Quereinstieg in die Marktforschung "Wer ehrgeizig und lernbereit ist, schafft den Sprung"

Leiterin der Healthcare-Forschung bei Ipsos München (Bild: Stefanie Denk)
Beitrag von Ulrike Schäfer
Stefanie Denk war schon mehrfach Quereinsteigerin. Nach ihrem Biologiestudium und anschließender Promotion in der Biochemie kam sie über ein Praktikum in die Healthcare PR, um später auf Kundenseite ins Pharma-Marketing und Business Development zu wechseln. Seit einem Jahr arbeitet Stefanie Denk nun in der Marktforschung: Sie leitet die Healthcare-Forschung bei Ipsos in München. "Ich selbst wäre garnicht darauf gekommen, dass ich in so eine Position wechseln kann", sagt sie. Stattdessen sprach sie ein Headhunter an – und rannte offene Türen ein. "Marktforschung war immer eins meiner Lieblingsthemen im Marketingbereich. Ich finde es toll, dass ich diese Leidenschaft jetzt mit meiner Leidenschaft für Pharma zusammenbringen kann. Ich habe auch das Gefühl, dass es dem Team und dem Geschäft sehr gut tut, dass ich diesen externen Blick und die genaue Kenntnis über die internen Strukturen und Bedürfnisse unserer Kunden mit reinbringe."
Tatsächlich ist es in der Marktforschung längst nicht mehr damit getan, Zahlen zu erheben und beim Kunden abzuliefern. Marktforscher sind heute auch Berater, die Handlungsempfehlungen geben oder Workshops abhalten, um die gewonnenen Erkenntnisse in Aktivitäten zu überführen. Doch dazu, sagt Stefanie Denk, müsse man die andere Seite erstmal sehr gut kennen. "Darin sehe ich den großen Vorteil, den ich durch meine Branchenexpertise mitbringe."
Straighte Lebensläufe sind eher die Ausnahme
Auch Thomas Rodenhausen, Vorstandssprecher der deutschen Harris Interactive AG, betont, dass Bewerber von Kundenseite für die Marktforschung interessant sein können, "vor allem wenn sie in bestimmten Sektoren, in denen wir Marktforschungsleistungen anbieten, im Marketing oder auch in der Produktentwicklung gearbeitet haben." So erstaunt es nicht, dass es auch in seinem Institut Mitarbeiter gibt, die den Quereinstieg geschafft haben: "Einer kommt aus dem Konsumgüter-Marketing, ein anderer hat vorher bei einem Medizintechnik-Unternehmen gearbeitet", sagt Rodenhausen. Für ihn sei es nicht entscheidend, dass Kandidaten einen geradlinigen Lebenslauf aufweisen könnten. "Das ist eher die Ausnahme. Typisch ist vielmehr, dass jemand im Studium ein Praktikum gemacht oder als Interviewer gejobbt hat und so mit der Marktforschung in Kontakt kam."
Dementsprechend ist für Thomas Rodenhausen auch nicht das Zahlenverständnis entscheidend. "In der Marktforschung ist es schon gut, keine Zahlenphobie zu haben und mit einer Analysesoftware wie SPSS oder R umgehen zu können, aber das ist für einen beratenden Projektmanager nicht die Schlüsselqualifikation. Ich glaube, das Wichtigste ist, neugierig zu sein und sich in das Geschäftsmodell aller möglichen Unternehmen und Branchen hineindenken zu wollen, um dabei zu helfen, gute Marketing-Entscheidungen zu treffen."
Trotzdem ist der Einstieg für "fachfremde" Bewerber nicht ganz einfach. So gibt die Personalerin eines großen Instituts zu, dass Bewerber mit fehlender Marktforschungserfahrung, die mit den wichtigsten Tools nicht vertraut sind, bei ihnen keine Chance haben. "Gerade bei Einstiegspositionen bekommen wir so viele Bewerbungen, da fällt ein Kandidat ohne Vorkenntnisse schnell durchs Raster."
Quereinstieg: Die Investition in das Anschreiben ist hier besonders wichtig
Stefanie Denk sieht das weniger pessimistisch. Sie rät Bewerbern, die aus einer anderen Branche in die Marktforschung wechseln wollen, schnell das persönliche Gespräch zu suchen und zum Beispiel auf Fachmessen Kontakt zu der Firma zu knüpfen. "Wer schon jahrelang im Beruf ist, hat ja schon einiges vorzuweisen und kann durch Persönlichkeit und Engagement überzeugen." Ratsam sei es auch, bei einer schriftlichen Bewerbung viel Arbeit in das Anschreiben zu investieren. "Darin muss ganz klar werden, warum dieser Wechsel jetzt kommt, wie man sich den Ablauf selber vorstellt und was man anzubieten hat. Wenn jemand mutig anspricht, wo bei ihm noch nachgeholfen werden muss, was er aber auf der anderen Seite auch an Expertise mitbringt und wovon die Firma profitieren kann – das würde mich neugierig machen."
Plötzlich wieder Kaffee kochen? Der Aufstieg war hart
Ganz wichtig sei es zudem, Flexibilität zu demonstrieren und auch bereit zu sein, ein paar Schritte auf der Karriereleiter zurückzugehen, um im Gegenzug Wissen aufzubauen und ausgebildet zu werden. "In der quantitativen Marktforschung sind das Datenauswertungen aller Art und die Beherrschung verschiedener Tools, die einfach sitzen müssen. Und wer in der qualitativen Marktforschung keine Moderationserfahrung hat, muss das auch erst lernen." Sie selbst ist diesen Schritt damals auch gegangen, um den Einstieg in die Kommunikation zu schaffen. "Nach meiner Promotion war ich plötzlich wieder Praktikantin und habe Kaffee gekocht. Das war schon heftig! Aber letztlich hat es mich weiter gebracht. Wer ehrgeizig und lernbereit ist, schafft den Sprung dann schnell." Das gelte auch für Menschen über 40, die sich nach vielen Berufsjahren noch mal neu orientieren möchten. "Ich sehe da beim Alter überhaupt keine Begrenzung", so Stefanie Denk. "Ich bin mit 40 zu Ipsos gekommen. Entscheidend ist vor allem eine offene Einstellung, die man mitbringen muss."
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