Trends im Trend Wie die Lemminge(?)

Michael Pusler
Von Michael Pusler
Meinungsforscher sprechen wie selbstverständlich davon, doch was macht einen Trend aus? Letztlich erklärt sich das Phänomen durch psychologische Motive vieler Einzelner.
Neue Trends werden in turbulenten Zeiten immer häufiger ausgerufen, so hat man manchmal den Eindruck. Der inflationäre Gebrauch des Begriffs treibt manchmal gar seltsame Blüten. Sei es der Trend zu mehr Sicherheit oder "cocooning", der u. a. begründet durch nicht nur für den Laien teilweise unergründbare Entwicklungen auf den Finanzmärkten und deren bis vor Kurzem beobachtetes Abstürzen oder - in mittlerweile sich wieder zart andeutenden Phasen des Booms - das Ausrufen nach mehr konsumatorischen Freiheitgraden wie ultimate, smart oder speed shopping bzw. -consuming. Immer wieder liefern komplexe Situationen den Nährboden für neue Trends, denen dann scheinbar alle (zumindest ganz, ganz viele) hinterherlaufen. Doch tun sie das wirklich?
Um dem Phänomen etwas auf den Grund zu gehen, stellt sich die Frage: was ist überhaupt ein Trend, oder vielmehr, was führt zum Trend? Die Antwort ist meines Erachtens eher schlicht und einfach: es sind nicht irgendwelche Strömungen, die uns charismatische Auguren der Forschungsdisziplin Trend- oder Zukunftsforschung weißmachen wollen, sondern individuelle Prozesse, die jeder einzelne auch bei sich selbst kennt. Die können aber bei jedem anders sein, weshalb eine "Trendwelle", bei der vermeintlich alle in derselben Richtung mit dem Trend "mitschwimmen" als wenig wahrscheinlich erscheint. Allenfalls durch eine sehr unscharfe Brille wirkt das ganze wie ein Massenphänomen (neudeutsch würde man da wohl von „Schwarmintelligenz“ reden).
Viele sogenannter Trends lassen sich auf individual- bzw. entwicklungspsychologische Erklärungsansätze zurückführen. Insbesondere die sogenannte "Äqulibrationstheorie" des anerkannten - und mit seinen Arbeiten richtungsweisenden - Entwicklungspsychologen Jean Piaget ist da anzuführen. Dieser hatte in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts richtig erkannt: Auf eine Periode des Gleichgewichts folgt - aufgrund von Veränderungen der Umwelt oder des Organismus selbst - ein Ungleichgewicht, daraufhin wiederum folgt eine Ausgleichbewegung, die so genannte "Äqulibration", die schliesslich wieder einen Gleichgewichtszustand-Zustand herstellt. Lediglich wenn alle gleichermaßen z. B. von den Folgen eines Krieges oder einer Naturkatastrophe betroffen sind, wird das zum Massenphänomen. Das ist bei der Vorhersage von Konsumtendenzen sicher nicht gegeben.
Es sind folglich in erster Linie den Einzelnen betreffende Ereignisse, die ihn in eine veränderte Lage geraten lassen (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Wissen um die Klimaveränderung oder auch freudige Lebensereignisse, wie der Geburt eines Kindes, die Beförderung am Arbeitsplatz), die er z. B. durch ein Streben nach weiteren Entfaltungsmöglichkeiten oder aber, im Falle kritischer Ereignisse, durch schützende Besitzstandswahrung auszugleichen sucht. Das gilt ganz besonders für Konsumfragen, dem primären Anknüpfungspunkt vieler kommerzieller Trendaussagen. Es sind eben nicht unsichtbare Wellen propagierter (Konsum-)Strömungen, denen Heerscharen von Menschen quasi automatisch folgen und wahllos kaufen, den Verlockungen gar machtlos ausgeliefert sind (vergleichbar einer Flutwelle oder Nuturkatastrophen, wie wir sie aktuell leider wieder viel zu häufig auf dem Planeten erleben). Der Trend, dem möglichst jeder folgen möge, ist nicht die adäquate Erklärungsgrundlage, wenn man (Gruppen von) Menschen verstehen möchte, die einem Anpassungsprozess aufgrund einer veränderten Realität bzw. Wahrnehmung derselben ausgesetzt sind. Der Trend verstellt vielmehr häufig den Blick auf dessen psychologische Wurzeln und somit deren adäquate Analyse.
Einen Trend hin zum Trend darf man daher getrost etwas kritisch beäugen. Vielleicht sollte man sich statt mit allzu vielen Trends mehr mit den Menschen selbst beschäftigen (ganz gleich ob als Individuum oder im Kollektiv), deren Verhalten der Trend ja so gerne prognostizieren möchte. Versteht man diese im Kontext ihres Umfeldes oder in Phasen ihrer individuellen Lebensgestaltung (etwa durch lebensphasenmodelle), so kann man hierauf auch soziologisch generalisierbare Entwicklungen bzw. Veränderungen beschreiben und vorhersagen, ohne dabei (wie das manch ein Augure mit blumigen Begriffen tut) auf zum Teil abenteuerliche Weise abstruse Dinge zu Trends hoch zu stilisieren. Gerade im Bereich des Marketings und der Werbung ist man hierfür manchmal leider etwas anfällig.
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