- marktforschung.de
- Marktforschung
- Was darf’s denn künftig sein? Was können uns Konsumtrends über die Zukunft verraten?
Was darf’s denn künftig sein? Was können uns Konsumtrends über die Zukunft verraten?

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist
Von Oliver W. Schwarzmann
Wäre unsere Wirtschaftswelt eine Persönlichkeit, wäre sie tief gespalten.
Denn trotz der Schulden- und Eurokrise zeigt sich die deutsche Konjunktur in guter Verfassung und auch die Konsumenten sind nach wie vor bei guter Laune.
Freilich, früher oder später werden die schlechten Schlagzeilen auch dem größten Optimisten aufs Gemüt schlagen, aber es ist schon bemerkenswert, dass sich Real- und Finanzwirtschaft derart unterschiedlich entwickeln. Ein Szenario, das sich uns in Zukunft öfters bieten wird. Aufgrund der zunehmenden Dynamik und Komplexität in unserem Wirtschaftsgeschehen wird die Abfolge von Auf- und Abschwung nicht nur immer kürzer, künftig wird es zwischen Boom und Flaute überhaupt keinen zeitlichen Unterschied mehr geben. Beides findet gleichzeitig statt, nebeneinander. Was sich verändert, ist der Abstand zwischen Erfolg und Misserfolg; der wird immer größer, immer extremer. Mega-Erfolge existieren neben Superpleiten. Die Konjunktur ist demzufolge keine Massenbewegung mehr, sondern bildet ab, was die Wirtschaft seit Jahrzehnten prägt: Differenzierung. Je mehr sich Märkte nuancieren und Unternehmen spezialisieren, desto vielseitiger wird die Ökonomie als Phänomen. Zyklen, Wellen oder Strömungen in der Breite gehören zunehmend der Vergangenheit an. Diese Zergliederung lässt auch keine eindeutigen Aussagen mehr zu, geschweige denn Prognosen. Die wirtschaftliche Entwicklung kann also nur noch äußert verfeinert beschrieben werden, unter Berücksichtigung einer mittlerweile nahezu unzählbaren Menge an Einflüssen. Und wenn es um Vorhersagen geht, dann sind diese mehr als vage.
Auch Trends bieten keine zuverlässige Orientierung mehr; sie sind zu Nischenerscheinungen geworden. Da blinkt mal hier was auf und mal dort. Zudem ist der heutige Zeitgeist eine Mischmasch-Strömung, in der sich jeder zurechtbastelt, was ihm gerade gefällt. Die großen Erfolge sind ohnehin Marken, Produkte oder Leistungen, die nicht im herkömmlichen Modestrom mitschwimmen, sondern "besondere Ausnahmen" bilden, was wiederum als Trend bezeichnet werden könnte. Deshalb lohnt der Blick auf die Märkte, also auf das Verhalten der Kunden, um Indizien für die Zukunft zu finden, an denen man sich als Unternehmen entweder orientieren kann oder die man zum Anlass nimmt, genau das Gegenteil zu tun.
Nun, die meisten Konsummärkte sind gesättigt. Die Kunden haben in der Regel, was sie brauchen. Doch daran darf sich der Konsum nicht messen, schließlich gedeiht er durch immer neue Begehrlichkeiten, die ständig und daher künstlich erzeugt werden müssen.
Doch – was macht eine Marke, ein Produkt oder eine Leistung begehrlich?
Freilich, der Kunde will einfach ein gutes Geschäft machen. Mit anderen Worten: Er will Außergewöhnliches kaufen zu einem ungewöhnlich guten Preis. Kommt noch ein extravaganter Service hinzu, wie etwa der Zugang zu einer privilegierten Social-Media-Community, dann haben Marken, Produkte oder Leistungen gute Chancen, ein Erfolg zu werden. Das Schlüsselwort hierzu heißt schon seit langem: Innovation. Doch hinter diesem Begriff steckt nicht nur technische Raffinesse, auch Design und Prestige, die Inszenierung des Verkaufs und nicht zuletzt die Einbindung des Kunden müssen stimmen. Nur so konnte der Computerkonzern "Apple" aus einem langweiligen grauen Kasten ein Liebhaberprodukt machen.
Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass der Begriff von Qualität mittlerweile zum Standard geworden ist, will sagen: Hohe Funktionalität und Zuverlässigkeit werden heute vorausgesetzt. Sie sind sozusagen der Mindestzugang zum Markt. Erfolgsentscheidend sind vielmehr mentale Faktoren – und hier kommen wir zu einem Wort, das in den kommenden Jahren von sich reden machen wird: Reputation.
Ging es früher bei Innovationen darum, Aufmerksamkeit in einer überreizten Welt zu wecken, kommen nunmehr Themen wie Glaubwürdigkeit und Status dazu.
Der Begriff der Glaubwürdigkeit speist sich aus dem Unternehmensverhalten – wer mittlerweile nicht sozial und ökologisch fair arbeitet und sich nicht für die nachhaltige Schonung und Verbesserung der Welt einsetzt, hat bei vielen, vor allem zahlungskräftigen Käufern keine Chance. Und der Status einer Marke, eines Produkts oder einer Leistung ist heute keine Luxusfrage mehr, sondern eine der "besonderen Authentizität" beziehungsweise der "kulturellen Wirkung". Es geht also um die Frage, ob eine Konsummarke, ein Konsumprodukt oder eine Konsumleistung fähig ist, als Lebensstil im Markt aufzutreten. Auch hier ist Apple Paradebeispiel: Die Nutzung eines iPhone ist lebensstilgebend. Und das Lebensgefühl, welches mit diesem Produkt verbunden wird, geht auf die Unternehmenskultur von Apple zurück – in diesem Beispiel auf visionäres Denken. Das zeigt, wie sich Lebensstil und Unternehmenskultur wechselseitig beeinflussen: Einerseits müssen Firmen Marken sein und Produkte oder Leistungen auf den Markt bringen, die von den Kunden gewünscht werden. Andererseits lassen sich Kunden in ihren Begehrlichkeiten von der Wirkung der - glaubhaften, nachhaltigen und nicht zuletzt besonderen – Unternehmenskultur leiten.
Immer mehr und stärkeren Einfluss auf die Konsumwelt üben die sozialen Medien aus. In diesen Netzwerken entsteht eine mächtige Öffentlichkeit: Über was dort kommuniziert wird, ist sozusagen realitätsbildend. Marken, Produkte und Leistungen werden sich diesem Votum stellen müssen. Das gilt auch für die Unternehmen: Eine transparente Welt mit gut informierten Kunden erzeugt höchst anspruchsvolle Märkte. Und daraus ergibt sich ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Zukunft – ich nenne ihn: Value-of-Fans. Es geht dabei um Anhänger, ja um die virtuelle Gefolgschaft. Wer die meisten Fans auf sich vereinen und sich damit auch Präsenz und Empfehlungen sichern kann, hat einen klaren Marktvorsprung. Doch Vorsicht: Das Konsumklima wird zwar in den sozialen Netzwerken bestimmt, sie sind aber kein direkter Absatzkanal. Wer die sozialen Medien als plattes Verkaufsforum missbraucht, wird schnell des Netzes verwiesen. Wer aber als Unternehmen etwas zu sagen hat, vor allem etwas über zukunftsrelevante Themen, und sich traut, das auch zu sagen, ist in den sozialen Medien gut aufgehoben.
Tja, Unternehmen werden zu den neuen Idealisten. Und das bezieht sich nicht mehr auf die qualitativen Vorzüge ihrer Fabrikate, sondern es geht vielmehr um ihren Einsatz für eine lebenswerte Zukunft.
Nun, alle diese Effekte und Phänomene gehen sehr stark von jungen Konsumenten aus, wobei ich vor der Markteinteilung in Altersgruppen warne: Die Forderung nach Glaubwürdigkeit, Authentizität, sozialem wie ökologischem Engagement, nach gesellschaftlichem Status und extravagantem Service, gekoppelt mit der Frage nach wirklich kreativen, also besonderen und lebensstilbildenden Marken, Produkten oder Leistungen ziehen sich durch alle Konsumentenschichten. Jeder will sich inspirieren und unterhalten lassen und sich nicht zuletzt auch wohlfühlen. Dabei dürfen wir dennoch nicht die demografische Entwicklung vernachlässigen, gerade hier in Deutschland. Trotz Zuwanderung werden in einigen Jahren Senioren die Kultur der Konsummärkte bestimmen. Und dabei geht es ganz und gar nicht um Seniorenmarken, Seniorenprodukte oder Seniorenleistungen. Nein, in die transparente Welt mit den gut informierten und weltweit vernetzten Kunden kommt mit der Zunahme an Senioren eine weitere Qualitätskomponente in der Marktentwicklung hinzu: Reife.
Sie wird nach dem tieferen Sinn von Marken, Produkten oder Leistungen fragen.
Und die Antworten darauf werden auch die jungen Konsumenten interessieren.
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden