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Was sonst noch war: Medienvielfalt, Datenhygiene, geplante Obsoleszenz
In unserer Kolumne "Was sonst noch war" wollen wir Ihnen ans Herz legen, was die anderen schreiben. Denn manches gerät aus dem Blick – wir fangen es wieder ein mit unserer Presseschau.
Wie misst man die Binnenvielfalt von Medienmärkten? An dieser Frage versucht sich seit Mitte 2012 die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) und hat nun die zweite Ausgabe ihres "MedienVielfaltsMonitors" herausgegeben. Die Frage ist durchaus brisant und wird im Kontext von Fusionsbeurteilungen auch schon mal vor Gericht ausgetragen. Unter anderem deshalb scheiterte 2006 die Axel Springer AG mit der Übernahme von ProSiebenSat.1.
Dass die Frage von Vielfalt auch die Frage nach der Meinungsacht einzelner Medienkonzerne nach sich zieht, erscheint nur logisch. Und dass das Ganze etwas mit Auflagen und Reichweiten zu tun haben muss - na sicher! Aber, liebe BLM, ich habe da so meine Zweifel an eurer Methodik. Schauen Sie sich das Methodenvideo doch einfach mal an und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Ich stelle mir beispielsweise die Frage, weshalb zwar die Deutsche Telekom, nicht aber Google oder Facebook in dem Ranking erscheinen.
Medienmärkte sind Werbemärkte. Von den Konflikten zwischen Werbeträgern und Werbewirtschaft war an dieser Stelle bereits häufig die Rede. Nun legt der Marketingmanager Walter Litterscheidt in einem bemerkenswerten Interview mit dem Magazin "DWDL" nach. Er bescheinigt dem Fernsehen eine kontraproduktive Klumpenbildung bei der Zielgruppe: "Für Kampagnen, deren strategisches Ziel eine Optimierung der Nettoreichweite ist, sinkt der Stellenwert, und zwar dramatisch."
Auch in anderen Gattungen greift die Revolution um sich. Lidl und Aldi wollen unabhängiger von Papiermedien werden und entwerfen neue Strategien, um die Kunden zu erreichen. Bereits seit Jahren macht den Verlagen diese Entwicklung zu schaffen, nun erreicht sie einen kritischen Punkt, wie Kim Runge von "Zeit Online" berichtet. Die Hintergründe dieses Discounter-Trends hat zuvor bereits Peer Schader in seinem "Supermarktblog" beleuchtet.
Vielleicht kennen Sie das: Die Korrelationen sind spektakulär, die Charts hochbrisant. Trends an allen Ecken und Enden - sicher wird das den Kunden freuen. Bis Ihnen auffällt, dass mit den Rohdaten etwas nicht stimmt. Um nachträgliche Nachtschichten und Schweißausbrüche von vornherein zu vermeiden, sollten daher Rohdaten immer im Detail auf Schlüssigkeit, Vollständigkeit und Fallstricke geprüft werden. Wie das geht, zeigen die investigativen Datenanalytiker des amerikanischen Projekts "Pro Publica" in einer Checkliste. Auch für Marktforscher äußerst praktisch!
Datenhygiene ist zwar wichtig, doch ohne innovative Ansätze in der Forschung lässt sich damit kein Blumentopf gewinnen. Auch hier kann der Datenjournalismus durchaus inspirierend wirken. Lorenz Matzat listet in einer Bestandsaufnahme auf, welche Datenprojekte in jüngster Zeit für Aufsehen gesorgt haben. Ein Blick auf diese Zusammenstellung lohnt sich in jedem Fall.
"Spiegel Online" hat sich mit dem Marktforschungsvirus infiziert und wird zum chronischen Patienten. In dieser Woche veröffentlichten die Hamburger Online-Journalisten eine ulkige Spurensuche aus dem rheinland-pfälzischen Kosumlabor namens Haßloch. Doch hier geht es diesmal nicht um Konsum, sondern um Wahlforschung: "Greift der Wähler wieder zum Hausmittel Merkel? Probiert er mal den Steinbrück mit neuer Verpackung? Oder gefällt ihm gar eine Innovation wie die Alternative für Deutschland? Als Profishopper müssten die Haßlocher solche Fragen beantworten können."
Apropos Spurensuche: Auch das hier müssen Sie lesen - Allensbach hat den Spießer in der deutschen jungen Generation ab 30 entdeckt. Vollkaskoversicherung und Nebenkostenabrechnungen scheinen der Mittelschicht wichtiger als Selbstverwirklichung, hat die "Süddeutsche Zeitung" in diese Studie hineininterpretiert und dazu auch Renate Köcher befragt. "Gut 60 Prozent der Befragten geben an, ihnen sei am liebsten, wenn der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau sich überwiegend um die Kinder kümmert." Langsam verstehe ich, warum Rot-Grün in Deutschland in sehr weite Ferne gerückt ist.
Geplante Obsoleszenz ist für Produkte in etwa das, was für den Menschen die biologische Uhr ist. Die "Stiftung Warentest" ist der Frage nachgegangen, ob Alltagsgegenstände tatsächlich von den Herstellern mit einem künstlichen Verfallsdatum ausgestattet werden. Den kompletten Bericht gibt es auf der Website der Organisation zu kaufen, "Spiegel Online" beleuchtet wesentliche Ergebnisse in einer Zusammenfassung.
Neulich erlebt: Ich stehe in der Straßenbahn, sie schwankt hin und her. Ich möchte eine Anschlussverbindung herausfinden und habe nur noch wenige Minuten Zeit. Mit Mühe öffne ich den Browser und tippe mit meinen Wurstfinger ein Suchwort ein. Ich lande auf einer Auskunftsseite der lokalen Stadtwerke. Hier endet meine Reise: Die Seite ist nicht für Mobilgeräte optimiert. Ich versuche mit zwei Händen, an die Eingabefelder heranzuzoomen. Ich scheitere und bin verzweifelt. In etwa so füht es sich an, wenn Websites nicht für Handys geplant wurden. Dass es vielen Kunden so geht, haben der Digitalwirtschaftsverband, Google und TNS Infratest in einer gemeinsamen Studie herausgefunden. Eine Zusammenfassung liefert "Mobilszene.de", das komplette PDF gibt es ebenfalls als Download. Aus Anbietersicht sind die Erkenntnisse durchaus alarmierend, denn viele Websites verfügen längst über eine Mehrheit von Mobilnutzern. Darunter zum Beispiel die BBC in Großbritannien.
Wenn das Handy allerdings zu sehr im Mittelpunkt steht, leidet die Lebensqualität. Ein bewegender YouTube-Clip von Charlene deGuzman und Miles Crawford wirkt wie ein Hilferuf, den inzwischen mehr als 14 Millionen Zuschauer empfangen haben. "Disconnect to connect", hat ein Nutzer unter das Video gepostet.
Ein schönes Wochenende wünscht
Nils Glück, marktforschung.de
Übrigens: Meistgeklickter Link von letzter Woche war der Selbsttest für Marktforscher von "Greenbook".
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