Wer etwas leistet, muss sich auch etwas leisten können, oder?

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist

Von Oliver W. Schwarzmann

Ausgerechnet die Schweiz, die ja eigentlich immer wie eine geheimnisumwitterte, weil verschwiegene Bankenschatzinsel wirkt und gerne als „Tresor der Welt“ bezeichnet wird, wehrte sich unlängst gegen die Millionengehälter für Manager. Besser gesagt, es waren die Bewohner, die per Volksentscheid vom 03.03.2013 der Boni-Abzockerei nunmehr Einhalt gebieten wollen. Ein durch und durch demokratischer Akt: Die Mehrheit aus Normalverdienern befindet über die Spitzeneinkommen einer Minderheit. Wobei da keine Neidmenge am Werk ist, wie man vermuten könnte, nein, es geht vielmehr um die Verteidigung urschweizerischer Werte, wie Verhältnismäßigkeit, Ordnung und Redlichkeit.

Diese Entscheidung ist wie ein Motor, der jede Menge Debatten in Gang bringt, vor allem bei uns. Auch hierzulande sind die hohen Bonizahlungen ein Dorn im Auge der Masse, insbesondere die Superprovisionen der Banker, auf deren Konten zudem noch die Finanzkrise geht, für deren Auswirkungen nach wie vor ganze Volkswirtschaften zahlen. Deshalb sollen die Banken an diesen Kosten beteiligt und sie selbst an die Kandare genommen werden, will man doch solche Auswüchse in und für die Zukunft verhindern.
Wo Verantwortung eben nicht freiwillig übernommen wird, muss sie per Gesetz verordnet werden, so der Tenor. Zwar gibt es aus diesem Grund schon Malus-Regelungen für Investmentbanker, die bei Verlusten greifen sollen, in der Praxis des verwalterischen Aufwands wegen aber eher eine äußert seltene Anwendung finden.

Nun, in einer Marktwirtschaft bestimmt die Nachfrage den Preis und somit auch der Erfolg das Einkommen. Wenn Kunden bereit sind, für ein Produkt oder eine Leistung eine bestimmte Summe Geld auf den Tisch zu legen, dann ist das ihre Sache. Das Gleiche gilt für Löhne – über deren Höhe entscheiden die Firmeneigentümer, was auch im schweizerischen Volksentscheid zum Ausdruck kommt: Dort sollen die Aktionäre nunmehr die Topgehälter ihrer Spitzenleute absegnen.
Dennoch, auch diese Kunden- und Eigentümerfreiheit hat Tücken, sind doch alle in ein viel größeres Umfeld eingebunden, und zwar in eine Gesellschaft, die einer sozialen Balance bedarf, soll sie wirklich als Gemeinschaft funktionieren. Und die ist wichtig: Denn Erfolg ist in einer komplex verwobenen Welt keine Frage von Einzelpersonen mehr, sondern das Ergebnis aus guter Zusammenarbeit und förderlichen Rahmenbedingungen. Also muss man auch alle am Erfolg beteiligen, heißt: gerecht verteilen und bezahlen. 
Doch – wer soll was erhalten?
Und - was ist eine gerechte Bezahlung?
Wann sind Spitzengehälter angemessen, wann nicht? 
Gibt es dafür eine Formel?
Das Wievielfache eines Mitarbeiterlohns darf der Chef verdienen?
Steht das einzelne Gehalt im Verhältnis zu der jeweiligen Beteiligung am Unternehmenserfolg?
Wer ist letztlich was wert?
Diese Frage muss eigentlich der Markt beantworten, entscheidet er ja über den Preis, also über den ökonomischen Wert eines Menschen.
Wollen wir das ändern, müssen wir den Markt ändern.
Und der Markt sind wir.

Oder soll die Politik doch lieber unsere Einkommen bestimmen?
Und den Markt machen?
Nun, ich glaube: In einer global durchökonomisierten Gesellschaft (wie der unseren) wird es immer schwieriger, Veränderungen politisch durchzusetzen. Der Wandel, den wir alle fordern, muss sich in der Wirtschaft vollziehen. Durch jeden Einzelnen.
Verstünden wir den Markt beispielsweise nicht mehr nur als Ort, wo die Nachfrage den Preis für das Angebot regelt, sondern diesen auch als Forum für individuelle wie gemeinschaftliche Entfaltung und als Börse für gerechtes Handeln, dann würde sich bereits einiges ändern. Lehnten wir Konsumenten Produkte und Leistungen ab von Unternehmen, die sozial und ökologisch unfair handeln, würden die ihre Strategien schnellstens anpassen. Suchen wir aber weiterhin nur nach dem niedrigsten Preis und schielen auf Höchstrenditen am Finanzmarkt, wird alles beim Alten bleiben. Also dort, wo es ja offensichtlich nicht hingehört. Und das Gegenteil des Erwünschten nimmt ungebrochen seinen schicksalhaften Lauf, heißt: Die Welt wird an den daraus entstehenden Disparitäten weiter Schaden nehmen.
Das bedeutet: Auch wir können die Verantwortung nicht abgeben. Auch nicht an die Politik. Letztere soll durchaus Rahmenbedingungen schaffen; dazu gehören sicherlich ein Mindest- und wohl bald auch ein Maximallohn, aber sie kann nicht alles regeln. Faires Miteinander, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit werden nicht nur durch Gesetze erreicht, sondern jeder muss das auch mit Leben füllen. Als Bürger. Als Wähler. Und als Konsument. Dazu braucht es natürlich persönliche Bereitschaft und einen gemeinschaftlichen Werte-Kodex, der uns allen gleichsam zu vermitteln vermag, was überhaupt fair, gerecht und nachhaltig ist.   

Dass es auch anders geht, zeigt das Netz: Dort boomen nicht nur Tauschbörsen, sondern das Web ist auch der Geburtsort einer „Ökonomie des Teilens“. Man teilt heute schon wie selbstverständlich Informationen, in Zukunft (fast) alles. Was mit Daten, Hotelzimmern und Autos also schon begonnen hat, wird sich über Wohnungen, Arbeitsplätze, Computer, etc. fortschreiben. Das Internet bringt die Menschen tatsächlich näher zusammen, verändert auf diese Weise die Wahrnehmung von Partizipation und trainiert mit den weitreichenden Vernetzungsmöglichkeiten zugleich auch die Praxis des Teilens. Im Kern dieses Wandels steht nicht mehr der Besitz als Ziel, sondern die Verfügbarkeit. Und der Zugang zu Gemeinschaften. Diese „Shareconomy“ (die mich unweigerlich an den Genossenschaftsgedanken erinnert) wäre durchaus ein Nährboden, auf dem eine neue Kultur der Beteiligung entstehen und die auch die Form der Vergütung völlig verändern könnte. Um diesen Weg aber beschreiten zu können, müssten wir das Einkommen immer mehr vom reinen Bezug eines monetären Entgelts trennen. Denn Lohn kann auch einen anderen Gehalt haben: Neben Geld und dinglichen Gegenleistungen, wären das mentale Komplementär-Währungen, wie Entfaltung, Zufriedenheit, Sinn, Harmonie, Wohlbefinden, Beziehungen.
Und ja, Zeit.
Das würde sogar den Wettbewerb völlig umkrempeln, nicht nur den um die besten Köpfe. 
Ob das je möglich wird?
Wer weiß.
Aber eines ist sicher: Heute wird mehr denn je darüber diskutiert.
Und so fangen große Veränderungen immer an.

 

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