Martins Menetekel "Von Entwarnung kann noch keine Rede sein"

Auch wenn sich bei so manchem das Gefühl, Corona sei weg, eingestellt haben mag, ist es aus Sicht von Martin Lindner zu früh, um Entwarnung zu geben. Warum dem so ist, zeigen die Berechnungen und Grafiken des Kolumnisten und Mathematikprofessoren.

Martins Menetekel

An alle treuen Leser!

Selten habe ich so viele Kommentare zu meinen Beiträgen bekommen wie vor vier Wochen. Es hat einige gestört, dass ich etwas vage von "Corona ist weit weg" gesprochen habe.

Ich komme noch einmal darauf zurück. Mir geht es so, dass ich im Umgang nachlässiger geworden bin. Heute ertappte ich mich, wie ich ohne Maske eingekauft habe, obwohl doch die FFP2 Maske einen wirksamen Schutz vor passiver und aktiver Ansteckung bietet. Außerdem ist COVID-19 nicht weg und noch lange nicht überwunden, wie die Grafik der täglich neu gemeldeten Todesfälle zeigt.

Ich beginne dennoch mit positiven Aussichten.

Ich habe exemplarisch die (ungeglätteten) Zuwächse vom Montag auf den Dienstag nach dem Wendepunkt am 16. Juli aufgelistet:

19.07.:  160.691

26.07.:  145.472

02.08.:  102.698

09.08.:    78.698

16.08.:    63.745

23.08.:    60.411

Aber, der Rückgang ist letzte Woche kleiner geworden.

Ein Kommentar meinte, die absoluten Fallzahlen seien wenig aussagekräftig, man kumuliere ja auch nicht alle Verkehrstoten der letzten Jahrzehnte. Diese Bemerkung habe ich beherzigt und die Referenzkurven jetzt nach den Zuwächsen optimiert.

Allerdings hat es eine schwerwiegende Konsequenz, wie ich gleich ausführen werde.

Aber zuerst die Fallzahlen, wie üblich, es sieht fast gut aus:

Was heißt fast? Nun, unsere Referenzkurve ergibt als oberste Schranke 32.260.469, die sind aber bald erreicht. Es fehlen weniger als 300.000 neue Meldungen, damit scheint es, dass unsere Referenzkurve bald ausgedient haben wird.

Jetzt kommt die Grafik der täglichen geglätteten Zuwächse:

Schwarz ist nach der Quadratsummenmethode (Gradientenmethode) optimiert, und wir sehen, dass das Ergebnis ein Maximum rechts vom Maximum der Zuwächse bekommen hat. Das liegt an der Unsymmetrie des Verlaufs der tatsächlichen Zuwächse.

Noch besser sieht man das an der Änderung der Zuwächse, die wichtigste Grafik über den weiteren Verlauf der Epidemie:

Und das bedingt natürlich eine Diskussion! Was ist wichtiger, den Wendepunkt, der bei der Nullstelle liegt, dort zu lassen oder eine in der Breite bessere Approximation zu erhalten?

Ich zeige die Grafik der Zuwächse, wenn man den Wendepunkt festhält und auf den Tag legt, wo die zweite Ableitung zu Null wird:

Man sieht, dass Schwarz recht weit von Violett entfernt ist.

Entsprechend die Änderung der Zuwächse:

Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass die beiden ersteren Kurven das Geschehen besser darstellen und der Wendepunkt nicht überbetont werden sollte.

Resumé: Von Entwarnung kann noch keine Rede sein.

Das bestätigt auch der Reproduktionsfaktor R:

Bis vor einem Monat waren wir auf einem guten Weg, jetzt sind wir es nicht mehr. Auch der Rückgang der 7-Tages-Inzidenzen ist abgeflacht, obwohl weniger getestet wird und damit die Dunkelziffer eher noch negativer sein könnte.

Bedenklich ist immer noch die hohe Todesrate:

Wie schlagen sich die anderen Länder?

Ich habe die 28-Tages-Inzidenzen meiner ausgewählten Staaten im Abstand von acht Wochen grafisch dargestellt, auch hier ein uneinheitliches Bild.

Rot bestimmt die Reihenfolge der Staaten:

Ob es hier immer mit rechten Dingen zugegangen ist?

Bleibt gesund!

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Über die Person

Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.

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