Prof. Dr. Anna Schneider Vom Sportmuffel zur Sportskanone? Warum die Rolle der Motivationspsychologie bei der Gestaltung technologischer Hilfsmittel nicht vernachlässigt werden sollte

Wer kennt es nicht: Die Vorsätze, endlich wieder mehr Sport zu treiben, sind reichlich vorhanden, doch die Umsetzung gelingt nicht immer. Technologische Hilfsmittel wie Wearables können die Motivation steigern und werden in der Bevölkerung immer beliebter. Prof. Dr. Anna Schneider darüber, wie Wearables dabei helfen, uns zu mehr Sport zu motivieren.

Fitnessuhr beim Sport (Bild: picture alliance / dpa-mag | Sony)

Wearables wie Fitnessuhren können dabei helfen, die Motivation für Sport zu steigern. (Bild: picture alliance / dpa-mag | Sony)

Spätestens in Zeiten der Pandemie haben es wohl die meisten von uns feststellen müssen: Schokolade ist in jeglicher Darreichungsform ungemein tröstlich. Und lecker. Und nicht unbedingt (zumindest je nach konsumierter Menge) mit dem Anspruch an ausgewogene Ernährung vereinbar. An sich ja kein Problem, aber durch den Wegfall des Arbeitsweges für die Homeoffice-Beschäftigten schwand auch der alltägliche Weg zur Bahn (oder zum Stellplatz). Fitnessstudios schlossen zeitweise ihre Pforten, das Ausmaß der Bewegung hat bei den meisten also deutlich abgenommen. Die Frage danach, ob eine Jogginghose wohl ein adäquates Kleidungsstück ist, bezog sich plötzlich nicht mehr aufs Fitnessstudio, sondern auf den Alltag.... Doch ich schweife ab.

Laut WHO bewegen wir uns seit Jahren durchschnittlich deutlich zu wenig. In den letzten Jahrzehnten nahm das Ausmaß der körperlichen Aktivität hierzulande stetig ab.

Diese Entwicklung verschärfte sich durch die mit der Pandemie einhergehenden Lebensumstände nochmals deutlich.

Doch was tun? Zwischen guten Vorsätzen und der Umsetzung ebendieser liegen mitunter Welten. Dies können sicherlich die ein oder anderen Leserinnen und Leser mit einer ausgeprägten Historie an guten, aber gescheiterten Vorsätzen bestätigen, oder? Was ist es also nun, das uns dabei hilft, uns auch in Zeiten der Pandemie vom Sofa zu erheben und uns trotz der widrigen Umstände körperlich zu betätigen?

Hier kommt dann die Technik ins Spiel, richtig?

Es sei vorangestellt – auch die ausgefeilteste Technik vermag es nicht, aus Sportmuffeln Sportskanonen zu zaubern. Aber der Markt für Wearables und Fitnessapps ist beeindruckend, daher muss doch was dran sein an der Idee, dass diese schlauen Helferlein uns dabei unterstützen können, uns zu motivieren und längerfristige Veränderungen herbeizuführen. Denn: Wearables befinden sich stetig auf dem Vormarsch. Nach Daten der IDC sind die Absatzzahlen dieser technischen Hilfsmittel von 85 Millionen im Jahr 2015 auf etwa 534 Millionen Einheiten im Jahr 2021 angestiegen. Analysten erwarten weiterhin steigende Zahlen bis auf einen Umsatz von 265 Milliarden US Dollar im Jahr 2026.

Laut einer Definition des Gabler Wirtschaftslexikon sind Wearables Computertechnologien, deren „Sinn und Zweck […] meist die Unterstützung einer Tätigkeit in der realen Welt, etwa durch (Zusatz-)Informationen, Auswertungen und Anweisungen“ ist. Wie diese breite Definition bereits erahnen lässt, ist die Vielfalt der Devices und ihrer Funktionen riesig. So werden unter diesem Begriff sowohl die wohl allseits bekannten Smart Watches gefasst als auch etwas exotischer anmutende Gerätschaften wie smarte Tattoos, PEMF Headbands, oder auch smarte Unterwäsche. Die letztgenannten Vertreter sind übrigens Konsumentinnen und Konsumenten (bislang) eher unbekannt, die Nachfrage vermutlich auch in Zukunft eher als gering einzustufen.

Besonderes Wachstumspotenzial kann hingegen (weiterhin) den bereits ziemlich beliebten Smart Watches und Kopfhörern sowie dem Smartphone attestiert werden. Darüber hinaus wird laut einer Studie in Deutschland besonderes Wachstumspotenzial bei On Body Monitoren gesehen. Generell, so lässt sich feststellen, bieten die heutigen Wearables ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten. Bereits das Smartphone, das wohl die meisten von uns ständig spazieren tragen, kommt mit vorinstallierten Gesundheitsapps daher und ist aufgrund der enthaltenen Sensorik geeignet zur Erfassung, Analyse und Übermittlung zahlreicher Daten. Haben Sie sich einmal die Mühe gemacht, sich mit den Funktionen der vorinstallierten Apps auseinanderzusetzen? Falls ja, haben Sie möglicherweise (ebenso wie ich) erst mal recherchieren müssen, was es mit der bipedalen Abstützdauer auf sich hat. Oder?

Und wofür ist das gut?

Ob und wenn ja, wie genau und in welchem Ausmaß Technologie dabei helfen kann, die eigene Motivation, Sport zu treiben, zu steigern oder aufrechtzuerhalten, ist individuell verschieden. Laut der o. g. Studie betrachten Nutzende die technologische Unterstützung allerdings sehr überwiegend als hilfreich (71 Prozent) bei der Zielerreichung. Das avisierte Verhalten (in diesem Falle Bewegung) konnte durch die Nutzung von Wearables und Apps deutlich gesteigert und gefestigt werden, so die Studie. Daher stellt sich die Frage danach, warum das eigentlich so ist?

Wearables steigern unsere Motivation und Performance, aber warum?

Eine Antwort darauf kann unter anderem Deci und Ryans „Self-Determination-Theory“ liefern. So wurden in einer Studie von Villalobos-Zúñiga und Cherubini (2020) mehr als 200 Apps untersucht und eine Taxonomie auf Basis der SDT entwickelt. 

Im Kern können die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst werden:

Wenn die Technologie es ermöglicht, selbstbestimmt Ziele zu setzen und die Zielerreichung sichtbar zu machen, wird dies von Nutzern als hilfreich und motivationssteigernd wahrgenommen.

Zudem sollten die Rückmeldungen der Technologie unsere Bemühungen wertschätzen, unsere Anstrengungen sichtbar machen und unsere Kompetenzen unterstützend steigern. Denn dann zahle dies auf die Bedürfnisse der Selbstbestimmung und Kompetenz ein und fördere das Ausmaß der (intrinsischen) Motivation.

Und darum sollte es doch tatsächlich gehen, oder? Technik, die es vermag, uns genaues Feedback zu geben und unseren guten Willen zu verstärken. Denn dann – so die Theorie – werden Nutzerinnen und Nutzer in die Lage versetzt, ihre Ziele mit einer größeren Ausdauer,  stärkerem Willen und darüber auch höherer Leistungsbereitschaft zu verfolgen.

 

Über die Person

Prof. Dr. Anna Schneider ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Trier. Ihr zentrales Forschungsinteresse gilt den Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Sie ist Mitglied in verschiedenen Forschungsverbänden und sitzt im wissenschaftlichen Beirat des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste, einem renommierten Think Tank für Kommunikations- und Internetpolitik.

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