Applied Science Wer bin ich - und wenn ja, wie viele Dimensionen? Zur Messung der Markenpersönlichkeit

Eine präzise und valide Messung der Markenpersönlichkeit ist unerlässlich für die Entwicklung einer einzigartigen Markenidentität, der Schaffung emotionaler Bindungen zu Konsumierenden und die Ausrichtung der Markenstrategie. Aus welchen Dimensionen die Markenpersönlichkeit überhaupt besteht, wie man diese messen kann und was aktuelle Weiterentwicklungen an der klassischen Aaker-Skala anders machen, erklären uns Prof. Dr. Michael Fretschner und Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke in ihrer monatlichen Kolumne “Applied Science”.

Disneys Markenpersönlichkeit ist ein voller Erfolg. Mit ihren Charakteren wie Minnie, Mickie oder Goofey, ist Disney in fast jedem Haushalt vertreten. (Bild: picture alliance / © Bruce Coleman/Photoshot. | Mel Longhurst) 

Markenpersönlichkeit als Grundlage strategischer Markenführung

Apple ist innovativ und modern, einfach und benutzerfreundlich, doch dabei jederzeit lässig-stylish mit hochwertigem Design. Coca-Cola ist immer gut drauf, der Glücksbärchi unter den Marken. Nike ist nicht umsonst die Siegesgöttin der griechischen Mythologie, sportlich, leistungsstark und hoch motiviert. Dove ist eine ehrliche Haut, authentisch, selbst-reflektiert und selbstbewusst. Red Bull ist immer crazy drauf, total überdreht, aber eben voller Energie und Tatendrang. Harley-Davidson ist der Rebell unter den Marken, frei, abenteuerlustig und individuell. Airbnb ist da offener und gemeinschaftlicher, aber trotzdem nicht langweilig.

Ein richtiger Magier unter den Marken ist Disney, kreativ, voll Fantasie und für die ganze Familie.

Die Liste könnte man so noch eine Weile weiterführen. Eine präzise und valide Messung der Markenpersönlichkeit ist unerlässlich für die Entwicklung einer einzigartigen Markenidentität, die Schaffung emotionaler Bindungen zu Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Ausrichtung der Markenstrategie und die Bewertung von Brand Health und Brand Performance. Die Messung der Markenpersönlichkeit jedoch kann eine Herausforderung sein und Forschende haben verschiedene Methoden und Skalen entwickelt, um dieses Konstrukt richtig „einzufangen“.

Der Durchbruch zur Messung der Markenpersönlichkeit gelang 1997

Bis heute ist Jennifer Aaker’s „Dimensions of Brand Personality“ aus dem Jahre 1997 der meist-zitierte und auch in der Praxis meist-verwendete Fachartikel, wenn es um das Thema Markenpersönlichkeit und deren Messung geht. Auch dank ihr stehen Steuerung und Messung von Markenpersönlichkeit heute auf der Agenda eines fast jeden Brand Managers. In ihrem Paper schlägt Aaker eine Konzeptualisierung der Markenpersönlichkeit in fünf Kerndimensionen vor:

Aaker weist darauf hin, dass Marken auf jeder dieser Dimensionen bewertet werden können und dass die Kombination von Merkmalen, die mit jeder Dimension verbunden sind, eine einzigartige Markenpersönlichkeit schaffen kann.

Wichtig zu beachten ist, dass die relative Bedeutung der einzelnen Dimensionen je nach Branche, Produktkategorie und Zielgruppe variieren kann.

Die Messung selbst basiert im einfachsten Fall Fragebogen-gestützt auf standardisierten Likert-Skalen. Messinstrumente dazu finden sich mittlerweile bei vielen Marktforschungsdienstleistern. Die Original-Aaker-Skala fußte initial auf 114 Persönlichkeitseigenschaften, die schließlich auf 42 Items reduziert werden konnten.

Aktuelle Weiterentwicklungen

Seit dem ursprünglichen fünf-dimensionalen Modell von Aaker aus dem Jahr 1997 hat es mehrere Erweiterungen und Ergänzungen des Konstrukts der Markenpersönlichkeit gegeben. Einige Forschende haben zusätzliche Dimensionen vorgeschlagen, während andere die Universalität und Stabilität dieser Dimensionen über Kulturen und Kontexte hinweg in Frage gestellt haben. Sinnvoll erscheinen vor allem Adaptierungen je nach Zielmarkt oder Produktkategorie, siehe zum Beispiel die Arbeiten von Sung & Tinkham (2005) zur Messung der Markenpersönlichkeit in Korea vs. USA oder Sung et al. (2015) zur Persönlichkeitsmessung von Luxusmarken.

Andere Forschende haben zusätzliche Dimensionen wie "Hedonismus" (Genuss und Sinnesfreuden durch das Konsumieren einer Marke), "Mystik" (das Rätselhafte, Nicht-greifbare einer Marke) oder "Globalität" (beziehst sich auf die kulturelle und geografische Reichweite einer Marke) vorgeschlagen. Diese ergänzenden Dimensionen wurden jedoch nicht allgemein angenommen und sind möglicherweise auch nicht auf alle Marken und Kontexte anwendbar. Darüber hinaus haben weitere Forscher:innen Änderungen an den ursprünglichen Dimensionen vorgeschlagen, zum Beispiel die Aufteilung der Dimension "Erregung/Spannung" in zwei separate Dimensionen "Kreativität" und "Energie".

Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass keine dieser Erweiterungen und kein anderes Paper auch nur annährend die Popularität und Dissemination in Forschung und Praxis erreichen konnte wie die Originalskala von Aaker 1997.

Weitere Ansätze zur Messung der Markenpersönlichkeit

Fragebogen-gestützte Selbsteinschätzungen sind der mit Abstand am häufigsten verwendete Ansatz, um die Markenpersönlichkeit zu messen. Hierbei werden Konsumierende gebeten, eine vordefinierte Liste von Persönlichkeitsmerkmalen einer Marke per standardisierter Likert-Skala zuzuschreiben. Es gibt vereinzelt aber auch alternative Ansätze:

  • Bei Beobachterbewertungen werden Expertinnen oder geschulte Beobachter gebeten, die Persönlichkeitsmerkmale einer Marke zu beurteilen.
  • Bei visuellen Verfahren bewerten Sie die Persönlichkeit einer Marke anhand von Bildzuweisungen anstatt mit Adjektiven.
  • Und bei impliziten Messungen werden die unbewussten, automatischen, „schnellen“ Assoziationen von Verbraucherinnen und Verbraucher mit einer Marke und deren Persönlichkeitsmerkmalen mit Hilfe Impliziter Assoziationstests (IAT) gemessen.

Die wichtigsten Tipps zur validen Messung

Falls Sie jetzt entschieden haben, dass Sie sich künftig stärker dem Thema Messung der Markenpersönlichkeit annehmen wollen, haben wir abschließend folgende aus der Theorie abgeleitete Tipps für Sie:

  • First things first - Verwenden Sie ein zuverlässiges (reliables) und gültiges (valides) Messinstrument! Marktforschende und Brand Manager sollten nur Messinstrumente verwenden, die sich in früheren Studien als robust erwiesen haben.
  • Context is king - Stellen Sie den kulturellen Fit her! Das Messinstrument muss für den Zielmarkt und die jeweilige Sprache und Kultur geeignet sein. Dies kann die Anpassung bestehender Skalen oder die Entwicklung neuer Skalen für bestimmte Kulturen erfordern.
  • Know your audience - Berücksichtigen Sie die Quelle der Bewertungen! Selbsteinschätzungen sind häufig durch soziale Erwünschtheit verzerrt werden, während Bewertungen von externen Beobachtern durch Halo-Effekte beeinflusst werden können.
  • Mix your Methods – Ziehen Sie mehrere Informanten und Erhebungsmethoden zur Messung Ihrer Markenpersönlichkeit heran! Auch wenn der Marktstandard die „simple“ Verbraucher:innen-Befragung anzeigt, bedeutet das nicht, dass Sie diesem Beispiel folgten müssen oder sollten. Ein ausgewogener Mix an Verbrauchern, Expertinnen und Mitarbeitenden und Varianz in der Erhebungsmethode hilft, den sogennnten Common Method Bias zu reduzieren und dem „wahren Wert“ Ihrer Markenpersönlichkeit näher zu kommen. Schlußendlich gewinnen Sie so nicht nur ein umfassenderes Verständnis Ihrer Markenpersönlichkeit, sondern auch ein zutreffenderes.
  • Don’t compare apples to oranges – wenn Sie Ihre Markenpersönlichkeit mit denen Ihrer Marktbegleiter vergleichen wollen, sollten Sie ein faires und vernünftiges relevant set auswählen und die Positionierung der Marke berücksichtigen. Die Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer Luxusmarke assoziiert werden (sollten), können sich beispielsweise von denen unterscheiden, die mit einer umweltfreundlichen Marke assoziiert werden.

Wie schon Oscar Wilde sagte: „Wenn eine Persönlichkeit mich fesselt, wird jede Form des Ausdrucks an ihr zum Genuß.“ Auch wenn er das wahrscheinlich eher nicht im Kontext der Markenpersönlichkeit formuliert hat, so wünschen wir Ihnen in diesem Sinne eine gelungene und mit entsprechenden Messverfahren begleitete Persönlichkeitsentwicklung Ihrer Marke.

 

Über die Personen

Prof. Dr. Michael Fretschner ist Co-Gründer der smart impact GmbH und Professor für Marketing & E-Commerce an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.

Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke ist Co-Gründer der smart impact GmbH sowie Professor und Studiengangsleiter für E-Commerce an der Fachhochschule Wedel.

Diskutieren Sie mit!     

  1. Meinhard Schroeder am 03.04.2023
    Abgesehen von der problematischen Anthropomorphisierung und Ontologisierung „der“ Marke ist es fraglich, dass über endlosen Likert-Skalenbatterien, Bildattribution oder gar implizite Verfahren tatsächlich ein Mehrwert gegenüber simplen Abfragen geschaffen wird. Denn im Kern sind die Ergebnisse impliziter Verfahren mit den Ergebnissen klassischer Verfahren (insbesondere bei Verwendung simpler Attribuierung/ "kulturneutrale Skala") identisch. Es kommt immer auf die qualifizierte Auswahl der verwendeten „Begriffe“ an.

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