Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Wer muss sich für kindliches Fehlverhalten mit Handys verantworten?

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Jeder weiß, dass Handys in Kinderhänden nicht immer gut aufgehoben sind. Dennoch sind Schüler mit Smartphones schon an vielen Grundschulen an der Tagesordnung. In Düsseldorf musste sich jüngst ein neunjähriges Mädchen verantworten, weil es seinen Mitschülern ein Handy-Video mit pornografischem Inhalt gezeigt hatte. Was ist die angemessene Sanktion für so etwas bei einem neunjährigen Kind? Klassenfahrtverbot. Jedenfalls hat das Oberverwaltungsgericht Münster diese Ordnungsmaßnahme der Schule gegenüber dem Kind bestätigt. Die Eltern des Mädchens empfanden sie als zu hart und hatten ihrer Tochter die Teilnahme am Ausflug ermöglichen wollen und erfolglos um Rechtsschutz gegen die Maßnahme ersucht. Die Vorführung eines Pornofilms im Kreis von Drittklässlern sei als „schwere Pflichtverletzung“ gegenüber Schule und Mitschülern einzuordnen. Eine „intensive erzieherische Einwirkung“ durch Ausschluss von der Klassenfahrt sei pädagogisch angemessen, zumal das Mädchen schon einmal für ein paar Tage wegen Störens vom Unterricht ausgeschlossen worden sei.

Kinder können die Folgen von Rechtsverstößen im Netz oft nicht einschätzen

Klar ist, dass Porno- und Gewaltvideos für Drittklässler tabu sind. Aber wie leicht geraten sie auf ein Kinderhandy! Ein Grundschulkind muss nur in der WhatsApp-Gruppe eines pubertierenden Geschwisters sein und schon öffnet sich ihm die Welt von Pornographie und Gewalt lange vor der Zeit und vielleicht auch ohne, dass man einem Grundschulkind einen Vorwurf machen kann. Grundschulkinder können bestimmte Formen von Fehlverhalten und dessen Folgen einschätzen. Etwa, dass man einem Mitschüler nicht die Haare abschneidet, ihm einen Kaugummi ins Heft klebt oder ihn mit dem Ranzen auf dem Rücken eine Treppe hinunter schubst. Darüber, ob ein neunjähriges Kind die Folgen des Zeigens eines Pornofilmes für Gleichaltrige einschätzen kann, dürfte sich streiten lassen.

Sicherlich wird man dem Oberverwaltungsgericht nur darin beipflichten können, dass Grundschulkinder durch einen solchen Vorgang verstört werden und geschlechtliche Vorgänge als bedrohlich empfinden. Ob man bei einem Kind in der dritten Klasse auch einen „schwerwiegenden“ Verstoß gegen Schülerpflichten annehmen kann, ist zumindest einzelfallabhängig und es hängt vom Reifegrad des Kindes ab.

Wer ist verantwortlich für den Missbrauch von Smartphones an Schulen?

Der Fall wirft eine schwierige Grundsatzfrage mit Blick auf die Verantwortung für den Missbrauch von Smartphones in Schulen auf. Es ist leicht und im Einzelfall auch richtig, Fehlverhalten von Kindern zu sanktionieren. Sie dürfen aber nicht im Fokus der Verantwortung stehen. Es geht in erster Linie darum, das Bewusstsein der Schulleitungen, Lehrer und Eltern zu schärfen. Hier liegt auch die Hauptfrage nach der Verantwortung, zumal der Einsatz moderner Medien  häufig zum Unterrichtskonzept gehört. Die Arbeit mit modernen Geräten werden zu Recht in Lernkonzepte eingebunden und Schulen werden daran gemessen, wie leicht und stabil sie Kindern zu Zugang zu Computer, Tablet & Co. gewähren.

Dabei geht es nicht um das Geschick bei der Anwendung der Geräte. Klar können Kinder Smartphones prima bedienen und ihnen Wissenswertes entlocken. Wenn alle dieselben technischen Möglichkeiten haben, dann kann man die Schnellsten und Pfiffigsten auch gerecht gut bewerten.

Es geht um Kompetenz im Sinne von Bewusstsein für die Gefahren von Medien

Neben aller technischen Kompetenz muss uns aber interessieren, ob unsere Kinder mental und mit Blick auf ihre Verantwortung reif genug sind, für den Einsatz von Handys in Schule und Unterricht. Wie steht es um die Reife im Sinne des Verantwortungsbewusstseins? Jedes Kind weiß, dass es mit einem Feuerzeug im Chemieunterricht zwar den Bunsenbrenner anzünden darf, aber nicht den Tafellappen. Daran hält man sich auch. Jedes Kind müsste auch wissen, dass man wütende Lehrer oder Mitschüler in kompromittierenden Situationen nicht im Unterricht filmt und sie sogleich am digitalen Pranger weltöffentlich macht. Dennoch ist das in Schulen so sehr Alltag, wie Datenschutzverstöße und Urheberrechtsverletzungen in Klassenräumen beim Einsatz mobiler Endgeräte.

Länder, Schulen und Eltern sind gefragt

Hier sind zunächst die Bundesländer gefragt. Sie müssen klare Vorgaben für den Einsatz von Medien machen. So ist in Sachsen ab dem nächsten Schuljahr der schulische Einsatz sozialer Medien stark reglementiert. So lange die nicht flächendeckend geschieht, müssen die Schulen Regeln für den Einsatz moderner Medien einführen und deren Einhaltung ebenso durchsetzen, wie das Verbot von Messern und anderen gefährlichen Gegenständen. Es ist naiv, die Augen davor zu verschließen, dass man mit Smartphones bei Kindern auf der seelischen Ebene ebenso gravierende Schäden anrichten kann, wie andere gefährliche Werkzeuge auf körperliche Weise. Nicht zuletzt sind die Lehrer gefragt. Sie müssen den Einsatz des Bunsenbrenners im Unterricht anleiten, überwachen und ihn pädagogisch sowie rechtlich verantworten. Das gilt auch für den autorisierten Einsatz des Smartphones. Ebenso müsse sie Übergriffe auf Schulhöfen in den Griff bekommen.

Schließlich geht es darum, die Regeln auch gegenüber den Eltern zu kommunizieren und sie für die Gefahren zu sensibilisieren, damit sie bei der schwierigen Aufgabe, ihre Kinder mit modernen Medien vertraut zu machen, nicht alleine sind.

In diesem Fall muss das Kind die Folgen ausbaden

In diesem Fall muss das neunjährige Kind aus Düsseldorf die Suppe auslöffeln, denn es darf nicht mit auf Klassenfahrt. Dass es sich – worauf das Oberverwaltungsgericht Münster hinweist – bei schulischen Ordnungsmaßnahmen, nicht um Strafen handelt, ist richtig. Natürlich kommt es bei solchen erzieherischen Maßnahmen, wie dem Klassenfahrtverbot, auch nicht auf Schuldfähigkeit an. Aber ein gutes Gefühl hat man bei dieser Pädagogik trotzdem nicht. Erst wenn Staat, Lehrer und Eltern die Hausaufgaben gemacht haben, können wir guten Gewissens unsere Kinder sanktionieren.

Mehr zum Thema bei eGovernment Computing: "Wenn Lehrer und Schüler zu Freunden werden"

Zur Person:

Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!).
www.medienrecht.fh-koeln.de

 

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