Chen Yiming, GIM China WeChat: Motor für digitales Business und Marken in China
Boost für digitales Business in China
Im vergangenen Jahr wurde über WeChat ein Daten-Volumen im Wert von knapp 160 Mrd. Renminbi (ca. 21 Mrd. Euro) konsumiert (Quelle: Data Report WeChat 2016). Das entspricht einer Steigerung um 26 Prozentpunkte gegenüber 2015. Enorm profitiert von der hohen Verbreitung und geradezu exzessiven Nutzung von WeChat, haben dabei vor allem die drei großen chinesischen Telekommunikations-Anbieter China Telecom, China Mobile und China Unicom. Zu den Gewinnern gehören aber auch Software-Anbieter. In den vergangenen Jahren hat WeChat seinen Usern sehr erfolgreich beigebracht, für Online-Inhalte zu zahlen. War es bis vor einigen Jahren noch verbreitet, intellektuelles Eigentum wie Musik, Bücher oder Software aus dem Netz illegal herunterzuladen, so wird inzwischen all dies und vieles mehr (Emojis, Spiele, Informationsdienste etc.) auf der WeChat-Plattform gekauft.
Um nur ein kleines Beispiel aus dem Bereich der bei uns in China sehr beliebten Emojis zu geben: Im Emoji Menü gibt es einen "+"-Button. Klickt man auf den, landet man auf einer Seite mit dutzenden Emoji-Editionen von verschiedensten Künstlern. Konnten User diese kürzlich noch kostenlos downloaden, wird heute dazu aufgerufen, die intellektuelle Leistung des Künstlers mit einem selbst gewählten Geldbetrag zu honorieren. Diese "Honorar-Funktion" auf freiwilliger Basis gibt es auch bei den Posts im Bereich der "WeChat Momente" – das ist die Message-Funktion von WeChat. Für einen Post mit mehr als 100.000 Klicks bekommt man von den Lesern schon mal ein Honorar von bis zu 2.000 Renminbi (ca. 260 Euro). Das ist kein kleiner Betrag für einen Social-Media-Autor und durchaus ein Incentive, um Posts mit Inhalt und Relevanz zu produzieren.
Zentrales Interface für traditionelle Branchen
WeChat befeuert aber nicht nur neue Formen des Online-Business, sondern es pusht auch die traditionelle Offline-Wirtschaft. WeChat-User tätigten 2016 Käufe und Buchungen im Wert von 273 Milliarden Renminbi (ca. 35 Mrd. Euro, Quelle: Data Report WeChat 2016). Am meisten profitierten dabei die Branchen Kino, Catering, Unterhaltung sowie Hotel- und Reisebuchungen. Dass all das so häufig über WeChat gebucht und gekauft wird, hat damit zu tun, dass WeChat das sogenannte "WeChat Mini Program" integriert hat: Ein Sub-Portal, auf dem jeder Anbieter mit einem Interface präsent sein kann. Man muss also keine extra App installieren oder das Portal wechseln, um etwas zu kaufen, zu buchen oder zu bestellen, sondern man kann dies direkt aus dem WeChat-Portal heraus.

Um ein aktuelles Beispiel dafür zu nennen, welche Bedeutung die WeChat-Präsenz für Firmen haben kann: Ende März 2017 hat MoBike, der führende Fahrrad-Verleiher Chinas, ein Interface auf WeChat eingerichtet. Im ersten Monat haben sich bei MoBike bereits 24 Millionen Nutzer neu registriert – die Nutzerzahl wurde verdoppelt. Um Online- und Offline-Ökonomie zu verzahnen, ist "WeChat Pay" das ideale Tool: Der bargeldlose Bezahldienst von WeChat erlaubt es Anbietern, mit Privatkunden direkt über WeChat abzurechnen und ihnen damit ein Höchstmaß an Convenience zu bieten. Diese direkten Zahlungsfunktionen sind in China sehr beliebt. Eine Zahl, die dies verdeutlich: Im Dezember 2016 nutzten von den seinerzeit aktiven 890 Millionen WeChat-Usern etwa 600 Millionen WeChatPay (Quelle: Data Report WeChat 2016).
Unverzichtbar für Markenkommunikation in China: "WeChat first"
Wie bereits in anderen Blog-Beiträgen erwähnt, sind inzwischen gerade die kaufkräftigen chinesischen Konsumenten sehr global orientiert und erwarten hochwertige Produkte und Dienstleistungen. Marken, die dem Wettbewerb standhalten wollen, müssen im heutigen China einiges bieten: Innovation, Uniqueness und Nutzen, und das auf zwei Ebenen: sowohl bei der kommunizierten Message als auch bei den Touchpoints, über die kommuniziert wird. Und auch hier spielt WeChat eine zentrale Rolle. Der Dienst integriert inzwischen über zehn Millionen sogenannter öffentlicher Seiten. Das sind Firmen- oder Markenseiten, wie sie auch von facebook bekannt sind. Man kann sie als User abonnieren und verschiedenste Dienste darüber erhalten. Wie relevant sie inzwischen sind, drückt ein geflügeltes Wort der Marketingwelt Chinas aus: "Entering the Chinese market? Forget a website, it's WeChat first!". Um nur eines von vielen Beispielen zu nennen: Die WeChat-Seite von BMW bietet als Service-Account mehr Kontakt-Möglichkeiten als die chinesische Coporate Website von BMW. In der Dialog-Box gibt es verschiedene Funktionen: einen Finanzkalkulator, einen Gebrauchtwagen-Tausch und Testfahrtenplanung. Zudem schickt der Service-Account regelmäßig Push-Meldungen zu den Abonnenten. Auf diesem Wege erreichen relevante Infos zur Marke oder einzelnen Modellen oder Events potenzielle und existierende Endkunden.

Aus Unternehmensperspektive ist der eigene WeChat-Account zudem das Tor zu einem Meer von Konsumenten-Daten und somit eine perfekte Quelle für Big-Data-Analysen, da WeChat hier (noch) weniger restriktiv ist als facebook. Auch haben chinesische Verbraucher weniger Bedenken bezüglich Datenschutz und Online-Sicherheit. Beides zentrale Gründe dafür, warum all die Angebote von WeChat so intensiv – aus westlicher Sicht vielleicht bedenkenlos – genutzt werden. In einem unserer nächsten Blogs werden wir noch genauer auf das Thema Big Data in China eingehen.
Mit WeChat in eine neue individualisierte Werbe-Ära
Wie schon häufiger festgestellt: Chinesische Konsumenten werden zunehmend individualisierter und anspruchsvoller. Insbesondere unter jungen modernen Chinesen ist man sich sogar einig, dass es heute nicht mehr nur um individuelle Produkte geht, sondern auch um individuelle Kundenansprache. WeChat reagierte bereits 2015 auf diesen Trend und launchte seine Social-Media-Platform "WeChat Moment", auf der ein erster Schub individualisierte Werbung von Coca-Cola, BMW und Vivo (eine chinesische Smartphone Marke) veröffentlicht wurde.
Das Prinzip ist simpel: Basierend auf einem Algorithmus, der individuelle Daten berücksichtigt, erhalten Konsumenten Werbung in ihren WeChat-Newsfeed. Zentrales Kriterium ist dabei die Kaufkraft oder der ökonomische Wert eines Users. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich also zum Beispiel heraus, dass solvente Konsumenten BMW-Werbung zugespielt bekamen, während Vivo-Werbung an die Mittelklasse gehen sollte. Und wer Coca-Cola-Werbung bekommt, ist ein "Loser". Seither macht sich die WeChat-Community einen Spaß daraus, Screenshots von der an sie geschickten Werbung zu posten.

Neben dem Spaßfaktor schätzen die WeChat-User aber auch den konsumbezogenen Nutzen der Werbe-Feeds: die individuellen Werbeeinblendungen im Newsfeed haben zum einen den Look & Feel wie Nachrichten aus dem Freundeskreis. Zudem schafft es der Algorithmus nicht selten, auf Basis der Infos über individuelle Demografie, Browse-Verhalten und WeChat-Nutzungsroutinen, dass Werbung passgenau (Anlass, Timing) eingespielt wird.
Nicht umsonst haben sich im Laufe des vergangenen Jahres immer mehr Big Player unter den Marken in diese Form der Werbung eingeklinkt. Ganz vorne dabei: Automarken (Porsche, BMW, Mercedes-Benz, Mini, Jaguar, Cadillac) aber auch Brands aus vielen anderen Branchen (Dior, Nike, Levi’s, Armani Beauty, Lancôme, Dell, Samsung, Airbnb, Starbucks, Pepsi). Sichtbare Effekte gibt es auch: So hat etwa Armani Beauty kürzlich Lippenstifte über den WeChat-Newsfeed gezielt beworben und innerhalb von zwei Tagen 1.000 Stück dieser Luxus-Lipsticks online verkauft. Die finanziellen Hürden für Unternehmen sind indes hoch: Die Platzierung einer einzigen Werbung in bestimmten Newsfeeds kostet mindestens 50.000 Renminbi (6.500 Euro) und kann – je nach Stadt, Art der Werbung und Höhe der Impressions – bis zu 180.000 Renminbi (23.000 Euro) kosten. Und, sehr wichtig: Die Kreation muss für diesen Kanal natürlich auch extraordinär sein – sprich: erkennbar teuer in der Herstellung – egal ob es eine statische Anzeige oder ein Video ist.
Quellen:
http://blog.wechat.com/2016/12/29/the-2016-wechat-data-report/
http://mt.sohu.com/20170417/n489008701.shtml
WeChat Social and Economy Influence Study in 2016, China academy of information communication
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