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- "Während die Maschine die stupide Arbeit übernimmt, kann sich der Marktforscher auf kreativere Dienstleistungen konzentrieren."
Jiawen Wu, Symanto Research "Während die Maschine die stupide Arbeit übernimmt, kann sich der Marktforscher auf kreativere Dienstleistungen konzentrieren."

marktforschung.de: Frau Wu, Sie beschäftigen sich mit Textanalyse. Warum spielt diese heute in der Marktforschung eine Rolle?
Jiawen Wu: Die Verbraucher erzeugen ständig neue unstrukturierte Textdaten aus mehreren Ressourcen, wie z.B. Kundenfeedback, offene Umfrageantworten, Social Media Beiträge und Call Center Skripte. Dies stellt eine große Herausforderung dar und bietet den Marktforschern jedoch noch größere Möglichkeiten, neue Wege zu finden, um bessere qualitative Erkenntnisse schneller und kostengünstiger zu gewinnen.
Automatische Textanalyse erfüllt diese Anforderungen hervorragend, indem sie strukturierte Erkenntnisse aus großen Textdatenmengen innerhalb von Sekunden bis Minuten ableiten kann. Während die Maschine die stupide Arbeit übernimmt, können sich Marktforscher auf kreativere und wertschöpfende Dienstleistungen konzentrieren.
Obwohl die Textanalyse schon immer ein Schlüsseltechnologiebereich war, sehen wir den jüngsten Trend im Zusammenspiel von KI-basierter Textanalyse und Marktforschung. Anbieter beginnen Textanalysenprodukte zu entwickeln, die spezifischen Anwendungsfällen der Marktforschung dienen. Gleichzeitig werden die Produkte immer intuitiver, so dass Marktforscher fortgeschrittene Textanalyse nutzen können, um ihren Forschungszweck viel einfacher zu erfüllen.
marktforschung.de: Wo wird die Textanalyse konkret eingesetzt?
Jiawen Wu: Das Ziel der Textanalyse ist es, strukturierte und wertvolle Erkenntnisse aus Massentextdaten zu extrahieren. Zu den üblichen Textanalysefunktionen, die für Marktforschungszwecke verwendet werden, gehören Themenmodellierung, Stimmungsanalyse, Meinungsforschung, Emotionsanalyse und Textkategorisierung. Diese Fähigkeiten werden in einer Vielzahl von Anwendungen genutzt, um verschiedene Zwecke zu erfüllen, wie zum Beispiel:
- Automatische Kodierung von offenen Umfrageantworten zur Minimierung des manuellen Aufwands oder von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kodierern, mit Survey Insights von Symanto als Beispielsprodukt;
- Über NPS hinausgehend, kontextuelle Erkenntnisse über Treiber und Barrieren der Kundenzufriedenheit durch Kundenfeedback zu gewinnen;
- Überwachung der Markengesundheit und Bewertung des Markenwertes durch Social Media Beiträge;
- Analyse des Konsumtrends mit Hilfe von Social Media Beiträge und Publikationen, um eine historische Perspektive zu gewinnen und zukünftige Trends vorherzusagen, ohne Längsschnittforschung betreiben zu müssen;
- Soziales Zuhören und Pressebeobachtung.
Neben den bekannten Einsatzgebieten ermöglichen jedoch auch neue, innovative Textanalyseansätze, wie z. B. psycholinguistische Analysen von Symanto, Marktforschern nicht nur Erkenntnisse über den Inhalt, sondern auch über den Autor zu gewinnen. Eine Anwendung solcher Analysen ist die Nutzer-Persönlichkeitsprofilierung und die psychographische Segmentierung zur Marketingoptimierung.
marktforschung.de: Alle sprechen ja heute von Künstlicher Intelligenz, KI – warum ist KI besonders wichtig in der Textanalyse?
Jiawen Wu: KI-basierte Textanalysemodelle unter dem Oberbegriff "Natural Language Processing" (NLP) nutzen ausgefeiltes maschinelles Lernen und Deep Learning-Technologie, um Sprache in ähnlicher Weise wie der Mensch zu "verstehen". Das bedeutet, dass die Modelle nicht nur auf einzelne Wörter abzielen, sondern auch versuchen die komplexe Satzstruktur, die semantischen Beziehungen zwischen Wörtern und die "Metadaten" des Textes zu verstehen.
Dies führt sowohl zu einer höheren Genauigkeit, als auch zu mehr Vielfalt in der Textanalyse. Die höhere Genauigkeit ergibt sich aus dem kontextuellen Verständnis von Text. Nehmen wir ein Beispiel aus der Emotionserkennung: "Ich kann nicht mehr warten, es dauert zu lange.", wird vom Deep Learning Emotionsmodell von Symanto als eine Mischung aus "SADNESS" und leicht "ANGER" klassifiziert. Doch sobald wir den Satz in "Ich kann nicht mehr warten dich wieder zu sehen" ändern, versteht das Modell den Kontext und klassifiziert den Satz als "LOVE".
Die Vielfalt hingegen wird durch verschieden gekennzeichnete Trainingsdaten erreicht. Machine-Learning Modelle erkennen Muster aus den Daten, die für jede Klasse (Label) einzigartig sind, und erkennen diese Muster in neuen Daten wieder. Dies ermöglicht eine Vielzahl von Modellen wie Kaufabsicht, Motivation, Persönlichkeitsmerkmale, u.v.m. Wenn Marktforscher über eigene annotierte Datensätze verfügen, können sie mit Hilfe der richtigen Tools ihre eigenen, maßgeschneiderten Klassifikationsmodelle trainieren.
marktforschung.de: Wo sehen Sie die Grenzen der Textanalyse durch Maschinen bzw. KI? In welchem Bereich werden Marktforscher unersetzbar bleiben?
Jiawen Wu: KI und Maschine sind gut darin, Muster zu identifizieren, Daten zu strukturieren und Verzerrungen zu beseitigen, aber die durch Textanalyse gewonnenen Erkenntnisse sind relativ "flach" und eindimensional. Um Markt oder Verbraucher wirklich zu verstehen, benötigt es weiterhin den Marktforscher, der die Punkte verknüpfen und in das Gesamtbild einbringen kann.
Nehmen wir als Beispiel die Analyse offener Umfrageergebnisse. Die Maschine beschleunigt das, was der Mensch bisher manuell getan hat, und ist in der Lage, Schlüsselinformationen (Themen, Sentiment, Emotionen) im Handumdrehen zu erkennen und zu extrahieren. Dennoch braucht es Experten und Erfahrung, um die maschinell generierten Informationen weiter zu strukturieren und zu abstrahieren, die Ergebnisse mit anderen Marktforschungsmethoden zu kombinieren, Erklärungen aus kultureller und gesellschaftlicher Perspektive zu finden, und zuletzt all dieses Wissen durch eine "Geschichte" zu vermitteln - Geschichtenerzählen, das ist was der Mensch am besten kann.
marktforschung.de: Was soll Ihr Workshop vermitteln und wer ist die Zielgruppe?
Jiawen Wu: Ziel des Workshops ist es, KI-basierte Textanalyse zu "entmystifizieren": die technischen Grundlage zu erläutern, Überblick über verschiedene Anwendungsfälle zu schaffen, und mit TeilnehmerInnen gemeinsam ein "Playbook" zu erarbeiten, welches illustriert, was man bei der Auswahl einer Textanalyse-Lösung beachten soll und wie man sie in der Praxis implementieren kann.
MarktforscherInnen und Marketers, die mehr über Textanalyse erfahren möchten und von den Fortschritten der Sprachverarbeitung profitieren wollen, sind herzlich eingeladen zu dem Workshop.
marktforschung.de: Sie beraten ja auch sicher viel zu diesem Thema. Welche Fragen oder Bedenken kommen eigentlich immer, wenn es um das Thema Textanalyse geht?
Jiawen Wu: Eine der größten Herausforderungen ist es, die richtige Textanalyselösung für die Bedürfnisse aus der Vielzahl der Lösungen auf dem Markt zu finden. "Richtig" bedeutet hier sowohl zuverlässige Analyseergebnisse mit hoher Genauigkeit als auch adäquate Produkteigenschaften, die den spezifischen Anforderungen gerecht werden.
Wenn es um die Genauigkeit geht, wird eine gewisse Fehlertoleranz erwartet, wenn wir maschinelle Lernalgorithmen einsetzen. Dennoch ist es wichtig zu verstehen, wie die Modelle trainiert werden mit welchen Techniken, welche Genauigkeitsmessungen verwendet und bewertet werden sollten und welche Mechanismen hinter der Lösung stehen, um die Genauigkeit ständig zu verbessern.
Produktmerkmale hingegen hängen eng damit zusammen, wie Marktforscher die Textanalyse am besten in ihren Arbeitsprozess integrieren können, sei es in Verbindung mit Datenquellen, beim Export auf die Berichtsplattform oder bei der Datenvisualisierung, die ihnen helfen, tiefere Einblicke zu gewinnen und die Geschichte zu erzählen.
Der DGOF Workshop findet am Donnerstag, 19. September, in Köln statt. Das Thema von Jiawen Wu, Product Manager bei Symanto Research GmbH, ist die KI-basierte Textanalyse in der Marktforschung.
Mehr Informationen unter: https://www.dgof.de/event/dgof-workshop-ki-basierte-textanalyse-in-der-marktforschung/.
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