Warum "Daten-Visualisierung" selten zum Erfolg führt!

Alexander Skorka, COO der Dapresy Group und Managing Director D-A-CH (Bild: Dapresy)
Von Alexander Skorka, COO Dapresy Group, Managing Director D-A-CH
Erfolg oder Misserfolg eines Dashboards hängen eng mit dem Begriff Daten-Visualisierung zusammen. Nehmen wir einmal die tägliche Fahrt mit dem Auto zur Arbeit und nach Hause. Während dieser Fahrt nutzen wir – die einen mehr, die anderen weniger – das wohl bekannteste Dashboard der Welt: das Armaturenbrett. Dankenswerterweise ist das Armaturenbrett ein perfektes Beispiel für ein schlecht gelungenes Dashboard. Und dies nur weil Konstrukteure vornehmlich an Daten-Visualisierung gedacht haben.
Solange Ihr Dashboard von den Daten her denkt und schwerpunktmäßig versucht diese zu visualisieren, besteht eine große Chance, dass es in der Kategorie "nette Spielerei" landet. Denn der Fokus ist "Daten zu visualisieren" und damit lediglich Informationen in visueller Form zur Verfügung zu stellen. Was also anders machen? Stellen Sie den zukünftigen Nutzer und seine Aufgaben in den Mittelpunkt und richten Sie Ihr gesamtes Dashboard nach seinen Belangen aus. Denn jetzt steht Handeln im Vordergrund und Informationen werden in Maßnahmen transformiert. Aus Daten-Visualisierung wird visueller Management-Support.
Sie fragen sich, was Sie konkret tun können? Wenn Sie die drei folgenden Fragen mit einem klaren "Ja" beantworten können, sind Sie schon am Ziel. Wenn nicht sollten Sie weiterlesen.
1. Sind die angebotenen Informationen relevant für den Nutzer und hat er die Mittel diese zu beeinflussen?
Stellen Sie sich noch einmal Ihre Fahrt von der Arbeit nach Hause vor. Vergleichbar ist diese Fahrt mit dem Erreichen eines Unternehmensziels. Zum einen wollen Sie in jedem Fall ankommen (Effektivität), zum anderen soll diese so schnell und kostengünstig wie möglich geschehen (Effizienz). Natürlich sind Sie ein besonnener Fahrer. Sie halten sich an Regeln und versuchen das Risiko eines Fehlschlages zu minimieren. Um das Vorhaben "Fahrt nach Hause" erfolgreich in die Tat umzusetzen, benötigen Sie ein paar Daten.
Schauen wir uns dazu ein Armaturenbrett genauer an (Abbildung 1). Von links nach rechts sehen wir Anzeigen für Motor-Temperatur, Motor-Drehzahl, aktuelle Geschwindigkeit, Benzinstand und unterhalb des Drehzahlmessers, die bisher im Leben Ihres Autos gefahrene Kilometer, den Kilometerstand.

Ich hoffe, Sie stimmen mir zu – um nach Hause zu kommen benötigen Sie nur zwei dieser fünf Informationen: Benzinstand und Geschwindigkeitsanzeige. Den Benzinstand prüfen Sie vermutlich bevor Sie losfahren. Oder wie ich, gehören Sie zu den Fahren, die sich auf das "Early-Warning-System" ihres Autos verlassen, dann ist selbst diese Anzeige nur zweitranig, da sich Ihr Auto rechtzeitig mit dem Hinweis "Tanken" bei Ihnen meldet.
Während der Fahrt werden Sie wohl überwiegend Ihre aktuell gefahrene Geschwindigkeit im Blick behalten. Wie Anfangs erwähnt sind Sie ein besonnener Fahrer. Dennoch wollen Sie schnellstmöglich zu Hause eintreffen. Ihr Ziel ist es, dabei die erlaubte Geschwindigkeit zu fahren, aber nicht zu überschreiten, um nicht in eine Radar-Kontrolle zu geraten. Sie werden also laufend Ihre Geschwindigkeit überwachen und entsprechend der Verkehrsbeschilderung anpassen.
Die gesamte Fahrt über werden Sie weder aktiv auf Ihren Kilometerstand noch auf Ihre Drehzahl achten. Warum? Beide Informationen sind für die eigentliche Fahrt irrelevant. Letztere erst Recht, wenn Sie ein Automatik-Getriebe fahren. Zwei, wie ich finde, schöne Beispiele für klassische Daten-Visualisierung. Daten, die verfügbar sind, werden auch visualisiert, ohne dass sie jedoch im Alltag Verwendung finden.
Bleibt nur noch die Motortemperatur-Anzeige. Auch diese werden Sie nicht groß beachten, obwohl eine zu hohe Temperatur Ihrer Fahrt erheblich beeinträchtigen würde. Sie haben aber im Laufe der Zeit zwei Dinge gelernt. Die Anzeige hat sich noch nie bewegt und sollte die Temperatur doch einmal in den kritischen Bereich steigen, wird Sie Ihr Auto durch eine Kontroll-Leuchte warnen. Und wüssten Sie, was Sie im Fall einer zu hohen Motor-Temperatur machen müssen, um weiterfahren zu können? Klammern wir hier kurz einmal die beiden Optionen "Werkstatt anrufen" oder "so lange stehen bleiben bis die Temperatur wieder von alleine auf Normalwert sinkt" aus.
Sie sehen die Geschwindigkeitsanzeige ist die einzige die tatsächlich ein konkretes Handeln und damit Maßnahmen auslöst. Von den übrigen vier könnten wenigstens zwei eliminiert werden. Und dies trifft leider auf viele Dashboards zu, die vornehmlich "Daten visualisieren".
Wann immer Sie ein Dashboard aufsetzen, denken Sie an dieses einfache Beispiel und beherzigen Sie die in ihm enthaltenen Aspekte. Vermeiden Sie, Daten zu visualisieren, nur weil sie verfügbar sind. Denken Sie an Ihre Nutzer und deren Aufgaben. Stellen Sie sicher, dass die angebotenen Informationen Relevanz für den Nutzer besitzen. Zeigen Sie Informationen, die Ihre Nutzer auch direkt beeinflussen können. Nur wenn der Nutzer tatsächlich die Kenntnisse und die Mittel hat die gezeigte Situation zu verändern, werden aus Informationen Maßnahmen und Daten werden operationalisiert.
Ein gutes Beispiel für operationalisierte Daten sind Dashboards rund um Customer Feedback Management. Die Kundenzufriedenheit wird regelmäßig gemessen und die gewonnen Erkenntnisse den Verantwortlichen per Dashboard bereitgestellt. War gestern die Sauberkeit im Geschäft ein Problem, kann heute bereits an der Verbesserung der Sauberkeit gearbeitet werden. Hat sich gestern ein Kunde über ein neu gekauftes Produkt beschwert, kann heute ein Service-Mitarbeiter das bestehende Problem im direkten Gespräch mit dem Kunden lösen. Diese Form der Dashboards fokussiert auf die zu erledigenden Aufgaben, das Verbessern der Kundenzufriedenheit und nicht darauf die gemessene Kundenzufriedenheit zu visualisieren.
Im Gegensatz dazu bieten Dashboards mit Kennzahlen wie Markenbekanntheit und Markenimage oft wenig Potenzial für konkrete Maßnahmen. Zwar sind die genannten Informationen relevant für einen Produktmanager, das Dashboard wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn der Produktmanager auch die Mittel hat diese Kennzahlen in einem überschaubaren Zeitraum zu beeinflussen. Diese Dashboards sollten in jedem Fall um Informationen angereichert werden, die das konkrete Ableiten von Maßnahmen ermöglichen. Ansonsten reicht auch die eine oder andere Präsentation mit den oben genannten Informationen, die von Zeit zu Zeit aktualisiert wird. Denn warum sollte ich mich in ein Dashboard einloggen, das mir Kennzahlen zeigt, die ich kenne weil sie sich kaum verändern und die ich vor allem nicht beeinflussen kann, weil mir die Mittel fehlen.
2. Erzählen Sie eine spannende Geschichte, die zu Ihren Zielen passt?
Das Erzählen einer Geschichte fängt immer mit dem verstehen des eigentlichen Zieles an. Versuchen Sie zu verstehen, was für die jeweiligen Nutzer Erfolg bedeutet, welche Erfolgsfaktoren, Meilensteine, Ressourcen und Herausforderungen existieren auf dem Weg zum Ziel.
Erstellen Sie auf dieser Basis eine passende Informationslandkarte. Diese Landkarte bietet einen umfassenden Überblick über alle notwendigen Informationen. Dabei werden nicht nur bereits im Unternehmen verfügbare Daten berücksichtigt. Vielmehr werden auch bisher nicht erschlossene Datenquellen als Platzhalter aufgenommen. Denn ein gutes Dashboard darf und sollte immer auch auf existierende blinde Flecken hinweisen. Und wie in der Natur, darf sich auch die Informationslandkarte von Zeit zu Zeit neuen Bedingungen anpassen.
Wie eine Landkarte die räumliche Beziehung zwischen Ländern und Städten darstellt und aufzeigt wie ich von A nach B komme, sollte eine Informationslandkarte die Wechselwirkungen der einzelnen Informationen zueinander aufzeigen. Es geht um die Darstellung von Ursache und Wirkung. Eine spannende Geschichte entsteht, wenn ein Nutzer die Ursachen für eine Veränderung entdecken und verstehen kann. Das "Was" (Was ist in der letzten Zeit passiert?) sollte wo immer notwendig und sinnvoll durch ein "Warum" (Warum ist dies passiert?) ergänzt werden. Erst durch das "Warum" entstehen Ideen über mögliche Maßnahmen. Je mehr Kausalitäten der Nutzer entdecken kann, je mehr "Warums" er beantwortet bekommt, desto praxisorientierter und spannender die Geschichte, und desto einfacher das Ableiten von effektiven Maßnahmen.
Hier ein Beispiel für eine einfache Kausalität: Der Umsatz (Revenue) – bzw. das "Was" – lässt sich als Formel der drei folgenden Kennzahlen – die "Warums" – abbilden (siehe auch Abbildung 3): Anzahl Besucher (Visitor) * Anteil Besucher die etwas kaufen (Conversion Rate) * durchschnittlicher Kassenbon (Average Order Volume) = Umsatz.
Viele Dashboards bestehen heute leider aus sogenannten Widgets (siehe Abbildung 2). Widgets sind visuelle Container die einzelne Daten beziehungsweise Informationen beinhalten und in Form von Diagrammen darstellen.

Diese Form der Dashboards erschwert das Erkennen von Kausalitäten. Welche Ursache-Wirkungsbeziehungen existieren hier? Wie beeinflussen sich die einzelnen Informationen? Auf Anhieb werden Sie in Abbildung 2 nicht erkennen was die Ursache für das Umsatzdefizit ist.
Gleichzeitig vermittelt diese Darstellungsform das Gefühl der Vollständigkeit. Tatsächlich fehlen jedoch entscheidende Informationen, wie beispielsweise der Umsatzsplitt in Offline- und Online-Umsatz. Auch werden alle Informationen gleichwertig dargestellt, obwohl Kundenzufriedenheit und Nennungen in Sozialen Medien mit Sicherheit das Gesamtziel Umsatz unterschiedlich beeinflussen.
Eine spannende Geschichte zu erzählen, verlangt einen anderen Dashboard-Stil. Dashboards sollten Daten und Informationen als Infographik darstellen (siehe Abbildung 3). Nur so lassen sich Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung visuell veranschaulichen. Der Nutzer kann in Abbildung 3 auf einen Blick erkennen, dass die Hauptursache für das Umsatzdefizit im schlechten Umsatz in den Geschäften liegt ("Offline"). Verursacht vornehmlich durch eine Conversion Rate (= Anteil Besucher die etwas kaufen) die unter den Erwartungen lag. Wiederum entstanden vermutlich durch eine getrübte Kauflust infolge des schlechten Produkt-Portfolios.
Neben der Visualisierung von Kausalitäten visualisieren Infografik-Dashboards Informationen entsprechend Ihrer Bedeutung. Wichtige Informationen nehmen mehr Platz ein als eher unterstützende Informationen. Während in Abbildung 2 der "Online Traffic by Channel" optisch gleichwertig zum Umsatz wirkt, wird in Abbildung 3 die Bedeutung entsprechend der tatsächlichen Einflussnahme dargestellt.

Beide Dashboards stellen nahezu identische Informationen dar. Jedoch nur das Infografik-Dashboard (Abbildung 3) unterstützt tatsächlich das schnelle Auffinden der Ursachen, setzt die verschiedenen Aspekte in die richtige Relation zu einander und ermöglicht das effektive Ableiten von Maßnahmen. Dashboards im Widget-Stil hingegen sind typische Vertreter der Gattung Daten-Visualisierung. Sie verlangen vom Anwender die Kausalitäten zu finden und bleiben daher meistens auf der "Was"-Ebene. Das "Warum" und damit tatsächlich Maßnahmen zu entwickeln kommt meistens zu kurz.
3. Bieten Sie ausreichend (qualitativen) Kontext?
Der letzte Schliff für ein erfolgreiches Dashboard heißt Kontext. Daten allein reichen oft nicht aus, effektive Entscheidungen zu treffen. Insbesondere weniger erfahrene Nutzer tun sich schwer bei der Interpretation von reinen Daten. Die Folge ist: falsches oder gar kein Handeln. Dabei muss jedes Dashboard sicherstellen, dass die Zielgruppe aus den angebotenen Informationen die richtigen Schlüsse zieht.
Reichern Sie daher Ihr Dashboard mit Anmerkungen, Hinweise und Hintergrund-Informationen in Textform an und gehen Sie auch hier über das reine Daten-Visualisieren hinaus. Viele Daten und Fakten erscheinen in einem anderen Licht, wenn man als Nutzer beispielsweise Informationen über die im letzten Monat durchgeführte Kampagnen des Haupt-Wettbewerbers als Randnotiz erhält. Geschrieben zum Beispiel von der jeweiligen Fachabteilung. So ermöglichen Sie Ihren Nutzern ein umfassenderes Bild der aktuellen Situation. Die Folge: effektivere Entscheidungen.
Fazit:
Denken Sie um! Verlassen Sie die Welt der Daten-Visualisierung. Denken Sie nicht zu erst an Ihre Daten, sondern an Ihre zukünftigen Nutzer. Welche Informationen sind wirklich relevant, welche Informationen können diese tatsächlich direkt beeinflussen.
Verdeutlichen Sie Ihren Nutzern die Kausalitäten und unterstützen Sie damit den Prozess "aus Informationen werden Maßnahmen". Ergänzen Sie Ihre Daten mit entsprechenden qualitativen Informationen. Damit gewährleisten Sie eine bessere Interpretation und liefern weitere Anhaltspunkte für notwendige Maßnahmen. Die Geburtsstunde des visuellen Management Supports.
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