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Kolumne von Oliver W. Schwarzmann Was kommt nach dem Preis? oder: Warum den Kunden nichts mehr vom Hocker reißt
Falsch verstandener Wettbewerb
Wettbewerb ist ein Machtinstrument. Nicht für Unternehmen. Sondern für Kunden. Erst Konkurrenz ermöglicht es Käufern, Unternehmen gegeneinander auszuspielen. Und sie ist es, die Firmen überhaupt erst aus der Reserve lockt. Etwa für Innovation. Und dabei geht es nicht um den Reiz wahren Fortschritts – die Neuerung reicht immer nur soweit, um sich dem gerade akuten Wettbewerbsdruck anzupassen. Das scheinbar vollendete Produkt ist stets nur dessen aktuell vermarktbare Zwischenstufe. Evolution eben. Ein Begriff aus der Natur, die ohnehin als Metapher-Lieferantin für vieles herhalten muss. So auch für den Wettbewerb, mit Weisheiten, wie „der Große frisst den Kleinen“, „der Schnelle den Langsamen“, und so weiter. Derweil ist die Evolution durchaus revolutionär angelegt, Entwicklungen im Kosmos verlaufen sprunghaft. Und der natürliche Wettbewerb setzt vielmehr auf Vielfalt, Kreativität, Austausch und Kooperation, denn auf Rivalität und Auslese. Eindrucksvoll belegt durch neueste Beobachtungen und ein verbessertes Verständnis für alles Lebendige. Will man sich also die Natur als Vorbild nehmen – was wünschenswert ist – müssen wir uns zuerst von überholten Wahrheiten verabschieden.
Dazu gehört auch unser herkömmliches Konkurrenzdenken, das ganz woanders hinführt, als ein natürliches. Letztlich kommt es zu zwei zentralen Entwicklungen: Preissenkung und Nachahmung. Letzteres ist bekannt als „Benchmarking“ und bezeichnet das Schielen auf das Verhalten der anderen. Im Glauben, der Vergleich führe zu Wettbewerbsvorteilen. Freilich, auch in der Natur gibt es Imitation; wirklich durchsetzen können sich aber nur jene, die daraus neue Fertigkeiten zu entwickeln verstehen. Heißt doch umgekehrt: Wer sich mit anderen vergleicht, wird nie besser sein, als sie. Denn nur wer auf eigene und einzigartige Stärken baut, wird Herkömmliches überwinden und Ungewöhnliches hervorbringen können – und damit den Wettbewerb gewinnen.
Zum anderen folgt dem Vergleich ein Ergebnis, das uns täglich begegnet, in Form zunehmend gleicher Produkte. Was für den Kunden schlichtweg bedeutet: vergleichbare Produkte = austauschbare Produkte = beliebige Produkte. Die uns schnurstracks zum zweiten Resultat des Wettbewerbs geleiten: zum (ungeliebten) Preiskampf. Doch der Preis ist im Meer ununterscheidbarer Produkte für den Kunden nun mal das offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal. Von den leider viel zu seltenen Marken-Mythen und Legenden abgesehen. Unternehmen scheinen das genauso zu betrachten, anders sind die (teilweise absurden) Rabattschlachten nicht zu erklären. Preissenkungen bringen aber nur kurzfristige Absatzvorteile, denn der Kunde erwartet trotzdem hohe Qualität und Innovation, was die Firmen in ein Kostendilemma stürzt.
Der Kunde ist ein Produkt des Unternehmens
Unternehmen haben immer die Kunden, die sie sich selbst schaffen. Beziehungsweise die sie erziehen. Und da sie den Kunden eigentlich nur eines lehren, nämlich dass es doch stets immer billiger, immer schneller und immer besser geht, darf man ihnen auch nicht böse sein, wenn sie diesen Anspruch auch permanent erheben. „Geiz ist geil“, muss man sich da in Erinnerung rufen, war eine Erfindung des Marketings, nicht des Marktes. In dieser Spirale ist der Kunde zum Zyniker geworden. Unschuldig, denn wirft man Menschen ständig immer bessere Produkte immer günstiger hinterher, gehen zwangsläufig Wertschätzung und Respekt verloren. Ergo: Der Kunde hat den Glauben an den Preis als Ausdruck eines Wertes verloren. Preise und Rabatte sind daher eigentlich völlig sinnlos und aus meiner Sicht nur noch Relikte eines antiquierten Absatzverständnisses. An dem Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, beharrlich festhalten. Was eine simple Prognose nach sich zieht: Die Preise werden in vielen Märkten bei steigenden Qualitäts-, Innovations- und Verfügbarkeitsansprüchen schlicht weiter sinken.
Nicht nur das: Auch was die Versprechen der Unternehmen angeht, ist der Kunde (teils zu Recht) zum ungläubigen Thomas geworden. Bestes Beispiel: Die Werbung, die die Vorteile eines Produktes ja bestmöglich herausstellen soll. Während sie nach wie vor paradiesische Zustände beschwört, kennt der Kunde seinen Alltag. Und weiß, dass kein noch so märchenhaftes Produkt ihn daraus zu entführen vermag. Der Kunde hat gelernt, zwischen Verheißung und Realität zu unterscheiden. Die Folge: Nichts reißt ihn mehr (wirklich) vom Hocker. Zweite Folge: Unternehmen werden in Zukunft noch viel mehr aufbieten müssen, um etwas verkaufen zu können. Außer, ja – außer sie hören auf, sich über den Preis zu definieren.
Wenn schon Kundenorientierung, dann richtig
Aber lieber Herr Schwarzmann, höre ich da meine Kritiker sagen, der Markt fordert den günstigsten Preis. Dagegen kann man nichts tun. Das ist die Entwicklung. So oder so ähnlich höre ich das dauernd auf Tagungen. Nun, abgesehen davon, dass wir heute den Kunden haben, den wir als Unternehmen offensichtlich haben wollten und dass das mit der Entwicklung stimmt, gibt es, so glaube ich, noch einen anderen Weg, dem Preiskampf aus dem Weg zu gehen.
Zunächst muss man sich vom Wettbewerb verabschieden. Nur wer vergleichbar ist, befindet sich da mittendrin.
Also gilt es die Frage zu beantworten: Was macht mich einzigartig?
Auf diese bekomme ich meist skurrile Antworten; andauernd erklärt man mir, wie man es eben nicht wie der Wettbewerb macht. Nicht aber, wie man es denn anders, eigenständig und einzigartig tut. Die Konkurrenz ist stets der Bezugspunkt, nie aber der Kunde. Natürlich – vordergründig schon, man ist ja durch und durch kundenorientiert. Doch Kundenorientierung ist eine Beleidigung, nichts weiter. Sich nur an denjenigen orientieren zu wollen, von denen man leben möchte, naja. Und: Ich habe auch nicht geheiratet, weil ich frauenorientiert bin. Sondern der Beziehung wegen. Kundenorientierung bedeutet nicht, dem Kunden hinterherzulaufen, um ihm immer billiger irgendwelche zuvor suggerierten Wünsche erfüllen zu wollen. Das funktioniert auch nicht bei Beziehungen. Zumindest nicht lange.
Kundenorientierung ist zunächst Mitarbeiterorientierung. Nur fröhliche Mitarbeiter ziehen fröhliche Kunden an. Der Mitarbeiter ist der Botschafter, er repräsentiert die Haltung des Unternehmens.
Und es machen immer noch Menschen mit Menschen Geschäfte. Also muss das Unternehmen nicht als (meist kühle) Institution, sondern als sympathische Gesamtpersönlichkeit auftreten.
Kundenorientierung erfüllt sich auch in Wertschätzung und Anerkennung. Dem Mitarbeiter, wie gesagt, und auch dem Kunden gegenüber. Weder Mitarbeiter noch Kunden sind Umsatzstatisten.
Aus Wertschätzung und Anerkennung, die vom Mitarbeiter wie auch vom Kunden (in den meisten Fällen) zurückkommen, entwickelt sich bei beiden ein anderes Preisverständnis. Der Mitarbeiter verkauft und der Kunde bezahlt den Wert einer Ware oder Leistung, nicht ihren Preis.
Und das tun beide mit Wonne, wenn sie die Ware oder Leistung privilegiert. Fasziniert. Besonders macht.
Alles andere wird sich nur noch über den Preis verkaufen.
Und vor allem den Kunden bald nicht mehr interessieren.
Von Oliver W. Schwarzmann
© Oliver W. Schwarzmann, Bley und Schwarzmann AG, 2015
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