Kolumne von Tobias Riedner Wie das perfekte COVID-19 Dashboard zum Lockdown Light ausschauen sollte

Beherbergungsverbote, Erklärungen von Bundesländern und Reisezielen im internationalen Ausland zu Risikogebieten, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, erneute Ausgangssperren, Schul- und Kindergarten-Schließungen, Home-Office. Die behördlichen Maßnahmen im Kontext der Pandemie sind vielzählig und ändern sich fortlaufend – den Überblick über die aktuelle Lage zu behalten ist als Privatperson unmöglich. Egal, ob es sich um einen Landkreis oder ein Bundesland handelt. Von Gesamtdeutschland oder potenziellen Reiseländern ganz zu schweigen: Zu komplex das Geschehen, um es erfassbar zu machen.
Lockdown light – wie wäre es zur Abwechslung mit Kennzahlen?
Und jetzt auch noch der Lockdown-Light im November. Schulen, Kindergärten und Arbeitsstätten bleiben offen, alles andere wird mehr oder minder geschlossen. Ein Teil der Begründung ist, dass das Gesundheitssystem überlastet sein wird. An welchen Zahlen macht das unsere Bundeskanzlerin fest? Was immer noch fehlt ist eine Informationsplattform, auf der daten-basiert berichtet und die aktuelle Lage sowie die wichtigsten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen an alle BürgerInnen zusammengefasst wird.
Aus Negativ- und Positiv-Beispielen lernen
In meinem ersten Beitrag auf markftforschung.de habe ich bereits Kritik am Corona-Dashboard des RKI geübt und es (meiner Meinung nach) völlig zu Recht als "Gut gemeint – schlecht gemacht" tituliert; geändert hat sich nichts. Auch wenn die Reaktionen auf diesen Beitrag heftig waren (mit nachgelagerten persönlichen Diskussionen auf sozialen Plattformen), trugen die angestoßenen Diskussionen im Nachgang zur gegenseitigen Aufklärung bei. Beispielsweise wurde über den Mehrwert einer Landkarte diskutiert und wann sie nicht geeignet ist. Darüber hinaus habe ich in einem meiner letzten Beiträge die datenbasierte Berichterstattung der New York Times erwähnt – die sehr gelungene Art und Weise der Umsetzung sollten sich Journalisten und Zeitungen weltweit zum Vorbild nehmen!
Ich erwähne das, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, Negativ- wie Positivbeispiele aufzugreifen und die Erkenntnisse aus diesen Beobachtungen in eigene Umsetzungen einfließen zu lassen.
Doch zurück zum Thema: Die datenbasierte Berichterstattung der letzten Wochen und Monate war erschreckend: Sehr viel (Daten-)Müll, wenig Informationen und noch weniger sachlich, neutrale Situations-Bewertung. Als Privatperson wünsche ich mir (immer noch) von Bundesbehörden und der Bundesregierung eine Aufarbeitung und Darstellung von Informationen – besonders wenn die Informationen so weitreichende und potenziell schwerwiegende Folgen haben können –, die gegen vorgenannte Kritik immun ist. Ich mache gerne erneut einen Vorschlag wie man die Situation besser darstellen kann.
Vorschläge für ein verbessertes COVID-19 Dashboard
- Wir brauchen einen Erst-Indikator: Wie viel wird getestet? Wie viele dieser Tests sind positiv? Wie hoch ist die Positiv-Quote? Und bitte: Wir können die falsch-positiven vernachlässigen, da es um den Trend geht und nicht um die exakten Werte.
- Wir brauchen einen Indikator zur aktuellen Lage: Wie hoch ist der 7-Tage-Inzidenzwert? Wie entwickelt er sich? Dieser Indikator ist anerkannt und die Bundes- und Landesregierung verknüpft ihn mit Maßnahmen (Ampel-System).
- Wir brauchen einen Wert zur Lage der Betreuung von Infizierten: Wie viele Betten auf Intensivstationen sind vorhanden? Wie viele Beatmungsgeräte sind vorhanden? Wie viele Betten und Beatmungsgeräte sind belegt?
- Wir brauchen einen Ergebnis-Indikator: Wie hoch ist die aktuelle Sterblichkeitsrate? Sterben aktuell mehr Personen als im Durchschnitt der letzten Jahre?
Das Mockup eines Corona-Dashboards (Abb. 1) beantwortet diese Fragen. Das Diagramm links oben zeigt den Trend der Anzahl durchgeführter Tests und die davon positiven. Während im Frühjahr die Test-Anzahl anstieg, sind im Sommer weniger Tests gemacht worden. Die Anzahl positiver Tests verlief parallel. Mit Anbruch des Herbstes stiegen Test-Anzahl und positive Ergebnisse an. Es werden weitere Testkapazitäten geplant vorgehalten und eine steigende Anzahl an Positiven wird erwartet.
Das Diagramm rechts oben zeigt den Verlauf des Inzidenzwertes. Im Winter noch unter Warnstufe 1, wurde im Frühling Warnstufe 1 gerissen und der Lockdown beschlossen. Im Sommer sind die Zahlen wieder unter der Warnstufe 1. Mit Beginn des Herbstes steigen die Zahlen und erreichen einen Rekord von 51 im Oktober. Es werden weitere Maßnahmen beschlossen. Die Prognose: in November und Dezember steigt der Inzidenz-Wert weiter bis auf 84 und nähert sich damit der Warnstufe 3 (100).
Das Diagramm links unten zeigt die Intensivbetten und deren Belegung. Während im Frühjahr die erste Welle für eine hohe Auslastung der 45.000 Intensivbetten sorgte, kam mit dem Sommer die Entspannung und eine niedrigere Belegung. Im Herbst stieg die Belegung wieder und für den Dezember wird von einer sehr hohen Auslastung von 40.000 Betten (89 Prozent) kalkuliert.
Das Diagramm rechts unten zeigt die Sterblichkeit in Deutschland. Während die gestrichelte Linie die Sterbefälle pro Monat im Durchschnitt der letzten 25 Jahre zeigt, zeigt die schwarze Linie die Messung im Jahr 2020. Eine "Übersterblichkeit" ist in diesem Jahr statistisch nicht zu sehen – auch nicht durch Corona.
Ein Dashboard mit vier Diagrammen zeigt die aktuelle und prognostizierte Lage in Deutschland, in Bundesländern und Landkreisen – es fehlt dennoch! Als Steuerungsinstrument zwischen BürgerInnen und den öffentlichen Institutionen ist es aber unabdingbar.
Was denken Sie darüber? Können Sie sich mit diesem Dashboard anfreunden bzw. wollen Sie diese Informationen ebenfalls beziehen? Oder sehen Sie es ganz anders? Wenn ja, wie denn?
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