Frauen in der Marktforschung "Warte nicht, bis andere für dich entscheiden"

Christina Handke ©INNOFACT
marktforschung.de: Sie haben bei Innofact den Aufstieg von der Interviewerin zur Unit-Direktorin geschafft. Wie genau hat sich das zugetragen?
Christina Handke: Zu Innofact bin ja 2002 wirklich zufällig gekommen. Wir waren damals elf Mitarbeiter in einem kleinen überschaubaren Büro in der Düsseldorfer Altstadt. Ich habe überwiegend Telefoninterviews gemacht. Das Schöne an der Arbeit in dem kleinen Büro war, dass man total präsent war, wahrgenommen wurde und auffiel. Ich saß in einer Nische direkt neben dem Schreibtisch unseres CEO Karsten Polthier. Dadurch war ich im Fokus.
marktforschung.de: Aber da war noch kein Gedanke, bei Innofact einzusteigen?
Christina Handke: Tatsächlich nicht. 2004 war ich mit dem Studium fertig. Es war mein jetziger Mann, der während einer Urlaubsreise den Gedanken aussprach, ich könne mich doch bei Innofact bewerben. Er selbst hatte zwischendurch auch bei Innofact gearbeitet und er meinte, aus dem Unternehmen könnte etwas werden (Anm. d. R.: Das Institut hat heute in der Gruppe rund 100 Mitarbeiter).
Ich habe dann nach einer Stelle gefragt und bekam zur Antwort, darüber müsse man erst einmal nachdenken. Ich denke, dass bis dato noch niemand frisch von der Uni eingestellt worden war.Ich wäre der erste Junior gewesen. Wer bei Innofact als Consultant arbeitete, hatte immer auch ein paar Jahre Berufserfahrung. Aber: Ich habe meinen Vertrag bekommen! Das Angebot zur Unit-Directorin kam dann recht schnell 2006 von Seiten der Innofact mit den Worten: Wir möchten, dass Du hier Leiterin wirst.
Zu der Zeit hatte ich schon längere Zeit einen sehr großen Key Account aufgebaut und betreut. Offensichtlich habe ich mich bewährt und das Kriterium war die Leistung.
marktforschung.de: In welcher Form haben Sie in Ihr Fortkommen zum Beispiel über Weiterbildung investiert?
Christina Handke: Das frage ich mich eigentlich auch! (lacht).
Weil wir anfangs ein recht kleines Unternehmen waren, habe ich sehr davon profitiert, dass ich gemeinsam mit den Geschäftsführern und mit erfahrenen älteren Kollegen an den Projekten gearbeitet habe.
Von ihnen habe ich gelernt. Im Nachhinein kann ich sagen, dass das sehr gut funktioniert hat. Im Team lernst du mehr als durch Seminare. Allerdings habe ich tatsächlich auch Fortbildung gemacht, um meinen Horizont in Richtung qualitativer Marktforschung zu erweitern und ein entsprechendes Quali-Team zu führen.
marktforschung.de: Frauen neigen leider häufig dazu, vor beruflichen Herausforderungen zurückzuscheuen. Haben Sie sich die Aufgabe, ein neues Team zu leiten, gleich zugetraut, als das Angebot kam? Und was bräuchte es, um auch andere Frauen zu ermutigen?
Christina Handke: Ich wollte das.
Eigentlich war ich schon immer ehrgeizig und es hätte mich tierisch gewurmt, wenn ich übergangen worden wäre.
Ich habe mir keinerlei Bedenkzeit genommen und man musste mich auch nicht ermutigen. Und das ist auch etwas, was ich anderen Frauen rate: Mehr Mut und Selbstvertrauen zu tanken.
marktforschung.de: Ihre beiden Kinder sind 4 und 7 Jahre alt. Wie bringen Sie und Ihr Mann Beruf und Familie unter einen Hut?
Christina Handke: Bis 2010 war ich in Vollzeit beschäftigt. 2011 habe ich ausgesetzt, weil im Januar mein erstes Kind geboren wurde. 2014 war ich noch einmal ein Jahr weg wegen meines zweiten Kindes.
Es gibt sicherlich Arbeitgeber, die es als Last empfinden, Teilzeit-Mütter zu beschäftigen.
Bei mir war das nie der Fall. Schön ist es, dass ich immer sehr selbstständig arbeiten konnte. Seitdem die Teams geschaffen worden sind, bin ich mein eigener Chef. Ich denke, dadurch ist das Ganze für mich gut zu handhaben gewesen. Zu gewissen Zeiten gab es eine hohe Belastung, zu anderen Zeiten konnte ich das ausgleichen und wieder Luft holen. Das muss auch so sein, denn ich kann arbeitsmäßig mit einer halben Stelle nicht permanent auf 150 Prozent laufen und dann noch zwei wild tobende Kinder erziehen.
marktforschung.de: Wie schaffen Sie das konkret mit den beiden Kindern?
Christina Handke: Das Wichtigste ist die Kinderbetreuung. Gäbe es sie nicht, könnte ich nicht zurück in den Job. Bereits beim ersten Kind hatten wir das Glück, dass wir einen Kita-Platz bekamen. Mit einem Jahr ist unser Sohn in diesen Kindergarten gekommen. Ich selbst hatte ein gutes Gefühl dabei. Mir war klar, dass das Kind sehr gut betreut ist und ich kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich arbeiten gehe. Das ist das eine. Unser soziales und familiäres Umfeld ist der zweite glückliche Faktor. Auch die Großeltern können auf die Kinder aufpassen. Davon profitiert auch der Arbeitgeber. Trotz Teilzeitstelle und kleinen Kindern bin ich sehr präsent.
marktforschung.de: Welche politischen oder unternehmerischen Maßnahmen würden Sie sich wünschen, um es Müttern zu erleichtern, in verantwortlichen Positionen tätig zu sein?
Christina Handke: Mehr Kita-Plätze natürlich! Ich erzähle sicher nichts Neues, wenn ich auf das Problem hinweise, dass es wirklich zu wenige Kindergartenplätze gibt.
Mütter würden viel eher wieder in den Beruf zurückkehren, wenn sie eine Betreuung für ihre Kinder hätten.
marktforschung.de: Wir leben in Zeiten ständiger Erreichbarkeit. Wie gehen Sie damit um?
Christina Handke: Ich habe mich bewusst gegen ein Firmenhandy entschieden. Es hätte mich belastet, wenn ich jede E-Mail, die im Posteingang landet, gesehen hätte. Die Kolleginnen im Team wissen, dass sie mich jederzeit erreichen können. Wir haben dazu einen Gruppenchat bei WhatsApp eingerichtet. Im Notfall rufen sie mich an. Und natürlich habe ich meinen Laptop immer dabei: Bei laufenden Projekten bin ich durchgehend informiert. Wenn Projekte angestoßen sind und keine kritische Phase durchlaufen, ich also kein Feedback zu einem Report von der Kundin erwarte, dann mache ich mein Laptop abends nicht auf. Nachmittags muss ich die Zeit haben, mich um andere als die beruflichen Themen zu kümmern. Wichtig ist die Flexibilität bei der Arbeitszeit. In Hochzeiten habe ich die Bereitschaft, bis in die Abendstunden Reports zu Ende zu machen. Auch am Wochenende und an Feiertagen. Wenn wenig zu tun ist, kann ich mein Kind auch mal früher aus dem Kindergarten abholen. Ohne diese Flexibilität würde der Job nicht funktionieren. Als Teamleitung habe und spüre ich die Verantwortung. Ich kann deswegen auch nicht sagen: Es ist halb zwei, ich gehe, ihr müsst den Rest machen. Sondern das, was noch fehlt, mache ich abends zu Hause, wenn es sein muss.
marktforschung.de: Gerade wird ja viel darüber geredet, wie Frauen sich gegenseitig pushen und kooperieren können. Wie ist es bei Ihnen: Haben Sie Frauen besonders im Fokus, um sie bei Bedarf zu fördern?
Christina Handke: Aktuell sind wir ein reines Frauenteam. Und das klappt auch richtig gut.
marktforschung.de: Ein Mann würde gar nicht reinpassen?
Christina Handke: Doch. Warum nicht?
Das Frauenteam hat sich so ergeben, und ich bin auch der Meinung, dass Frauen zusammenhalten müssen.
Was bei uns gut funktioniert, ist, dass ich den Teammitgliedern die größtmögliche Freiheit einräumen kann. Sie dürfen ihre Projekte selbständig machen. Ich bin damit nicht bis ins Detail befasst und bin auch kein Kontrollfreak. Wenn es läuft, dann läuft es. Sie wissen es, glaube ich, auch zu schätzen, dass sie zu den Kunden reisen dürfen und viel Vertrauen bekommen. Ich selbst habe das genauso erfahren. Insofern gebe ich es weiter.
marktforschung.de: Was war der beste Ratschlag, den Sie für Ihr Berufsleben bekommen haben?
Christina Handke: Warte nicht, bis andere für dich entscheiden, sondern sag, was du willst. Mach selbst die Vorschläge, die dein Leben betreffen. Meine Mutter sagte immer: Du musst den Mund aufmachen, wenn du etwas möchtest. Du musst die Dinge einfordern und nicht warten, bis jemand von sich aus darauf kommt.
Zur Person:
Christina Handke, Jahrgang 1977, begann 1996 ihr BWL-Studium an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und war neben dem Studium ab 2002 als Interviewerin für INNOFACT tätig. Seit 2006 ist die Mutter von zwei Kindern als Unitleiterin im Unternehmen tätig.
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