Sonja Weldishofer, Gruppe Nymphenburg Consult AG "Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gekauft"

Der Handel befindet sich im Umbruch, viele Einflüsse dieser Veränderungen haben mit der Digitalisierung zu tun. Manche auch nicht, denn immerhin entscheiden noch immer Menschen über Kauf oder Liegenlassen. Sonja Weldishofer ist CM-Expertin bei der Gruppe Nymphenburg Consult AG und weist im Interview auf menschliche Ratio hin, aber auch auf irrationale Verhaltensweisen.

Sonja Weldishofer, Nymphenburg Consult AG

marktforschung.de: Frau Weldishofer, im Vorgespräch zu diesem Interview nannten Sie Zahlen, die auf den ersten Blick überraschend klingen, wenn man sie mit seinem eigenen Kaufverhalten vergleicht. Sie behaupten, dass 70-80 Prozent der Kaufentscheidungen am POS getroffen werden. Und dass wir Käufer gerade mal ein Prozent des Wahrgenommenen im Gedächtnis behalten. Woher stammen de Zahlen? Und was leiten Sie daraus als Handlungsempfehlung für den Handel ab? 

Sonja Weldishofer: Aus zahlreichen Studien, die wir zu dem Thema bereits durchgeführt haben. Insbesondere der Lebensmitteleinkauf ist vielfach noch auf den stationären POS konzentriert. Die Visibilität im Regal ist daher ein wesentlicher Faktor, um den Kaufakt für sich zu gewinnen. Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gekauft. Ein Produkt, das z.B. nur mit der schmalen Seite nach vorne "schaut" ist schwer wahrnehmbar. Daher ist es wichtig, seine "Schokoladenseite" zu zeigen. Entsprechende Kartonagen oder Regalsysteme wie z.B. Vorschubsystems können hier einen wertvollen Beitrag leisten. 

marktforschung.de: Haben Sie weitere Tipps aus und für die Praxis?

Sonja Weldishofer: Gerne! Auch die sogenannten Hot Spots im Regal sowie der Kundenlauf spielen eine wichtige Rolle für den Verkaufserfolg. Marken, die am Anfang des Regals oder auf Augenhöhe platziert sind, werden im Regelfall stärker wahrgenommen. Blockbildung ist ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor. Kategorie- und Markenblöcke helfen dem Kunden sich am Regal zurechtzufinden. Der Mensch orientiert sich horizontal und sucht vertikal. Vertikale Blöcke erleichtern daher die Produktsuche enorm. Wer schnell findet, was er sucht, hat keinen Grund den Kauf abzubrechen! Die Blöcke sollten jedoch nicht zu schmal sein, ungefähr 70-80 Zentimeter sollten es schon sein.

marktforschung.de: Sie kümmern sich ja in Ihrer Beratung schwerpunktmäßig um das Regal an sich. Um die Anordnung, die Platzierung neuer Produkte und so weiter. Welchen Einfluss habe ich als Produkt-Owner überhaupt auf die Visibilität? 

Sonja Weldishofer: Veränderungen am Regal sind nicht immer einfach umzusetzen. Der Ansprechpartner vor Ort oder der Chef müssen im Regelfall erst davon überzeugt werden. Daher ist es hilfreich, schlagkräftige Argumente parat zu haben. Aktuelle Marktanteile, Drehzahlen, Kundenbefragungen, Shopper & Consumer Insights oder Testergebnisse - verständlich und zielgruppengerecht aufbereitet - sind eine gute Gesprächsbasis und Argumentationshilfe. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere Erfolgsbeweise in gut aufbereitete Salesunterlagen verpackt eine enorme Überzeugungskraft beim Handel haben.

marktforschung.de: Würden Sie sagen, dass viele Marken suboptimal platzieren?

Sonja Weldishofer: Ja und nein. Ich denke jeder, der im Handel ein Regal pflegt, ist bestrebt die Ware optimal zu präsentieren. Oft fehlen aber die Hilfen dafür. Jede Kategorie tickt ein bisschen anders. Im Kühlregal spielt z.B. auch die Wanne eine wichtige Rolle für den Abverkauf. Platzierungshilfen z.B. in Form von Planogrammen und Produktrankings (Tops/Flops) werden aus unserer Erfahrung heraus gerne angenommen und sind äußerst hilfreich. Mit Hilfe von Trainings kann zudem detaillierteres Wissen zur Kategorie vermittelt werden. Gut informierte, motivierte Mitarbeiter sind das A&O für den Erfolg am Regal - im Handel aber auch auf Herstellerseite. Wer vor Ort mit relevanten Informationen nicht nur zum Produkt, sondern auch zur Kategorie unterstützt, gilt als kompetent und wird gern gesehen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

marktforschung.de: Vielen Dank, Frau Weldishofer, für das Gespräch! 

Das Interview führte Tilman Strobel

 

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