Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Welche Bedeutung hat der ROPO-Effekt eigentlich (noch)?

Das veränderte Kauf- und Mediennutzungsverhalten der vergangenen Jahre hat Begrifflichkeiten wie Research online, purchase offline, Web Rooming oder Show Rooming obsolet gemacht, stellt Kolumnist Prof. Lippold fest. Er beschreibt, welche Auswirkungen der Medienbruch im Kaufprozess und gewandelte Bedürfnisse der Kunden haben.

Früher informierten sich Kunden online über Produkte und kauften diese dann im stationären Handel. Heutzutage ist das genau andersherum. (Bild: picture alliance / Westend61 | Angel Santana Garcia)

Die Abkürzung ROPO steht ursprünglich für Research online, purchase offline. Das bedeutet so viel wie: Sich im Netz über ein Produkt informieren, den Kauf jedoch im stationären Handel tätigen. Wiegesagt ursprünglich, denn angesichts der Horrorvorstellung vieler Einzelhändler über leere Einkaufspassagen, Ladensterben und trostlose Innenstädte kam es sehr schnell zur Umdeutung des ROPO-Effekts, nämlich in: Research offline, purchase online. Das heißt, viele Online-Käufer informieren sich zunächst in einem Ladengeschäft und erfahren die Produkte haptisch, um dann später im Internet den Einkauf zu tätigen.

Im Kaufprozess halten sich beide Effekte die Waage

Übrigens gibt es den – ursprünglichen – ROPO-Effekt nicht nur im Einzelhandel. Auch in der Versicherungsbranche informiert sich die Mehrzahl der Versicherungskunden zunächst im Internet bevor sie schließlich offline den Vertrag bei einem Makler oder Vertreter unterzeichnet. Ob Kfz-Versicherung, Unfallversicherung oder Hausratversicherung: Kaum eine Versicherungspolice wird mittlerweile ohne vorherige Online-Recherche abgeschlossen.

Wie dann später die einschlägige Statistik gezeigt hat, halten sich beide Effekte nahezu die Waage (siehe Abbildung 1). Das heißt, ebenso viele Menschen informieren sich beim Kauf von Schuhen und Mode bevorzugt im Internet, um dann aber lieber im Laden zu kaufen. Bemerkenswert ist also, dass das Internet für die eine Hälfte der Konsumenten die erste Anlaufstelle (und nicht der Abschluss) im Kaufprozess darstellt. Bei der anderen Hälfte ist es genau umgekehrt: Hier lassen sich die Kunden im stationären Handel beraten und informieren, aber kaufen letztendlich online.

Abb. 1: Der ROPO-Effekt - in beide Richtungen interpretierbar

Da der ROPO-Effekt – wie oben gezeigt – in beide Richtungen interpretierbar und damit doppeldeutig ist, gibt es die Empfehlung, bei Research online, purchase offline (also ROPO 1) besser von Web Rooming und bei Research offline, purchase online (also ROPO 2) lieber von Show Rooming zu sprechen.

Doch ganz gleich ob ROPO 1 oder ROPO 2 beziehungsweise ob Web Rooming oder Show Rooming, das veränderte Kauf- und Mediennutzungsverhalten der letzten Jahre hat diese Begriffe längst obsolet gemacht. Warum?

Das Kaufverhalten vieler Kunden ist heutzutage dadurch geprägt, dass immer häufiger auch Smartphones während des Offline-Shoppings zum Einsatz kommen. Vor allem für Preisvergleiche wird kurz vor Ort das Handy herangezogen. Aber auch die Verfügbarkeit von Produkten und weiteren Größen in anderen Filialen oder Geschäften sowie deren Lokalisierung kann zum Teil bereits während des Offline-Einkaufs überprüft werden. Auf dieses Kaufverhalten haben sich zwischenzeitlich eine große Zahl von stationären Ladengeschäften eingestellt. So bieten sieben von zehn Geschäften im stationären Handel bereits WLAN, denn digitale Services helfen den Kunden auch in stationären Handel bei Entscheidungsprozessen (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: WLAN im stationären Handel

Durch die zügige Eroberung des Marktes durch Smartphones kommt es also immer häufiger zum sogenannten Medienbruch, dem Wechsel von online zu offline oder umgekehrt während des Entscheidungs- und Kaufprozesses. Dadurch erhält der ROPO-Effekt eine neue zeitliche Dimension, nämlich nicht mehr nur die Hintereinanderschaltung, sondern die Gleichzeitigkeit der Nutzung von Online- und Offline-Angeboten durch die Kunden.

Hinzu kommt aber noch ein weiterer Effekt:

Zwei Drittel aller Handelsunternehmen in Deutschland verkaufen ihre Produkte zwischenzeitlich sowohl stationär als auch online. 25 Prozent verkaufen ausschließlich stationär und sechs Prozent ausschließlich im Internet. Diejenigen Händler, die auch online verkaufen, erzielen damit erhebliche Umsätze. Das zeigt: Wer nicht online ist, verpasst nicht nur den Anschluss, sondern verzichtet auch auf zusätzliche Einnahmen. Die eigene Homepage ist quasi Pflicht (siehe Abbildung 3).

Veränderte Kundenbedürfnisse durch die Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert aber nicht nur die Handelslandschaft massiv, auch die Bedürfnisse der Verbraucher wandeln sich. Jeder kann mit seinem Smartphone einkaufen, was er will, wann er will und wo er will – und sich die Waren kostenlos nach Hause liefern lassen. Der Handel muss sich auf diese Bedürfnisse einstellen. Doch das gelingt noch nicht allen. Eine Mehrheit der Unternehmen sieht sich bei der Digitalisierung als Nachzügler. Allerdings zeigt sich: Je größer die Unternehmen sind, desto eher spielen sie bei der Digitalisierung vorne mit.

Abb. 3: Wie Händler online auf sich aufmerksam machen

Quellen: 
Bitkom (Hrsg.): E-Commerce und stationärer Handel: So digital shoppen die Deutschen, Bitkom-Studienbericht, Juli 2020
D. Lippold: Marktorientierte Unternehmensführung und Digitalisierung. Management im digitalen Wandel, 2. Aufl., Berlin-Boston 2021

 

Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

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