Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Wer bremst verdient

Versicherungstarife, die umsichtiges Fahren belohnen und verantwortungsloses Rasen bestrafen, tragen auf moderne Weise zur Vermeidung von Risiken bei. Sie setzen dabei auf Erziehung. Wir müssen acht geben, dass wir mündig bleiben.

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)

Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Die Autos sind der Deutschen liebstes Kind, sagt man. So wie viele Amerikaner sich nur dann frei fühlen, wenn sie eine Waffe tragen dürfen, fühlen sich viele von uns Deutschen durch ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen eingeengt. Diese Freiheit birgt Unfallrisiken. Dagegen muss und kann man sich zwar versichern, aber das ersetzt vorsichtiges Fahren nicht. Wer sich an die Verkehrsregeln hält, immer rechtzeitig bremst, materialschonend fährt und sein Auto vorschriftsmäßig warten lässt, ist ein vorbildbildlicher Autofahrer. Dazu kann man sich freiwillig erziehen lassen. Das muss nicht durch Fahrtrainings geschehen, sondern kann auch durch moderne KFZ-Versicherungen erfolgen. Man muss sich dazu eine eine sog. Telematikbox in sein Auto einbauen lassen. Die misst dann jeden gefahrenen Millimeter und sendet Daten über Position, Uhrzeit, Geschwindigkeit, Brems- und Beschleunigungsverhalten, Fahrtrichtung und eine Kennung des KFZ an die Versicherung. Diese ordnet die Informationen dann einem Fahrer zu, wertet dessen Fahrtverhalten nach einem bestimmten Schlüssel aus und bietet dazu einem maßgeschneiderten Tarif an. In dessen Berechnung fließen die Fahrweise – starkes beschleunigen oder bremsen und Häufigkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen ein. Wer viel nachts oder im Stadtverkehr fährt, bekommt Punktabzug, weil das gefährlicher ist. Kurz gesagt: Wer Gas gibt zahlt, wer bremst verdient.

Datendienste im Auto müssen vereinbart werden

Solche Dienste sind datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dem Fahrer genau mitgeteilt wird, welche Daten zu welchem vertraglichen Zweck erhoben werden und er in diese Datenverwendung einwilligt. Der Zweck kann etwa darin liegen, dass die Versicherung die Daten über das Fahrverhalten auswertet, um einen passgenauen Tarif zu errechnen, oder darin, dass die Fahrzeugdaten nach einem Diebstahl des Fahrzeugs an die Polizei weitergeleitet werden, oder dass etwa die Position des Fahrzeugs bei einem Unfall an einen Rettungsdienst übertragen wird.

Erziehung durch Technik

Versicherungstarife, die umsichtiges Fahren belohnen und verantwortungsloses Rasen bestrafen, tragen auf moderne Weise zur Vermeidung von Risiken bei. Sie können Fahrer, Mitfahrer Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer schützen. Sie haben einen erzieherischen Charakter, wie der "Drive like girl"-Tarif einer britischen Versicherung. Mädchen fahren vorsichtiger als Jungs und sind in Belangen des Straßenverkehrs Vorbilder. Da dieses Faktum statistisch belegt ist, wäre die Umerziehung vom Rowdy zum Girly verkehrspolitisch charmant sein und natürlich auch den Versicherungen zu Gute kommen. Auf der anderen Seite birgt eine Erziehung durch Computer zu "besserem" Verhalten auch Nachteile. Schon heute sind Kinder im Fokus von Spieleherstellen und werden in Dorfleben zu umsichtigen und fleißigen Bauern erzogen, die weder ihre Tiere noch ihre Nachbarn im Stich lassen. Solche Aufrufe schüren nicht nur die Gefahr von Spielsucht sondern können Kinder charakterlich beeinflussen. Das gilt übrigens auch für Erwachsene, die mit Hilfe von Gesundheits-Apps auf den Pfad der Tugend geführt werden sollen. Natürlich liegen die positiven Facetten der digitalen Verhaltensratgeber auf der Hand und je tiefer wir in der digitalen Welt versinken, desto mehr werden wir solche Ratgeber konsultieren und uns von Ihnen auswerten und kontrollieren lassen.

Man kann Verhalten auch negativ beeinflussen

So wie man Menschen positiv beeinflussen kann, kann man sie aber auch zu Fehlverhalten animieren. Das machen Bits nicht eigenmächtig sondern ihr Handeln wird immer von Menschen ins Werk gesetzt. Der Roman "Zero" von Marc Elsberg  beschreibt so einen Vorgang. Er beginnt mit dem Tod eines Teenagers, den eine Verhaltensapp von einem Angsthasen zu einem mutigen Hilfspolizisten erzogen hat, der eine Verbrecherjagd mit dem Leben bezahlt. Noch sind es Romane, die uns solche Horrorszenarien vor Augen führen, wie einst Orwells 1984. In ihnen ist allerdings von Technik die Rede, die es schon gibt.

Zur Person:

Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!).
www.medienrecht.fh-koeln.de

 

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