Veranstaltung von ADM, DGOF, Swiss Insights & VMÖ im Rahmen des internationalen Market Research Day Von Plastiktüten zu Equal Pay – Wenn die Marktforschungsbranche über Nachhaltigkeit diskutiert

Viel diskutiert wurde bei der Verbändeveranstaltung zum Thema "Nachhaltigkeit" (Bild: Screenshot)
„Impact und Selbsttest: Wie hält es die Markt- und Sozialforschung mit der Nachhaltigkeit?“ so lautete die Veranstaltung, die die vier Marktforschungsverbände ADM, DGOF, Swiss Insights und der VMÖ am Montagabend in den internationalen Market Research Day einbrachten. Immerhin bis zu 60 Interessierte nahmen Teil am virtuellen Branchentreffen, das u. a. Impulsvorträge von ADM-Vorstand Sebastian Götte, der Gründerin des Rheingold Salons, Ines Imdahl, und GIM-Chef Stephan Teuber bereithielt.
Im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion, an der zusätzlich Michael Buess (Geschäftsführer DemoSCOPE & Vorstandsmitglied von Swiss Insights), Alice Flamant (betriebliche Marktforscherin bei Magenta Telekom Austria sowie Vorstandsvorsitzende des VMÖ) sowie Robert Sobotka (Geschäftsführer Telemark Marketing & Vorstandsmitglied des VdMI) teilnahmen.
Wie hält es nun die Markt- und Sozialforschung mit der Nachhaltigkeit?
Gleich 17 ambitionierte Ziele hat die UN in ihren Sustainable Development Goals (kurz SDGs) definiert. Diese führte ADM Vorstand Sebastian Götte, der gleichzeitig auch Mitglied im Landesvorstand der Grünen in Thüringen ist, ebenso auf wie die fünf Thesen der Nachhaltigkeitsexpertin Maja Göpel. Er erwähnte zudem, dass die britischen Marktforscher sich auf Klimaneutralität bis zum 2026 verpflichteten. Wäre das nicht auch ein Ziel für die deutschen Institute?
Von der Plastiktüte, zum Preisdumping zur Weltrettung
Vom anschließenden Beitrag von Ines Imdahl vom Rheingold Salon zum Thema „Nachhaltigkeit: Was, wenn dem Kunden das egal ist? – Marktforscher zwischen Verantwortung & Realität“ dürfte bei vielen in Erinnerung bleiben, dass Ines Imdahl kürzlich ein Buch geschrieben hat, dessen Cover minutenlang groß eingeblendet war. Das trägt den Titel „Warum Frauen die Welt retten werden und Männer dabei unerlässlich sind“. Wer die Weltrettung in seinen Buchtitel schreibt, hat sich offensichtlich auch Gedanken darüber gemacht, was dafür zu tun ist: Nachhaltigkeit müsse auch Lust machen und nicht nur aus Verzicht bestehen, so die Kölner Psychologin.
Außerdem solle es mehr Vorgaben und einheitliche Regeln für alle geben, wie Imdahl am Beispiel des Plastiktüten-Verbots erläuterte. Zunächst hätten 80 Prozent der Deutschen gegen das Verbot rebelliert. Mittlerweile seien aber 80 Prozent davon begeistert und hätten die Veränderung positiv für sich rationalisiert.
Ihr Appell war außerdem sich nicht am Preisdumping in der Marktforschung zu beteiligen, sondern auch als Branche auf das eigene nachhaltige Wirtschaft zu achten. Das Fazit:

Das Fazit des Impulsvortrag von Ines Imdahl (Screenshot aus dem Vortrag von Ines Imdahl)
Jedes Institut kann etwas zur Erreichung der 17 SDGs beitragen
Sollte ein Institut eigentlich jeden Auftrag übernehmen, auch wenn das Projektziel des Kunden wenig nachhaltig ist? Darf ein Institut noch zum Thema Verpackung (besser vermeiden), SUVs (zu groß und umweltfeindlich), Alkohol, Luxus-Güter oder gender-orientierte Produkte Aufträge übernehmen? Diese grundsätzlichen Fragen stellte Stephan Teuber, Chef der GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung, rhetorisch an den Anfang seines Beitrags.

Die 17 SDGs und die besonderen Schwerpunkte für die Marktforschungsbranche (Screenshot aus dem Vortrag von Stephan Teuber)
Sein Credo: Jedes Institut könne auf vielfältige Art und Weise zur Erreichung der 17 SDGs beitragen. Dabei blies er in dasselbe Horn wie Ines Imdahl und riet dazu, dass die Branche die Nachhaltigkeitskriterien auch auf sich selbst anwenden sollte. Auch wenn ein Handwerksbetrieb deutlich mehr CO2-Emissionen verursache als ein Marktforschungsinstitut, so könne die Branche doch einiges tun. Allen voran Forschung dazu betreiben, wie man Menschen dazu bewegen kann selbst nachhaltiger zu leben. Daneben verwies er auf den fairen Umgang mit Befragungsteilnehmenden (Incentivierung) und Mitarbeitenden (z. B. Entlohnung).
Eine Diskussion, die immer breiter wurde
Bei der anschließenden, von DGOF-Vorstand Otto Hellwig moderierten Podiumsdiskussion wurde schnell deutlich, was das eigentliche Problem in der Nachhaltigkeitsdiskussion ist: Der Begriff Nachhaltigkeit ist thematisch sehr breit. Jeder findet eines von 17 Zielen, in dem vielleicht schon Fortschritte erzielt wurden.
Das wurde direkt im ersten Statement von VdMI-Vorstandsmitglied Robert Sobotka deutlich, der die Diskussion noch um weitere Aspekte wie das Thema Soziale Nachhaltigkeit erweiterte, wo die Betreiber von Telefonstudios gar nicht so schlecht aufgestellt seien. Immerhin würden viele Senioren und Migranten in Telefonstudios als Interviewer arbeiten, wenn auch schlecht bezahlt. Ansonsten fiel Robert Sobotka dadurch auf, dass er Sebastian Götte konsequent Herrn Goethe nannte (ein kleiner, aber feiner Unterschied), für deutsche Ohren ungewohnt salopp von „reinrassigen Österreichern“ im Unterschied zu Migranten sprach und „Menschen mit Behinderung“ grundsätzlich als Behinderte bezeichnete (ebenfalls ein feiner Unterschied). Ebenfalls bemerkenswert seine Idee, dass die Marktforschung für jedes erfolgreich durchgeführte Telefoninterview etwas für einen guten Zweck spenden solle. So könne die Marktforschungsbranche Gutes tun. Leider würde seine Idee bislang nicht so aufgenommen werden.
Michael Buess vom eidgenössischen Verband führte in seinem Statement das grundsätzlichste aller Probleme an, warum das Thema Nachhaltigkeit bislang nicht vorankomme: Bei Swiss Insights seien andere Themen wichtiger gewesen, man habe sich damit noch nicht befassen können.
Wenn sich nicht mal Regierungen dranhalten, müssen wir das als Branche tun?
So wurde die Diskussion schnell mit jedem Statement breit und breiter, wie der Nachhaltigkeitsbegriff eben auch ist. Ungleiche Bezahlung von Männer & Frauen, Frauenquote in Chefetagen, Inklusion und Diversity, regionale Lebensmittel vs. Bio-Produkte. Auch über die besondere Rolle der Marktforschenden in Betrieben und deren Verantwortung wurde gesprochen.
Am Schluss sind wir Dienstleister und am Schluss muss der Kunde entscheiden, was er mit den Ergebnissen macht.
Konkreter wurde es an diesem Abend leider nicht mehr.
Was ist nun das Fazit der Veranstaltung?
Die Veranstaltung der vier Verbände war gelungen. Es wurde viel diskutiert, auch wenn am Ende (noch) nichts Zählbares dabei rausgekommen ist. Die Diskussion zeigte aber auch sehr deutlich, wo das Problem aktuell ist. Es ist mit Reden nicht getan, sondern es geht ums Umsetzen und Verändern.
Greta Thunberg würde die Diskussion wahrscheinlich mit „Blah, Blah, Blah“ zusammenfassen, aber immerhin ist ein Anfang gemacht.
Es wäre gut, wenn die Verbände, allen voran die beiden Deutschen – denen das Thema offensichtlich gerade näher scheint -, die Initiative darin übernehmen würden, wie die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Marktforschungsbranche aussehen sollten. Klimaneutrale Marktforschungsinstitute bis 2025 könnte ein erster wichtiger Schritt sein. Das wäre doch schon mal ein guter Anfang.
Hinweis: Wen das Thema interessiert, dem sei folgende Veranstaltung am 12. Mai, 9h-9:50h, im Rahmen der Woche der Marktforschung empfohlen: Nachhaltigkeit – Wo steht die Marktforschung?
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