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"Wahre Schönheit kommt von innen": Aufbau erfolgreicher Arbeitsplatzkulturen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels

Von Frank Hauser und Andreas Schubert (Great Place to Work®)
"Noch nie wurde mir in meinem Arbeitsleben soviel Respekt und Vertrauen entgegen gebracht wie an dieser Arbeitsstelle."
"Wir arbeiten sehr viel, aber es macht Spaß. Wir lachen und feiern viel."
"Ich kann mich hier voll einbringen und entwickeln, ich werde unterstützt und gefördert."
"Wir haben nie Langeweile, es gibt immer Neues, wo wir alle gefordert sind, und das macht uns stolz, für diese Firma zu arbeiten."
"Alle Mitarbeiter arbeiten zusammen und helfen auch untereinander, d. h. passiert ein Fehler, wird dieser einfach zusammen behoben, um so das Bestmögliche zu erreichen."
Wer spricht hier? Menschen, die ihre Arbeitsplätze und Arbeitgeber beschreiben? Doch wohl eher nicht. Aber es ist so. Es handelt sich um Zitate von Mitarbeitern aus den anonymen Befragungen, die Great Place to Work® im Rahmen der jährlichen Benchmark-Studien "Deutschlands Beste Arbeitgeber" und "Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen" durchführt.
Während in machen Management-Etagen noch vor wenigen Jahren unter den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine attraktive Arbeitsplatzkultur als "Kür" betrachtet wurde, hat sich heute das Blatt gewendet. Der demographische Wandel führt mit hoher Geschwindigkeit zu einer massiven Verknappung an Arbeitskräften. Insbesondere Mittelständlern, die keine großen Publikumsmarken sind, fällt es zunehmend schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden und zu binden. Viele Unternehmen gründen Stabsstellen zum Employer Branding oder zum Demographie-Management, um auf die neuen Anforderungen besser reagieren und eigene Bewältigungsstrategien entwickeln zu können. Kurz: Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass eine attraktive Arbeitsplatzkultur nicht mehr Kür, sondern "Pflicht" geworden ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Entsprechende Maßnahmen sollten dabei nicht rein fassadenhaft auf den externen Arbeitsmarkt ausgerichtet sein, sondern die Arbeitgeberattraktivität nach innen in den Mittelpunkt stellen. Nur so lassen die eigenen Mitarbeiter und Führungskräfte erfolgreich binden und neues Personal gewinnen. Die offene Kommunikation über Unternehmen via Social Media und der damit einhergehende Steuerungsverlust offizieller Unternehmenskommunikation verstärkt zudem die Anforderung, das nach innen zu halten, was man nach außen verspricht.
So wundert es nicht, dass sich alleine in Deutschland im vergangenen Jahr über 400 Unternehmen dem internationalen Great Place to Work® Benchmark unterzogen haben, um sich mit ausgezeichneten Arbeitgebern zu messen. Viele der sich dem Benchmark stellenden Unternehmen wissen, dass sie heute noch nicht zu den besten gehören, sie machen sich jedoch auf den Weg und nutzen die Erkenntnisse erfolgreicher Best-Practices, um ihre Arbeitsplatzkultur langfristig weiter zu entwickeln. Sie machen sich zunutze, über die Standortbestimmung anhand der repräsentativen Mitarbeiterbefragung ein belastbares Benchmark erhalten, ein Benchmark, das abbildet, was realistisch erreichbar ist und was tatsächlich schon erreicht wurde.
Doch welche Qualitäten sind es, die dazu führen, dass Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern schwärmen und diesen nicht nur als "good place to work", sondern als "great place to work" beurteilen? Was führt dazu, dass Mitarbeiter wie Führungskräfte sich weit überdurchschnittlich für ein Unternehmen engagieren?
Die jahrelange Forschung von Great Place to Work®, basierend auf hunderten von Interviews mit Beschäftigten in verschiedenen Kulturkreisen, zeigt fünf herausragende Qualitäten, in deren Zentrum eine besonders attraktive, mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur steht.
Zentrales Qualitätsmerkmal ausgezeichneter Arbeitgeber ist dabei eine ausgeprägte Vertrauenskultur zwischen Mitarbeitern und Management und der Mitarbeiter untereinander. Um eine solche aufzubauen, sind drei Qualitäten gefragt: Glaubwürdigkeit, Respekt und Fairness.
Neben dem grundlegenden Vertrauen, finden sich zwei weitere Qualitäten, die einen "great place to work" ausmachen: Stolz und Teamorientierung.
Im Folgenden werden die fünf Qualitäten ausgezeichneter Arbeitgeber und mögliche Gestaltungsinstrumente kurz beschrieben.
Glaubwürdigkeit als Grundlage einer Vertrauenskultur
Für die wahrgenommene Glaubwürdigkeit des Managements spielt die Gestaltung der Kommunikation im Unternehmen eine zentrale Rolle. Leitprinzipien sind hier Offenheit, Transparenz und Erreichbarkeit des Managements. Konkret geht es in der Gestaltung darum, wann, in welcher Form und in welchem Umfang die Mitarbeiter über relevante Sachverhalte und Entwicklungen informiert werden. Von gleicher Bedeutung ist, wann, worüber und bei wem die Mitarbeiter sich selbst informieren können. Dabei ist es auch wichtig, dass die Führungsspitze weiß, wie die Situation an der Basis ist und umgekehrt die Mitarbeiter aus erster Hand erfahren, was die Leitung bewegt. Eine Reihe von Unternehmen schafft daher systematische Möglichkeiten für diesen Austausch: Bei einem ausgezeichneten Unternehmen diskutiert beispielsweise die Geschäftsführung bei der monatlichen Zusammenkunft die wesentlichen Unternehmensbelange nicht nur unter sich, sondern auch mit 15 ausgewählten Mitarbeitern aus allen Unternehmensbereichen.
Zur Glaubwürdigkeit gehören aber auch die erlebte Kompetenz des Managements und seine Integrität. Wer Entscheidungen folgen soll, muss erkennen können, dass die Führungskräfte klare Ziele verfolgen und die Maßnahmen zur Zielerreichung gut und konsistent aufeinander abgestimmt sind. Im Sinne der Mitarbeiterorientierung gehört hierzu insbesondere, wie viel Verantwortung der einzelne Mitarbeiter oder ein Arbeitsteam erhält. Die Integrität des Managements zeigt sich daran, ob Versprechen und Zusagen eingehalten werden und Worten auch Taten folgen. Auch die ethische Dimension des gesamten Handelns des Managements ist Gegenstand der wahrgenommenen Vertrauenskultur.
Respekt als Grundlage einer Vertrauenskultur
Respekt zeigt sich darin, dass die berufliche Entwicklung der Mitarbeiter gezielt gefördert wird. Dazu trägt wesentlich die Ausgestaltung der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen bei. So finden sich bei ausgezeichneten Arbeitgebern eigene Angebote oder auch Akademien zu berufsbezogenen wie nicht-berufsbezogenen Seminaren und speziellen Kursen für verschiedene Zielgruppen wie "Neueinsteiger" und Führungskräfte.
Zur beruflichen Förderung gehört aber auch eine Feedback-Kultur, in der Leistung sichtbar wird und gute Arbeit und besonderer Einsatz entsprechend gewürdigt werden. Trotz seiner grundlegenden Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft ist positives Feedback nach wie vor eine Herausforderung für die tägliche Führungspraxis und keine Selbstverständlichkeit. Einige Unternehmen unterstützen daher die Feedback-Kultur indem sie beispielsweise eigene Geld- und Zeitbudgets schaffen, in anderen werden Preise oder Titel für besondere Leistungen verliehen.
Respekt erfahren die Mitarbeiter zudem in der Art und Weise, in der sie vom Management in für sie relevante Fragen einbezogen werden sowie im Umgang mit eigenen Ideen und Vorschlägen. Schließlich spielen für das Erleben von Respekt solche Aspekte eine tragende Rolle, die zur Gestaltung einer ausgewogenen Lebens- und Arbeitssituation beitragen. Hierzu schaffen Unternehmen etwa flexible Arbeitszeiten, Angebote zur Kinderbetreuung und Gesundheitsförderung bis hin zu unbürokratischer und schneller Hilfe in persönlichen Notsituationen. Im Zusammenhang mit der beruflichen Förderung und dem Eingehen auf die spezielle Lebenssituation steht auch das Thema "Chancengleichheit der Geschlechter". Eine Reihe von Unternehmen zeigen, wie Frauen mit speziellen Förderprogrammen effektiv in ihrer Karriere unterstützt werden können, sie bieten beispielsweise spezielle Workshops für Frauen sowie Mitgliedschaft in Netzwerken.
Fairness als Grundlage einer Vertrauenskultur
Im Hinblick auf die Fairness im Unternehmen muss bei ausgezeichneten Arbeitgebern zunächst gelten, dass grundsätzlich alle Mitarbeiter unabhängig von ihrer Position als vollwertige Mitglieder behandelt werden und die Chance auf Anerkennung haben. Es geht hier auch um die Frage, ob die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Vergütung ausgewogen am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt werden. Wichtig für ein gutes Fairness-Prinzip ist darüber hinaus, dass Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen neutral und unvoreingenommen nach möglichst objektiven Kriterien getroffen werden. Schließlich muss ein fairer Arbeitgeber von jeglicher Art der Diskriminierung frei sein, und es sollten klare Verfahren existieren, nach denen mit Beschwerden umgegangen wird oder Unstimmigkeiten verhandelt werden.
Stolz
Im Bereich Stolz geht es um die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unter-nehmen, ihrem Team und ihrer eigenen Tätigkeit. Grundlage für das Erleben von Stolz auf die eigene Tätigkeit ist, dass sich die persönlichen Leistungen und Beiträge des einzelnen Mitarbeiters im Unternehmen ausreichend sichtbar machen können. Die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsteam kann gestärkt werden, indem diesen Entscheidungsspielräume und Verantwortung übertragen werden. Beispielhafte Maßnahmen bester Arbeitgeber sind die Vergabe von Preisen für besondere Teamleistungen oder der Einsatz teamorientierter Prämien. Auch soziales und kulturelles Engagement tragen zur Förderung des Stolzes bei, insbesondere bei direkter Beteiligung der Beschäftigten. Da die Identifikation mit dem Unternehmen bereits bei der Auswahl neuer Mitarbeiter beginnt, setzen ausgezeichnete Unternehmen auf mehrstufige multimethodale Auswahlverfahren, in denen zum einen die Passung des Bewerbers nicht nur hinsichtlich der fachlichen, sondern auch der kulturellen Anforderungen geprüft wird. Umgekehrt wird dem Bewerber für seine Entscheidung ein authentischer Einblick in die Arbeitsplatzkultur des Unternehmens gegeben.
Teamgeist
Ein ausgezeichneter Arbeitsplatz ist schließlich auch gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Teamorientierung unter den Kollegen. Dazu gehört das Erleben des Einzelnen, bei der Arbeit "er selbst" sein zu können und so im Kreis der Kollegen grundsätzlich willkommen zu sein. Der allgemeine Umgang und die Atmosphäre sind freundlich, und die Mitarbeiter kooperieren nicht nur mit lediglich geringen Reibungsverlusten miteinander, sondern "ziehen an einem Strang". Zudem werden besondere Anlässe und Erfolge gemeinsam im Kollegenkreis gefeiert. Die Menschen haben so Freude an der Zusammenarbeit und bleiben dem Unternehmen eng verbunden. Unternehmen unterstützen dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, z. B. durch "Willkommenspakete" oder Begrüßungsprogramme für Einsteiger sowie die Veranstaltung gemeinsamer Feiern vom Betriebsausflug über Sommerfeste bis hin zu Firmenolympiaden.
Der Weg, ein "great place to work" zu werden
Angesichts der wirtschaftlichen Relevanz einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur und der demographischen Herausforderung stellt sich die Frage, wie eine solche positive - nach innen wirksame und dann auch nach außen überzeugend kommunizierbare - Great Place to Work® Kultur erfolgreich entwickelt werden kann. Die Vielfältigkeit der Unternehmen, die sich in den Great Place to Work® Benchmark-Studien als Beste Arbeitgeber platzieren, zeigt, dass eine solche Kultur in jedem Unternehmen unabhängig von externen Faktoren wie Branche, Größe, Eigentümerstruktur oder Ähnlichem entwickelt werden kann. Freilich muss berücksichtigt werden, dass sich "Kultur" einem einfachen und insbesondere "technokratisch" ausgerichteten Veränderungsmanagement entzieht. Unternehmenskultur zu verändern oder zu entwickeln heißt, über eine werteorientierte Führung, symbolisches Management und eine engagierte, konsistente Personalarbeit nachhaltig in die "Tiefenstrukturen" des Unternehmens hineinzuwirken.
Die oben genannten instrumentellen Handlungsbereiche und Praxisbeispiele dürfen daher nicht so verstanden werden, dass sich daraus ein einfacher Baukasten machen ließe, mit dessen Inhalt man früher oder später einen sehr guten Arbeitsplatz basteln kann. Entscheidend für das Gelingen ist vielmehr die grundlegende Haltung mit der Frage, wie wichtig dem Unternehmen seine Mitarbeiter sind. Erfolgsrelevant ist insbesondere das Commitment des Top-Managements, das Unternehmen mit Blick auf die Potenziale der Mitarbeiter kontinuierlich weiter entwickeln zu wollen. Daran schließt sich ein individueller – je nach Ausgangsbasis mitunter auch längerer – Entwicklungsprozess im Unternehmen an, in dem die zum Unternehmen passenden Maßnahmen und Instrumente umgesetzt und angepasst werden. Um ein "great place to work" zu werden, ist aber vor allem eine Investition in das erforderlich, was sehr gute Arbeitgeber letztlich ausmacht – und gerade dem Management doch oft schwerfällt: Vertrauen! Wo Vertrauen herrscht, ist das Management überzeugt, dass die Mitarbeiter produktiv sein wollen und sich voll im Unternehmen einbringen; die Arbeitnehmer gehen ihrerseits davon aus, dass das Management ihre Interessen bei seinem Handeln immer mit berücksichtigt. Diese Haltung in einem organischen, wachstumsorientierten Beziehungs- und Entwicklungsprozess immer wieder einzunehmen, und sich damit auch dem Risiko eines möglichen Missbrauchs auszusetzen, ist die eigentliche Herausforderung.
Fazit
Vor dem Erfahrungshintergrund erfolgreicher Arbeitgebermarken muss das Thema Employer Branding neu betrachtet werden. Die aktive Positionierung eines Unternehmens nach innen und nach außen, vor allem, um von Bewerbern und Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, darf nicht auf "window dressing" verkürzt werden, soll es wirklich erfolgreich sein. Ein echter, authentischer und überzeugender "Markenkern" ist auch hier letztlich erfolgsentscheidend.
Gefordert ist daher eine glaubwürdige Balance zwischen intern realisierter Arbeitgeberqualität und extern kommuniziertem und wahrgenommenem Arbeitgeberimage. Hat die Schaffung einer Employer Brand den Zusammenhang dieser beiden Bereiche im Fokus, kann ein besonderer Wert und ein besonderes Wachstum für das Unternehmen geschaffen werden. Für die Arbeitgebermarke gilt mehr noch als in anderen Arbeits- und Lebensbereichen: "Wahre Schönheit kommt von innen".
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