ÖVP-Korruptionsaffäre Welche Rolle spielen Demoskopen beim Rücktritt von Sebastian Kurz?

Da hatten der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Meinungsforscherin Sophie Karmasin noch gut lachen. (Bildquelle: picture alliance / HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com | HANS KLAUS TECHT)
Manipulierte Umfragen sollen dabei geholfen haben, dass Sebastian Kurz 2017 Bundeskanzler werden konnte. Kurz und Personen aus seinem Umfeld sollen lt. Wikipedia gefälschte Umfragen der Tageszeitung Österreich zugespielt und die Kosten dafür durch Scheinrechnungen dem Finanzministerium in Rechnung gestellt haben. Dies geht aus einer 104-seitigen „Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung“ hervor, die zehn Beschuldigte, darunter Sebastian Kurz, auflistet. In dieser Anordnung finden sich u.a. Chatprotokolle, in der zwei Meinungsforscherinnen aus Österreich, Sabine Beinschab und Sophie Karmasin genannt werden.
Der Vorwurf: Die Finanzierung von Umfragen aus Steuergeldern
Der Kreis um Sebastian Kurz soll – so die ermittelnde Behörde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – zwischen 2016 und 2018
„budgetäre Mittel des Finanzministeriums zur Finanzierung von ausschließlich parteipolitisch motivierten, mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens im Interesse einer politischen Partei und deren Spitzenfunktionär(en) verwendet“
haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Schaden 300.000 Euro übersteigt. Daraus ergäbe sich im Fall der Untreue ein Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft, im Fall von Amtsträgern bis zu fünfzehn Jahren.
Der Vorwurf manipulierter Umfragen
Laut dem Wiener Stadtportal Vienna.at soll das österreichische Meinungsforschungsinstitut Research Affairs im Mai und Juni 2017 in Umfragen höhere Werte für die Kurz-Partei ÖVP ausgewiesen haben. Das Institut soll u.a. zunächst vor dem Führungswechsel zu Kurz im Vergleich zu anderen Instituten bewusst niedrige Werte für die ÖVP ausgewiesen haben, um den Druck auf die damalige ÖVP-Führung zu erhöhen, und nach der Führungsübernahme durch Kurz deutlich höhere Werte .
Mittendrin in der Affäre: Sabine Beinschab und Sophie Karmasin

Sabine Beinschab
Der Name Karmasin wiederum taucht an vielen Stellen in der Markt- und Meinungsforschung Österreichs auf. Es gibt diverse Institute, an denen Miglieder der Karmasin-Familie direkt oder indirekt beteiligt sind. Am bekanntesten dürfte mittlerweile die in den Chat-Protokollen ebenfalls erwähnte Sophie Karmasin sein. Sie war von 2013 bis 2017 Bundesministerin für Familien und Jugend. Zuvor hatte sie bis 2013 die Geschäftsführung der Dr. Karmasin Marktforschung und von 2011 bis 2013 des österreichischen Gallup Instituts inne. Mit der Ernennung zur Ministerin legte sie diese Ämter ab. Aktuell ist Sophie Karmasin Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Karmasin Research&Identity GmbH.
Sophie Karmasin ist die Tochter von Helene und Fritz Karmasin. Die heute 85jährige Helene Karmasin gilt als „Grand Dame“ der qualitativen Marktforschung der Alpenrepublik. Sie ist gemeinsam mit ihrem 2013 verstorbenen Ehemann Fritz Karmasin Gründerin des Instituts für Motivforschung und des österreichischen Gallup Institutes. Fritz Karmasin ist auch einer der Gründungsväter des Verbands der Marktforscher Österreichs VMÖ, dessen aktueller Vorstand sich nicht öffentlich zu dem laufenden Verfahren äußern wollte.
Beteiligung an Research Affairs diskutiert
Im Rahmen der Anordnung zur Hausdurchsuchung finden sich lt. der Wiener Wochenzeitung Falter in den Chatprotokollen auch Passagen, die darauf hindeuten, dass zwei Vertraute von Sebastian Kurz darüber diskutierten, sich am Meinungsforschungsinstitut Research Affairs zu beteiligen, um so auch finanziell von den zugeschanzten Umfragen zu partizipieren. Dieser Deal scheint aber nicht zustande gekommen zu sein, da die BB Research Affairs GmbH noch immer zu 100 Prozent der Beinschab Business GmbH gehört, die lediglich Sabine Beinschab als Gesellschafterin nennt.
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