Bericht von der MEMEX Berlin 2023 Wie man heutzutage noch „meaningful attention" bekommen kann

Wie der Name eye square es bereits vermuten lässt, kennt sich das Berliner Marktforschungsinstitut mit Eyetracking aus. Ein Schwerpunkt des Unternehmens ist daher Marken und Werbung. Im Mittelpunkt steht dabei die Wahrnehmung der User. Kein Wunder also, dass das Motto der diesjährigen „Memex Conference 2023" in Berlin „Meaningful Attention" lautete. Wir waren mit dabei.

Im hinteren Teil des Konferenzraums von eye square verfolgte ein großes Auge die MEMEX 2023. Auch Michael Schießl, CEO des Unternehmens, war dabei und hat sich unter das Publikum gemischt - siehe ganz links. (Bild: marktforschung.de)

Eigentlich war die Konferenz in Berlin Kreuzberg eine Veranstaltung für die Kunden des Marktforschungsinstituts. Aber nicht nur Kunden waren auf der Memex 2023 anzutreffen. Auch Moshe Satanovsky fand den Weg auf das ehemalige Fabrikgelände in der Schlesischen Straße an der Spree. „Ich will mich mit eye square vertrauter machen“, so der Head of Business Development des Unternehmens GEO-IT aus Stuttgart. Ein Schwerpunkt seines Unternehmens für Softwarelösungen liegt auf dem Bereich Voice Recording und Spracherkennung. „Wir denken über eine mögliche Kooperation mit eye square nach“, so Satanovsky.

Die Aufmerksamkeit der User

„Die drei Säulen unseres Unternehmens sind Wissenschaft, Technik und Kunst“, sagt Katharina Müller, Lead Communications bei eye square. „Heute geht es hauptsächlich um das Thema Technik und das Gewinnen der Aufmerksamkeit der User“, so Müller. Entsprechend technisch war dann auch der Einstieg in die zweite Memex des Jahres nach der ersten in New York.

Die Begrüßung der Gäste übernahm CFO Friedrich Jacobi. Ansonsten ist das eigentlich die Aufgabe von Michael Schießl, dem CEO des Unternehmens. Der mischte sich aber nur unter das Publikum.

Stattdessen schaltete Jacobi mithilfe der Mitarbeiter Dennis Rudolph und Moritz Mattern einen Avatar von Schießl zu, der mittels ChatGTP generiert worden war.

Der Avatar beantwortete Fragen aus dem Publikum, wobei er zweimal ins Straucheln geriet.

Fernsehen immer noch wichtiges Medium

Immer noch ist das lineare Fernsehen das wichtigste Medium zum Platzieren von Werbung. Daher stieß auch der Vortrag von Olaf Schlesiger, Associate Director Research der Seven.One Entertainment Group, auf großes Interesse. Er war einer von zehn Sprechern an diesem Tag. Er beschäftigte sich mit dem Einfluss von Kontext und Kreation auf die Werbewirkung. Es ging darum, wann welche Werbung die meiste Aufmerksamkeit erhält. Dafür teilte er und sein Team die Fernsehzeit eines Tages in vier Zeitzone ein:

  1. Busy Day (14 bis 18 Uhr): Der Zuschauer ist alleine und nicht fokussiert.
  2. Work Is Done: (18 bis 20 Uhr): Zuschauer schauen gemeinsam „relaxte“ Inhalte, wie etwa Simpsons.
  3. Quality Time (Prime Time): Zuschauer schauen gemeinsam Blockbuster.
  4. Dreaming Away (auf Mitternacht hin): der TV Tag klingt langsam aus.

„Die Probanden testeten 64 Werbespots in allen vier Szenarien“, so Schlesiger. „Dabei wurden sie von einer Webcam beobachtet und es wurden Head-, Eye- und Emotion-Tracking vorgenommen. So kam es insgesamt zu 8.304 Werbekontakten.“

Dabei sei eines deutlich geworden. Die Nutzungsverfassung der User muss bei der Auswahl der Werbung für die vier Szenarien beachtet werden. Denn in der Busy Day Phase hatten die Probanden eine hohe Aktivierung, das heißt sie beschäftigen sich neben dem Fersehen noch mit vielen andern Dinge, in der Work Is Done Phase war dieser Wert am niedrigsten.

Laut Schlesiger wirken in der Busy Day Phase klare und prägnante Spot mit Expertenaussagen im besten, wie etwa die Carglas Werbung.

In der Work Is Done Phase sei Humor und Positives gefragt, wie etwas der Spot, in dem Bastian Schweinsteiger unter der Dusche singt.

In der Quality Time ist die Zeit fürs Storytelling gekommen. Die Spots können etwas länger sein und der Content sollte sich an den Inhalt des gerade Geschauten orientieren. „Und im Dream Away Szenario sind leise Töne mit good feeling gefragt“, sagt Schlesiger. „Marktschreier wie Check24 werden da nicht gerne gesehen.“

Inhalte von Werbespots überdenken

Dr. Cristina de Balanzo, Board Director bei Walnut Unlimited, erklärte in ihrer Präsentation, dass etablierte Marke die Inhalte ihrer Werbespots überdenken und diese mit neuen Inhalten befüllen. Mit dem Ergebnis, dass Minderheiten der Gesellschaft in den Mittelpunkt der Spots gezogen werden, wie etwa Homosexuelle, Rollstuhlfahrende oder Menschen mit dem Down-Syndrom. „Es geht darum authentisch zu sein. Marken versuchen verstärkt menschlich zu sein“ so de Balanzo.

Dabei verwies sie auf einen Werbespot der etablierten Marke Colgate. „Es ging nicht darum, wie sonst perfekte Menschen mit perfekt weißen Zähnen zu zeigen“, sagt de Balanzo. Also wurde ein Spot mit einem Menschen mit Down-Sydrom am Schlagzeug und einem schwulen Pärchen beim Umzug produziert. Diese sei anfänglich bei den Verantwortlichen von Colgate nicht so gut angekommen, so dass einige Änderungen vorgenommen wurden. Der Spot wurde ein wenig „entschärft“.

Hier kommt bei den Empfängern Neurowissenschaften ist Spiel,

erklärt de Balanzo. Erst reagiere das Gehirn der Rezipienten negativ auf die neue Rolle der Protagonisten. Aber nach kurzer Zeit kommt es zum Engagement auf Seiten der Zuschauer, was zu einer positiven Verbindung mit der Marke führe. „Behinderte oder Homosexuelle werden ‚normal‘. Der Spot hat letztendlich sehr gute KPI-Werte eingefahren“, sagt de Balanzo.

Werbung aus sozialen Medien nicht mehr wegzudenken

Aber auch aus den sozialen Medien ist Werbung nicht mehr wegzudenken. Daher hat sich Nuria Sichalla, Senior Research Consultant bei eye square mit der Aufmerksamkeit der User bei TikTok und Instagram beschäftigt. In einer kleineren Untersuchung in den USA mit 154 TikTok und Instagram Usern wollte sie herausfinden, welches Medium mehr Aufmerksamkeit für die Werbung generiert.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass obwohl die Verweildauer auf TikTok kürzer ist, ist die Erkennungsrate im Vergleich zu Instagram höher.

Aufmerksamkeit ist nicht gleich Aufmerksamkeit - wir müssen verstehen, was sowohl für den Nutzer als auch für den Werbetreibenden sinnvolle Aufmerksamkeit ist“,

so Sichalla. Ihre Erkenntnis: TikTok bietet mehr visuelle Anker für die Platzierung der Marke zusätzlich zu dem, was im Kreativen gezeigt wird. Die visuelle Orientierung wird von Anfang an verbessert, was die nachfolgende Informationsverarbeitung vereinfacht.

Instagram zeigt eher das Gegenteil. Während das Motiv im Mittelpunkt steht, fehlen weitere Anker. TikTok führt zu einer glücklicheren Erfahrung, die anregend, unterhaltsam und zum Nachdenken anregend ist. Instagram wird häufiger als langweilig eingestuft. „TikTok führt bei der Platzierung von Bildanzeigen zu einer besseren Erkennung und Werbeerinnerung“, sagt Sichalla.

Soziale Medien – die größte Versuchung seit es Tech gibt

Lisa Wiese, Director Human Experience bei eye square, hat einen sehr genauen Blick auf den User von Digitalen Technologien geworden.

„Digitale Medien wie TikTok oder Instagram haben einen viel stärkeren Einfluss auf die User als die ‚alten‘ Medien wie Kino, Buch oder Radio“,

sagt Wiese. Digitale Technologien seien bereits stark in unseren Alltag integriert. Für viele von uns beginne der Tag mit dem Klingeln des Smartphone-Weckers, gefolgt von einem Überblick über die Nachrichten, die Termine des Tages und die ersten Emails und Text-Nachrichten. Auch unsere sozialen Interaktionen würden durch digitale Technologien unterstützt. Smartphones seien zu ständigen Begleitern geworden. Und soziale Medien seien zu größeren „Versuchungen“ für unsere Gesellschaft geworden als Trinken, Rauchen oder die Kaufsucht.

Lisa Wiese berichtete auch über die negativen Auswirkungen der digitalen Technologien.

Das bringe auch einige negative Effekte mit sich. „Phänomene wie „Phubbing“, also das bewusste Ignorieren einer real anwesenden Person, um mehr Zeit auf dem Smartphone zu verbringen oder auch der plötzliche Abbruch jeglicher digitaler Kommunikation beim Online-Daten - sogenanntes „Ghosting“ - sind so häufig, dass wir sogar besondere Begriffe für sie gefunden haben“, so Wiese.

Digitale Techniken lenken User ab und leiten sie fehl. Das hätten auch Anbieter begriffen. Das führe zu „Meaningless Attention“ – vergeudete Zeit. Sogar Marc Zuckerberg habe das verstanden und als Ziel ausgeben, dass Facebook zwischenmenschliche Beziehungen verbessern und vertiefen soll. Und nicht dazu, ein Video nach dem anderen anzuschauen.

„Aber auch immer mehr User erkennen das Problem“, so Wiese. Daher sei es für Anbieter wichtig User auf dem Weg hin zur „Time Well Spent“ zu helfen. Das kann geschehen durch Anfragen wie „Willst Du das wirklich senden?“, oder durch das aufmerksam machen auf die in den sozialen Netzwerken verbrachte Zeit. Solche Hilfestellungen könnten viele User als hilfreich empfinden.

Der CO2-Fußabdruck – Mother Nature needs a Status Report

Einen besonderen Eindruck hinterließ Philipp von Hilgers, VP Enterprise Sales bei DoubleVerify. Anstatt sich mit der Aufmerksamkeit und der Werbewirksamkeit der Digitalen Technologien zu beschäftigen, richtet er seine Aufmerksamkeit auf den CO2-Fußabdruck des Digitalen Ökosystems. Er hatte zu berichten, dass das Ökosystem einen Anteil von vier Prozent an den globalen CO2 Emissionen hat, während der Flugverkehr nur auf zwei Prozent kommt. Das unausgesprochene „Ohhhh“ im Konferenzraum war zu fühlen.

Zwei Millionen digitale Add-Impressionen entsprechen einer Metrik-Tonne CO2“,

so von Hilgers. Nur sei sich in der Digital Technology dieser Tatsache kaum jemand bewusst, weil sie hinter den Bits and Bytes oft nicht vermutet werden. „Das entspricht aber leider der Wahrheit“, so von Hilgers weiter. Wenn eine digitale Impression, wie eine Werbung, in die große weite Welt des Internet und der sozialen Medien hinausgeschickt wird, werden auf der ganzen Welt unzählige Server genutzt, um sie zu verbreiten und verursachen CO2.

„Und die neue EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gilt ab dem Jahr 2024 für große Unternehmen und für kleinere Unternehmen in den Folgejahren“, erklärt von Hilgers. „Damit betrifft der CO2 Ausstoß und entsprechende Kompensationen auch unsere Branche.“ Es werde Zeit, dass der CO2 Fußabdruck auch in den Köpfen der Verantwortlichen Fuß fasst.

Dies sind nur einige Insights der sehr spannenden Konferenz in Berlin. Der Tag endete mit einer entspannten Versammlung um einen gerufenen Food Truck, einer Bootsfahrt und einigen Start-up Pitches. Und da intelligentes Voice Recording mithilfe von KI kaum thematisiert wurde, kommt es vielleicht bald zu einem Austausch zwischen Moshe Satanovsky, dem Experten für Softwarelösungen in diesem Bereich, und den Verantwortlichen dafür bei eye square.

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Über die Person

Markus Grunwald ist Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

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