Martins Menetekel Wie kritisch ist die derzeitige Entwicklung?

Die Nachrichten überschlagen sich, was alles gemacht werden muss oder soll, um eine zweite Schließung des öffentlichen und gewerblichen Lebens zu vermeiden. Die Erfahrungen im Frühjahr waren bitter genug. Man hatte sehr viel Zeit von Mitte April bis Mitte Juni, die Lockerungen zielgenau vorzubereiten. Das wurde nicht genutzt!
Was ist passiert? Das Mittel der Zuwächse der letzten vier Tage von 5.821 ist höher als das absolute Hoch im Frühjahr, gemittelt waren es 5.803 neu gemeldete Infizierte an einem Tag.
Hier die Fallzahlen und deren Zuwächse der letzten zehn Tage: 4. Spalte Fallzahlen 5. Spalte Zuwächse, dann kommen die geglätteten Fallzahlen und deren Zuwächse, alles gerundet auf ganze Zahlen. Die Entwicklung der Zahlen ist beunruhigend.



Die Fallzahlenkurve geht steil nach oben:
Das ist keine Wasserrutsche mit einigen Wellen. Vielmehr erinnert es mich an Wet 'n' Wild in Las Vegas. Da stellte man sich auf eine kleine Plattform direkt über eine senkrecht nach unten gehende Wanne. Dann klappte die Plattform nach unten...
Unsere Informationskurven für A, b und S, aus denen wir die Prognosekurve M(t) berechnen:


Die obere Grafik zeigt die wichtigen Zeitreihen in logarithmischer Skalierung. Erst wenn die oberste rote Kurve 2ln(N(t)) - ln(N’(t)) gerade nach oben zeigt, ist Entwarnung möglich. Überall, wo diese Zeitreihe einigermaßen gerade ist, herrscht Verhulst! Wo sie gerade nach unten zeigt, besteht Wachstum der Zuwächse, wo sie nach oben zeigt, gehen wir in die Sättigung, das heißt, die Fallzahlen nähern sich asymptotisch der Schranke S. Das alte S = 194.488 hat die gelbe Kurve bis etwa Mitte Juni begradigt, danach nicht mehr. Die gelbe Kurve geht nach oben, nur ein viel größeres S kann sie nach unten zwingen.
Die untere violette Kurve zeigt die Zuwächse in logarithmischer Skalierung. Wenn sie ziemlich gerade nach unten zeigt, können wir N’(t) als Zerfallsreihe darstellen und bekommen gute Approximativen für die Fallzahlen selbst und das S. Davon sind wir weit entfernt.
Die untere Grafik zeigt die Zuwächse, nach dem Hoch Anfang April und dem Fallen auf 225 am 12. Juni geht sie in Buckeln hoch. Der letzte Anstieg seit dem 20. September sieht wie der berühmte Hockeyschläger aus, das bedeutet exponentielles Wachstum. Es besteht noch Hoffnung, denn die letzten Zahlen sind noch nicht geglättet.
In den USA wurde gemeldet, dass die Sterblichkeitsrate von Januar bis September 2020 ca. 20 Prozent über den Werten in den drei ersten Quartalen 2019 liegt. Diese Übersterblichkeit liegt noch in absoluten Zahlen über den COVID-19 zugeordneten Todesfällen. Es ist interessant zu wissen, welche Daten sich für Deutschland herausbilden werden. Ich führe seit einigen Tagen auch eine Statistik über die deutschen Fallzahlen der Todesfälle. Sie zeigt gemäßigt nach oben.
Über den Autor
Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.
Aus dieser Reihe zuletzt von Martin Lindner auf marktforschung.de erschienen:
Wir sind noch nicht in einer stabilen Phase!
Möglichkeiten und Grenzen einer Prognose
Kein Wendepunkt in Sicht!
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