sinnbildlich für eine besonders rege Bautätigkeit bei den Eigenheimen. Selbst in der DDR, wo privater Wohnungsbau nicht zuletzt durch Materialmängel gehemmt wurde, lässt sich dies in den Statistiken noch erkennen.
Allein auf das frühere Bundesgebiet bezogen, sprechen die folgenden ausgewählten Jahreszahlen von Baufertigstellungen im Bereich Ein- und Zweifamilienhäuser eine deutliche Sprache:
- 1960: 235.525
- 1965: 261.197
- 1970: 196.107
- 1971: 224.121
- 1972: 248.460
- 1973: 236.087
- 1978: 239.532
- 1986: 141.425
- 1998: 167.322
- 2005: 126.066
- 2015: 86.297
- 2020: 89.690
- 2021: 82.506
Das Erste, was diese Zahlen Aufmerksamen verraten, ist, dass der Bau-Boom der vergangenen Jahre bei genauerer Betrachtung im Vergleich eher gering ausfiel. Zumindest, wenn man ihn mit dem Boom derjenigen Zeiten vergleicht, in der die Nachkriegsgeneration und deren Eltern sich in ihren 20ern und 30ern befanden.
Doch auch für die Doppelbranche heute und in naher Zukunft hat dieser damalige Boom seine Auswirkungen. Dazu seien folgende Faktoren erläutert:
- Im Vergleich mit späteren Generationen bauten Boomer recht großzügig und luxuriös. In der Hauptsache lag dies an früher vergleichsweise hohen Reallöhnen in Verbindung mit insgesamt niedrigeren Lebenshaltungskosten.
- Die Baby-Boomer zog es mit ihren Bauvorhaben primär in die damals prosperierenden Vorstädte sowie den verkehrstechnisch gut angebundenen ländlichen Raum. Im Gegensatz dazu tendierten deren Kinder (Generation-X und -Y, letztere besser bekannt als Millennials) eher in die Städte.
- Die Boomer gehörten zur ersten Generation, die das zuvor breit praktizierte Mehrgenerationenwohnen beendete. Ihr „Goldstandard“ wurde das Einfamilienhaus für vier bis fünf Personen – Eltern und Kinder.
Die meisten immobilienbesitzenden Baby-Boomer nahmen den Auszug ihrer Kinder nicht zum Anlass, um sich räumlich zu verkleinern. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum seit etwa dem Jahrtausendwechsel in ganz Deutschland die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche von 39,5 auf 47,4 Quadratmeter (2020) anstieg – damals wurden die Kinder der frühesten Baby-Boomer volljährig.
Gleichsam sorgte dieser Verbleib im Eigenheim für einen drängenderen Wohnbedarf andernorts – vornehmlich in den Städten, wo es die Kinder der Baby-Boomer mehrheitlich hinzog.
Das wiederum hat einen Einschlusseffekt zur Folge: Da die Preise für kleineren Wohnraum sich aufgrund der Nachfrage so stark erhöht haben, rentiert sich mittlerweile für viele Boomer eine räumliche Verkleinerung nicht mehr.
Anders formuliert: Zumindest in manchen Regionen Deutschlands wäre die Wohnraumsituation wohl nicht ganz so angespannt, hätten sich mehr Baby-Boomer nach dem Auszug ihrer Kinder dazu entschlossen, sich in Sachen Wohnraum zu verkleinern oder beispielsweise ihre Häuser teilweise zu vermieten.
Immense Nachfrage nach altersgerechtem Wohnen
Der letzte Boomer-Jahrgang 1965 steht mit seinen 57 Jahren derzeit noch mitten im Berufsleben. Doch bereits die 1947er Jahrgänge haben 2022 ihren 75. Geburtstag gefeiert. Zusammen mit den bereits erwähnten medizinischen Faktoren, durch die noch ältere Menschen sich ebenfalls guter Gesundheit erfreuen, entsteht schon seit einigen Jahren ein enormer Druck:
Immer mehr Senioren möchten (und teilweise müssen) unter altersgerechten, barrierefreien Vorzeichen wohnen. An der Basis steht dazu vielfach die Notwendigkeit, ein bestehendes (Eigen-)Heim anhand der diesbezüglichen Notwendigkeiten und Vorgaben umbauen zu lassen – das betrifft vornehmlich die Baubranche. Bis 2035 wird hierbei eine Bedarfslücke von bis zu zwei Millionen altersgerechten Wohnungen entstehen. Diesbezüglich kommt hinzu, dass viele zuvor ländlich lebende Senioren lieber in Städte ziehen möchten, weil dort die Fußläufigkeit der Infrastruktur ungleich besser ist.
Jenseits dieser reinen (und für sich bereits starken) Nachfrage nach einem angepassten Zuhause findet sich ein ähnlich drängender Bedarf nach gezielten Einrichtungen. Zwar lassen sich hier drei unterschiedliche Formen ausmachen, jedoch unterscheiden sich betreutes Wohnen (außerhalb der bisherigen Wohnung) sowie Alters- und Pflegeheime hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienbranche kaum voneinander.
Denn in allen drei Fällen ist es sowohl nötig, bestehende Einrichtung hinsichtlich ihrer Kapazität deutlich auszubauen als auch zusätzlichen Wohnraum zu erschaffen – und das schnell: Mit jedem weiteren Jahr werden mehr Baby-Boomer in einen Zustand gelangen, in dem sie nicht mehr wie gewohnt in ihrem bisherigen Umfeld leben können oder möchten. Bereits 2030 werden fast 22 Millionen Deutsche über 65 Jahre alt sein.
Allein, was stationäre Pflege anbelangt, könnte sich daher bis 2040 eine Lücke von 322.000 Plätzen auftun – so das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Naturgemäß betrifft diese Herausforderung jedoch nicht nur die Bau- und Immobilienbranche. Schließlich ist es in einem Land mit anteilsmäßig immer weniger jungen Menschen ebenfalls schwierig, die nötigen Pflegekräfte zu beschaffen.
Ein möglicherweise bald anstehender Wohnraum-Überhang
79,27 Jahre betrug das durchschnittliche Todesalter 2021. Davon waren also die Jahrgänge 1941/1942 betroffen. Schon sie bauten viele Eigenheime. Doch wie die genannten Zahlen bereits aufzeigten, waren es vor allem die einige Jahre später beginnenden Kohorten, die wirklich die „Generation Eigenheim“ darstellten und darstellen.

Es kann zukünftig von einem Wohnraum-Überhang ausgegangen werden, sobald die Generation der Baby-Boomer schrumpft. (Bild: picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa | Jan Woitas)
In den kommenden Jahrzehnten werden mit steigendem Alter dieser Personenkreise absehbar zwei Dinge geschehen:
- Ein Teil dieser Menschen wird sein bisheriges Eigenheim verlassen, um in betreute Wohneinrichtungen zu ziehen – sowohl aus medizinischer Notwendigkeit als auch freien Stücken.
- Diese Menschen werden ihr Lebensende erreichen und dadurch der Nachwelt eine vergleichsweise hohe Zahl von Ein- und Zweifamilienhäusern hinterlassen.
Die Herausforderung: Wie erwähnt hat längst nicht jeder eigenheimbesitzende Boomer Kinder gezeugt. Und von denen, die es taten, ist längst nicht jedes Kind daran interessiert, seine Eltern in immobiler Hinsicht zu beerben.
Zumindest regional könnte deshalb rasch eine Situation entstehen, die sich geradezu umgekehrt zur aktuellen verhält:
- Es wird Wohnraum in Bestandsimmobilien frei.
- Gleichsam wird durch die immer weniger geburtenstarken Folgejahrgänge die Nachfrage nach neuem Wohnraum sinken.
- In der Folge könnte es – wie gesagt regional – zu einem hochinteressanten Angebotsüberschuss inklusive verfallender Preise kommen.
Letzteres ist weder für die Bau- noch die Immobilienwirtschaft attraktiv. Mitunter könnte es bei kinderlosen Baby-Boomern sogar zu einem verstärkten Übergang von deren Immobilien in Staatsbesitz kommen – gibt es keine Erben mehr oder schlagen alle den Nachlass aus, ist dies automatisch der Fall.
Hinzu kommt: Viele dieser Immobilien stammen, wie aufgezeigt, aus den 1960ern und 1970ern. Oftmals wurden seitdem keine nennenswerten Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Zwar sind die energetischen Basiswerte dieser Gebäudegeneration besser als bei nur wenige Jahre älteren Bauten, dennoch wird ein großer Bedarf entstehen – etwa, weil einige Nachrüstmaßnahmen erst bei einem Besitzerwechsel verpflichtend werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch die Arbeitsweise der heutigen Generation X, Y und deren Kinder in Form der Generationen Z und Alfa: Wie der Industrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. 2020 vermeldete, arbeiteten schon damals 71 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wenigstens teilweise von Büroarbeitsplätzen aus.
Durch die Pandemie bekam zudem digitale Heimarbeit einen enormen Stellenwert und behielt ihn selbst nach deren Abebben bei. Experten gehen davon aus, dass jeder Büroarbeitsplatz heute – wenigstens theoretisch – von überall funktioniert. Die Folge:
- Einerseits werden in den kommenden Jahren viele Einfamiliengebäude auf den Markt kommen,
- andererseits werden durch die rasch geänderte Homeoffice-Wahrnehmung viele davon für Menschen interessant, solange es vor Ort eine gute Internetanbindung gibt.
Vor der Pandemie, als das Homeoffice hierzulande nur langsam vorankam, wirkten die Jahre bis zirka 2040 auf viele Immobilienexperten wie ein Horrorszenario. Da sich seitdem jedoch sehr viele Arbeitnehmer und -geber an Heimarbeit gewöhnt haben, dürfte (abermals regional) die Situation weniger dramatisch ausfallen. Schließlich stehen die Chancen gut, selbst für „Boomer-Häuser“ in wenig attraktiven ländlichen Lagen interessierte Abnehmer zu finden, weil diese von zuhause Arbeiten können.
Doch was manche Teile der Branche freut, ist für andere äußerst nachteilig:
Veränderte Lage bei Büroimmobilien
Jeder Büroarbeitsplatz, der wenigstens teilweise von zuhause funktioniert, bedeutet in einem Unternehmen einen geringeren Bedarf. Schon, wenn Mitarbeiter nur je zur Hälfte inhouse arbeiten müssen, reduziert sich der Gesamtbedarf um rechnerisch 50 Prozent – schließlich können sich zwei Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen.
An diesem Punkt wirkt der demographische Wandel im Zusammenspiel mit anderen sozialen Faktoren gleich mehrfach:
- Die Baby-Boomer gehörten zu den ersten Generationen, die Büroarbeit zu einem zentralen Phänomen der Wirtschaft machten – wo es zuvor Industrie, Handwerk und Landwirtschaft waren. Je mehr Boomer in Rente gehen, desto mehr Büroarbeitsplätze bleiben offen.
- Diese Arbeitsplätze können nicht wie nötig besetzt werden. Zwar sind die Generationen X, Y und Z noch stärker büroaffin, jedoch deutlich kopfschwächer.
- Hinzu kommt außerdem der bereits angesprochene Trend zum Homeoffice im Besonderen und Remote Work im Allgemeinen.
Bereits während der Pandemie zeichnete sich sowohl ein Preisverfall bei Büromieten ab als auch eine Zurückhaltung bei der Bautätigkeit. Für die aktuelle Zeit und die Zukunft zeichnet eine umfassende Studie die sieben möglichen Szenarien auf.
Selbst im besten Fall würde sich die Nachfrage nach (großstädtischen) Büroimmobilien deutlich gegenüber den Vorjahren verringern. Je nach Eintrittswahrscheinlichkeit der Szenarien (etwa durch nicht ausreichende Zuwanderung) könnte jedoch sogar ein spürbarer Rückgang erfolgen, vor allem in A-Städten:
„Hier zeigten die Szenarien, dass neben den üblichen demografischen und gesamtwirtschaftlichen Parametern zwei Faktoren besondere Aufmerksamkeit verdienen: Erstens die Entwicklung der Erwerbspersonenquote, denn diese war für die weitere Dynamik der Bürobeschäftigtenquote der Faktor mit dem größten Aufwärtspotenzial. Im Umkehrschluss heißt dies jedoch auch, dass die demografischen Belastungsfaktoren rasch und direkt durchschlagen können, falls dieses Erwerbspersonenpotenzial eben nicht gehoben werden kann.
Zweitens ist die Nutzungsintensität der Büroflächen als neuer strategischer Faktor mit mehr Unsicherheit behaftet als in der Vergangenheit. Hier kann der Trend zu einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme zwar grundsätzlich verstärkt werden, es ist aber eben auch vorstellbar, dass dieser Trend im Zuge einer Neuausrichtung der Büroflächennutzung gebrochen wird.“
Das Thema Arbeitskräfte und Nachwuchssorgen
2021 betrug die Studienanfängerquote der relevanten Jahrgänge 55,8 Prozent. Das heißt, mehr als die Hälfte aller jungen Menschen begann ein Studium und war deshalb für klassische Ausbildungsberufe nicht mehr greifbar.
- Im selben Jahr gab es hierzulande 1,255 Millionen Auszubildende.
- Neu abgeschlossen wurden jedoch nur 473.063 Ausbildungsverträge – bei 526.239 angebotenen Ausbildungsplätzen.
- Von allen Auszubildenden waren in diesem Zeitraum lediglich 360.000 in einem Handwerksberuf involviert.
- Auf das gesamte Maurerhandwerk entfielen davon lediglich 8.650 Azubis; auf die Dachdecker 8.630; 1.067 auf das Klempnerhandwerk. Immerhin 15.300 junge Menschen waren in Maler- und Lackierbetrieben beschäftigt.
Gerade für das Bauhaupt- und das -nebengewerbe sind derartige Zahlen geradezu katastrophal. Bereits, wenn man die Quote aus Verrentung von Baby-Boomern und als Azubis nachfolgenden Generationen Z und Alpha betrachtet, würde das Handwerk schrumpfen.
Tatsächlich jedoch müssen die dort involvierten Berufe neben rein demografischen Faktoren noch mit einem wesentlich verstärkten Trend zu Abitur und Studium kämpfen. Selbst, wer ein Studium abbricht, findet sich danach aufgrund seiner Hochschulreife nur selten als Handwerks-Auszubildender wieder, sondern geht eher in einen Büroarbeits- oder -ausbildungsplatz.
Dieser Nachwuchsmangel ist gleich doppelt ein Problem:
- Einerseits können die allerwenigsten Betriebe aus der Baubranche wachsen oder wenigstens ihren Personalbestand auf gleichbleibendem Niveau halten;
- andererseits wird hierdurch die durch die anderen Notwendigkeiten des demografischen Wandels gebotene Aus- und Umbautätigkeit bei Immobilien gehemmt.
Vereinfacht gesprochen: Jeder Auszubildende im Bauhauptgewerbe trägt zu einem baldigen Mangel bei Pflegeimmobilien bei. Der einzige „Lichtblick“ in dieser Hinsicht: In immer mehr Unternehmen versucht man, dem Fachkräftemangel durch deutlich verbesserte Gehälter Herr zu werden.
Zwar wird diese Arbeit in Zukunft nicht weniger anstrengend. Wenn jedoch die Gehälter mit denen in Büros oder gar „studierten Berufen“ mithalten könnten, bestünde die Möglichkeit einer Image-Kehrtwende – und damit einer Abmilderung der Gefahren, die beim Beibehalten des Status quo drohen.
3. Zusammenfassung und Fazit
Deutschlands Bevölkerung ist alt und es kommen zu wenige Geburten hinzu, um diese Herausforderung nur annähernd zeitnah auszugleichen. Für die Bau- und Immobilienbranche bedeutet das naturgemäß eine besondere Qualität des Fachkräftemangels, der ganz eigene Schwierigkeiten heraufbeschwört.
Davon einmal abgesehen, zeigen sich schon jetzt und noch stärker in Zukunft weitere Auswirkungen. Viele Boomer besitzen Eigenheime, die nicht altersgerecht sind und Umbauten benötigen. Andere wollen lieber in Städten mit fußläufig erreichbarer Infrastruktur leben – während weitere spezielle Pflegeimmobilien benötigen. Das alles beeinflusst die Doppelbranche stärker und anders als andere Branchen – zumindest, bis der demographische Wandel sich etwas abmildert, wenn in einigen Jahrzehnten die meisten Mitglieder dieser sehr geburtenstarken Alterskohorte aus natürlichen Gründen ausgeschieden sind.
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