Das Wahre Leben Kolumne – Jens Krueger Warum gerade wir uns ernsthaft mit Chat GPT & Co beschäftigen sollten

Hot, hotter, hottest shit. Chat GPT. Kaum ein Thema, das so viele Branchen und auch uns als Marktforschende so sehr beschäftigt. Und das wird auch noch ein bisschen so bleiben und unsere Rolle deutlich verändern, analysiert Jens Krüger in seiner aktuellen Kolumne „Das wahre Leben“.

Wenn eine KI Daten generiert, sollte die Deutungshoheit darüber bei den Marktforschenden liegen, meint Jens Krüger. (Bild: picture alliance / Fotostand / Weller)

Ich finde wir sollten mal wieder sprechen. Über unsere Rolle als Marktforscher. Angesichts der vielen Disruptionen, die unsere Branche schon wieder zu Beginn dieses Jahres bereit hält. Gefühlt gibt es nur noch ein Thema: Chat GPT.

Und die Bandbreite der Diskussion dazu ist enorm – verkürzt formuliert: von „Alles Kinderkram – müssen wir nicht weiter ernstnehmen“ bis zum „größtmöglich anzunehmenden Gau“, der unsere Branche zur Unzeit trifft. Und gleich waren auch die Experten zur Stelle, die anhand von ersten mehr oder weniger guten Beispielen sowohl das eine als auch das andere belegen konnten. Je nach Gusto.

Und am Ende steht die Erkenntnis, dass nur wir Marktforscher die Welt so richtig erklären können. Und damit sind die Grenzen zwischen unserer Marktforschung und KI gesteckt. Vermeintlich.

Denn, so einfach wird es diesmal nicht werden

Kaum ein Aufreger war dann noch die Nachricht, dass die britische Boulevardzeitung SUN ab jetzt auch Marktforschung anbietet – also seine Datenbank kurzerhand zum repräsentativen Sample erklärt und echte Marktforschung für echte Kunden aus Industrie und Politik anbietet. Eine Frage der Zeit, bis es BILD nachmacht – und die VOLKS-Marktforschung präsentiert.

In beiden Fällen geht es um nichts Geringeres als die Frage nach der Deutungshoheit – wem traue und vertraue ich, dass er oder sie nicht nur mit Daten umgehen kann, sondern auch bewerten kann, ob diese Daten richtig oder valide sind. Es gibt Stimmen, die das größte Risiko oder Potenzial (je nach Interesse- und Blickwinkel) in der Chat GPT KI darin sehen, dass das System tatsächlich selbstlernend ist und ein Eigenleben entwickelt. Und damit auch Daten selbständig kuratiert. Wir aber tatsächlich nicht wissen werden, nach welchen Kriterien oder welchen Filter. Während die ersten Selbstversuche doch viel Eigenwilliges, meist eher Erheiterndes produziert haben, können wir aktuell beobachten, wie die Systeme immer besser werden. Und damit verbunden auch die Angst oder Sorge, dass ganze Berufsbilder bald durch eine KI ersetzt werden.

Auch wenn eine KI natürlich nicht kreativ im eigentlichen Sinne sein kann. Und natürlich auch nicht per se empathisch ist, lernt sie dazu – auch wie sie kreativ und empathisch wirken kann.

Und vielleicht liegt genau hier (wieder) unsere Rolle als ausgebildete Marktforscher – zu bewerten, ob die via KI generierten Daten valide sind. Ein bisschen vergleichbar ist das mit den Anfängen der Forschung in Social Media. Auch hier ging es erstmal darum, die Daten einzuordnen, neu zu strukturieren. Am Ende geht es um die Deutungshoheit, zu beurteilen was verlässlich ist und was auch nicht. Gerade auch dann, wenn die KI selbständig Daten analysiert.

Diese Deutungshoheit müssen wir für uns deklarieren

Wir haben die Statistik erfunden. Wir sind Zahlen- und Menschenversteher. Ganz sicher werden wir in Zukunft weniger die Daten wie noch heute erheben und analysieren. Spannend.

Und vielleicht ist KI ist tatsächlich auch die Chance, Daten als digitale Almende (Gemeingut) zu verstehen, die uns allen gehören.

Daten, die durch unser Verhalten, unsere Käufe und Nicht-Käufe, unsere Kommentare, Bilder und Geschichten auf Insta &Co ja erst entstehen. Und wir Marktforschende als Hüter und Kurator dieses Gemeingutes. Mir würde das gefallen. Noch gibt es diese Rolle nicht, aber sie wird sicher schon bald gebraucht. Ich finde, wir sollten uns darauf bewerben.

 

Über die Person

Jens Krüger ist seit 2019 CEO von Bonsai Research. Der Consumer-Experte war zuvor über zehn Jahre Geschäftsführer bei Kantar/TNS Infratest. Der studierte Soziologe und Sozialpsychologe engagiert sich in mehreren Beiräten (unter anderem im Zukunftsforum und dem VKE-Kosmetikverband), ist Speaker und Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen gesellschaftlicher Wandel, Consumer-Trends, Ernährung und Handel der Zukunft.

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