Wie Research agiler wird
Demnach stehen aber nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmen vor einer großen Herausforderung. Dieser begegnen Firmen etwa, indem sie mittlerweile vermehrt agile Methoden – wie Design Thinking, Scrum, Lean-Start-up – einsetzen. Dazu werden agil arbeitende Innovationseinheiten gegründet, die sich den Herausforderungen stellen und neue Lösungen und Geschäftsmodelle entwickeln. Diese Teams arbeiten sehr kundenzentriert und haben dadurch einen neuen Bedarf an Research. Blauw Research hat diesen Bedarf zusammen mit ING-DiBa Marktforschung analysiert und einen agilen Lösungsansatz entwickelt, denn auch die ING-DiBa steht vor den Herausforderungen des agilen Projektmanagements.
Der Design-Thinking-Ansatz ist geprägt von Flexibilität, Schnelligkeit und Selbsterkenntnis. Betrachtet man im Vergleich dazu den "normalen" Research-Prozess, der auf Validität, Reliabilität und Repräsentativität ausgelegt ist, so zeigt sich, dass dieser keineswegs flexibel, schnell oder gar von der Selbsterkenntnis der Teams geprägt ist.
Die Herausforderungen im Einzelnen:
Zeit – Die Dauer klassischer Research-Projekte ist zu lang. Der Prozess ist sehr fragmentiert, hat viele Übergangsphasen und es bedarf eines Know-how-Transfers.
Aus diesem Grund ist es nicht möglich den Bedarf der agil und in Iterationen arbeitenden Teams zu decken, wenn er entsteht – sondern meist erst drei bis zwölf Wochen später.
Research muss also schneller werden, um den iterativen Prozess begleiten zu können. Dazu reicht es nicht aus, den vorhandenen Prozess zu beschleunigen und schneller zu arbeiten. Zusätzliche Veränderungen sind erforderlich – denn der Konsument beziehungsweise Kunde muss zur passenden Zeit für Feedback zur Verfügung stehen. Immer, wenn agil arbeitende Teams Input benötigen, muss Kundenfeedback schnell möglich sein und die nötige Infrastruktur vorliegen.
Flexibilität – Am Anfang eines Sprints, also eines Entwicklungsintervalls mit einer Dauer von ein bis zwei Wochen, ist in der Regel noch unklar, welche Fragestellungen sich am Ende der Woche ergeben. Die Lösung muss also aus methodischer Sicht maximal flexibel sein.
Selbsterkenntnis – Der DesignThinking-Prozess ist von Selbsterleben und Selbsterkenntnis geprägt. Ziel der Innovationsteams ist es, möglichst schnell, basierend auf einem Suchfeld, einen testbaren Prototyp zu entwickeln. Diese Lösungsfindung geschieht in Iterationen, das heißt, die Teams lernen schrittweise durch Kundenfeedback und arbeiten mit diesen Erkenntnissen weiter.
Die Lösung muss also berücksichtigen, dass die Projektteilnehmer selbst zum Forscher werden können, um den Know-how-Transfer möglichst schnell zu durchleben und Empathie für die Kundenbedürfnisse zu entwickeln.
Wie haben wir auf diese Herausforderungen reagiert?
1. Konzeption eines Research Framework – gemeinsam haben wir ein Research Framework entwickelt, das für jede Phase des Prozesses ein umfassendes Methodenset zur Verfügung stellt:
- Online Research Community, für alle qualitativen Fragestellungen inklusive der Möglichkeit Fragebögen abzubilden
- Repräsentative Tools, wie Omnibusstudien und schnelle, standardisierte Befragungen durch ein repräsentatives Online Panel
- Experiment Tools, wie LandingPage, Prototyping und Usability Labs
2. Aufbau der Infrastruktur – das neu konzipierte Research Framework wurde aufgesetzt und kontinuierlich mit Leben gefüllt. Die Kriterien für die Community-Teilnehmer wurden definiert, ein standardisiertes Screening sowie die Community-Plattform aufgesetzt.
3. Implementierung im Unternehmen – Workshops und Trainings wurden konzipiert, um die agil arbeitenden Innovationsteams optimal vorzubereiten und während des Prozesses zu begleiten. Dadurch war es für die Teams schnell möglich mit den Kunden qualitativ hochwertig zu diskutieren und sich ihren eigentlichen Fragestellungen und Problemlösungen zu widmen.
4. Pilotphase – die Design-Thinking-Teams wurden im Rahmen des Prozesses über zwölf Wochen begleitet und dabei mit Forschungs-Know-how und einer Basismoderation unterstützt. Durch die Infrastruktur war es zu jeder Zeit möglich eine neue Forumsdiskussion oder einen Fragebogen in die Community einzubinden.
5. Implementierung – nach der Pilotphase wurden geringfügige Anpassungen vorgenommen, um das Research Framework noch bedarfsgerechter zur Verfügung stellen zu können.
Learnings
Was haben wir aus den ersten Erfahrungen gelernt und was sind die nächsten Schritte?
- Das Feedback der agilen Innovationsteams war äußerst positiv. Durch das Research Framework waren sie weniger auf sich alleine gestellt, sondern wurden mit fachlichem Know-how begleitet und unterstützt. Dadurch konnten sie auf Basis des Kundenfeedbacks bessere Lösungen und Services entwickeln.
- In Zukunft muss eine noch flexiblere Lösung für die Teilnehmerstruktur gefunden werden, sodass Teams, die sehr spezielle Zielgruppen benötigen, auch eine relevante Lösung erhalten.
- Die Begeisterung für den direkten Dialog mit Kunden und die Einbindung in den Prozessphasen wurde geweckt.
Was verändert sich dadurch für die Marktforschung?
Aus unserer Sicht eine ganze Menge, aber im Wesentlichen ist es das Rollenverständnis. Die Marktforschung ist in agilen Design-Thinking-Projekten Experte für das methodische Vorgehen, die Einordnung der Fragestellung, stellt die Qualität der Erkenntnisse sicher und sieht sich als Möglichmacher/ Enabler und Trainer. Es geht nicht darum, das Wissen in einer Abteilung zu bündeln, sondern darum, es den Fachbereichskollegen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre eigene Erkenntnis auf Basis qualitativ hochwertiger Kundenfeedbacks erhalten. Konkret bedeutet dies auch, dass die Marktforschung mit dem gleichen Team an Forschern noch deutlich mehr Research-Projekte in die Unternehmensorganisation hineintragen kann. Gerade diese Verhaltensänderung führt zu einem effizienteren Zusammenspiel der Forscher mit agil arbeitenden Projektteams.
Kundenzentrierte, agile Ansätze – wie Design Thinking – werden sich in Zukunft immer stärker in den Unternehmen etablieren. Obgleich das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, gibt es bereits jetzt Ansätze, den Kunden in diesen Prozess noch besser zu integrieren.
Die Autoren

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