Kolumne von Rochus Winkler Was die Generation Z der Generation Y voraus hat
Jede Generation erschließt sich die Lebens- und Konsumwelt auf ihre eigene Art. Mit dem sich beschleunigenden technischen und gesellschaftlichen Wandel werden auch die Abstände zwischen sich klar voneinander unterscheidenden Konsumgenerationen kürzer. Der Abstand von Generation Y (die heute 25- bis 35-Jährigen) zu Generation Z (die heute 15- bis 25-Jährigen) beträgt nur zehn Jahre – und schon haben sich die Kategorien, die die Lebenserfahrungen und Zukunftserwartungen bestimmen, bereits gedreht.
Die Gen Z hat die vor-digitale Welt nicht mehr erlebt
Die zentralen Errungenschaften des digitalen Lifestyles kann man in ein paar Grundzügen charakterisieren: Im Alltag 2.0 sind alle Organisationszüge digital erleichtert – für jede Lebenssituation und für jedes Alltagsproblem findet sich ein App, und sei es Pizza mit Lieferando zu bestellen. Das soziale Leben geht in der Virtual Community auf, die einen mit Facebook, Whatsapp, Instagram und anderen 24/7 begleitet. Die digitale Alltagsrevolution bringt aber auch die Kehrseite mit sich und frisst ihre Kinder auf. Dauerokkupierte Gamer oder Menschen, die ein Ersatzleben in den Social Media leben, sind Beispiele dafür.
Was macht nun den zentralen Unterschied zwischen Gen Y und Gen Z aus? Die Alterskohorte der Generation Y waren die Frontrunner. Sie hat sich den digitalen Lifestyle erstmals erschlossen. Dabei war vieles immer wieder ganz neu und noch unerprobt. Nachdem man zunächst noch auf StudiVZ war, kam Facebook mit der Möglichkeit, sich noch internationaler zu vernetzen, dazu. Für die Gesamtentwicklung war die Generation Y auch so etwas wie eine Leit- und Transformationsgeneration. Die eigenen Eltern haben sich von ihren "Gen Y"-Kindern erklären lassen oder abgeguckt, wofür das ganze Chatten und Appen gut ist. Und als dann auch die Oma noch Geburtstagswünsche über ihr neues iPad geschickt hat, war irgendwann der digitale Erziehungsauftrag der Gen Y erfüllt. Immer blieb aber auch ein Stück weit das Selbstgefühl, im Aufbruch zu sein, sich neue multioptionale Welten zu erschließen – auch bis hin zum Leiden am Möglichkeitsüberschuss.
Für die Generation Z ist die digitale Welt der Naturzustand. Die heute 17-Jährigen haben oft mit fünf Jahren ihre ersten Skype-Videocalls geführt und mit zehn mobil im Internet gesurft. Der digitale Lifestyle war immer schon da, und wurde als natürliche Ordnung erlebt. Die Freiheiten der Mobilität, des Internets und anderem sind für die Generation Z immer bereits als Selbstverständlichkeit vorhanden gewesen, und mussten nicht erkämpft werden – so wie das die Gen Y noch erlebt hat.
Souveräne Abgrenzung vom digitalen und Work-Overload
Diese andere Perspektive geht auch mit einem veränderten Lebensgefühl einher:
Während sich die Generation Y in einer Aufbruchsbewegung erlebt – auf zu neuen Ufern, möglichst vieles ausprobieren, sich möglichst vieles gleichzeitig erschließen – setzt sich die Generation Z viel weniger unter Druck. Sie kann sich viel besser um ihre individuellen Wünsche kümmern, ihren Platz in der Welt einrichten und sich auch gegen zu viel Arbeit oder Stress abgrenzen. Sich total für die Karriere einspannen zu lassen, und dabei jede Balance zu verlieren wie die 90er-Jahre geprägten Karrieretypen, die sich von ihren Smartphones rumkommandieren lasen, ist eher ein Schreckbild. Selbstbestimmung und Eigenbeteiligung sind in dieser Generation starke Werte. Man schaut, was einem zweckmäßig erscheint. Man möchte seinen eigenen Vorstellungen nachgehen, Job und privat nicht unbedingt vermischen und somit die persönliche Lebensqualität steigern. Sind die materiellen Bedürfnisse gestillt, und fühlt man sich in den sozialen physischen oder digitalen Netzwerken gut aufgehoben, dann fühlt sich die Generation Z sicher, stark und unabhängig genug, um dem digitalen und dem Work-Overload ihr Stück geordnete Welt abzutrotzen.
Statt oberflächliches Ausprobieren Potenziale wirklich umsetzen
In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Unterschied zwischen Gen Y und Gen Z interessant: Während die Gen Y eher zu einem unruhigen Ausprobieren und Antesten geneigt hat – Stichworte: Multioptionalität, Schwelgen im Möglichkeitsüberschuss und dem Zauber der Anfänge – zeigt die Generation Z eine Orientierung zu kompletten und abgeschlossenen Werken. Diese Werke müssen nicht groß und visionär sein – Hauptsache sie lassen spüren, dass man Dinge kann und auch zu Ende führt. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Für die Generation Y ist es eher typisch, sich in vielen Szenen zu vernetzen, verschiedene berufliche, private, intime und Buddy-Netzwerke parallel zu unterhalten. Das aber auf Kosten wirklich intensiver Involvierung. Man vernetzt sich, testet an, probiert aus, aber eher an der Oberfläche.
Die Generation Z ist dagegen eher daran interessiert, das eigene Potenzial, das auch stark mit sozialen beziehungsweise digitalen Medien verknüpft ist, auszuschöpfen und in echten Umsatz zu bringen. Dabei werden keine übertriebenen Ziele verfolgt, sondern man gibt sich realistisch. Gerne werden „Skills" in Computer-Spielen, selbst gedrehte Videos oder optimierte Fotos diskutiert, bewertet und etwa bei YouTube oder Snapchat zur Schau gestellt. Das "Darstellerische" ist Ergebnis eines schöpferischen Aktes und wird gefeiert. Der Wunsch nach Ansehen und Wertschätzung reift. In Studien zum Cliquenverhalten dieser Generation beobachten wir das Phänomen, dass nicht nur Fotos/Selfies geschossen werden, sondern dass komplette Videos entwickelt werden, Fotos verändert und quasi professionell weiterentwickelt werden. Tagelang können dabei auch einzelne Szenen auf Spielplätzen nachgespielt werden: ob Star Wars, Schaukel-Weitspringen, coole Musikvideos oder mutige Kampfszenen, selbst erdachte Komödien.
Forscherischer Hintergrund der Beobachtungen:
Das Team von concept m beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit den Veränderungen des Lebensgefühls und der Lifestyle-Konzepte der unterschiedlichen Generationen. In nationalen und internationalen Konsumstudien, aber vor allem in spezifischen Initiativstudien zu Gen Y, Best-Agern, digitalen Medien etc. erforschen wir in ethnografischen Tiefeninterviews die kulturpsychologischen Treiber des gesellschaftlichen Wandels. Die hier dargestellten Beobachtungen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, mögen den Leser jedoch dazu inspirieren, auf die Generationen Y und Z mit anderen Augen zu blicken.

- Seit 1999 in der Morphologischen Markt- und Medienwirkungsforschung sowie der strategischen Beratung tätig
- Gründer von concept m (2008)
- Lehrauftrag an der Hochschule Fresenius unter anderem zu "Marketing" und "Pharma Ökonomie" (2014)
- Arbeitsschwerpunkte: nationale und internationale Forschung in diversen Branchen, z.B. FMCG, Food & Beverages, Dienstleistungen, Medien, Telekommunikation, Energie, Mode, Electronics, Handel, Pharma, B2B, kulturpsychologische Fragestellungen
- Vortragsreferent bei Branchenkongressen und Marketing-Fachtagungen und Gastdozent an Hochschulen
- Grundlagenforschungen und zahlreiche Publikationen zur Markt-, Medien- und Kulturpsychologie in Fachzeitschriften
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