40 Jahre Geomarketing in Bonn Vom Geomarketing zu Data Science

Michael Herter, Geschäftsführer von infas 360 und infas LT, zusammen mit Franziska Kern und Julia Kroth (beide infas 360) am Rande der Veranstaltung "Hello Geomarketing" (v.r.n.l.). Die beiden Consultants beschreiben unten im Interview, welche Insights über Geodaten gewonnen werden können. (Foto: marktforschung.de / Alexander Kolberg)
Am ersten Tag im Bonner Kunstmuseum und am zweiten Tag im Hotel Königshof - mit Rheinblick - gab es ein abwechslungsreiches Programm aus Retrospektiven, Diskussionsrunden und praxisorientieren Fachvorträgen. Joachim Lutum und Werner Tappert beispielsweise, Gründer und ehemalige Geschäftsführer der Lutum + Tappert DV-Beratung, blickten auf die Anfänge des Geomarketings und in die Kinderstube der Entwicklung entsprechender Kartensoftware zurück – inklusive unterhaltsamer Anekdoten zur technischen Ausrüstung (bspw. Festplatten mit damals sagenhaften 20MB Speichervolumen), die damals zur Verfügung stand.
Michael Herter wiederum, heutiger Geschäftsführer von infas 360 und infas LT, spannte den Bogen „Vom Geomarketing zu Data Science“. Zudem wurden mit den Teilnehmenden die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz für entsprechende Anwendungen, aber auch Grenzen diskutiert, die durch „Data Ethics“ gesetzt werden sollten. Den tieferen Blick in die Praxis gewährte der zweite Veranstaltungstag: Themen waren u. a.: Neue Möglichkeiten bei B2B-Daten, Regionalisierung von Befragungsdaten am Beispiel des Energiemarktes und Data on Demand – Geocodierungs- und Datendienste für die Optimierung geschäftlicher Prozesse.
Bilderstrecke zu Veranstaltung "Hello Geomarketing"
"Durch die Verknüpfung mit unserer mikrogeographischen Datenbank können wir beliebige Regionalkennziffern berechnen"
Eine genauere Vorstellung der entscheidungsrelevanten Insights, die durch Geomarketing gewonnen werden können, liefert das Interview, das marktforschung.de-Redakteur Alexander Kolberg am Rande der Veranstaltung mit Julia Kroth, Senior Consultant für Data Science, und Franziska Kern, Consultant für Data Science, führte.
Mit welchen auf Geomarketing bezogenen Anfragen kommen Kundenunternehmen typischerweise auf infas 360 zu? Gibt es Schwerpunkte bezüglich der Branche?

Julia Kroth: Die Branchen reichen von Energie, Immobilienwirtschaft, Telekommunikation, Breitbandausbau, Handel, Automotive über Städte und Kommunen bis hin zur Wissenschaft. Viele Kunden benötigen feinräumige Daten, um eigene Analysen zu machen – etwa, um Wärmepumpen zu verteilen, den Breitbandausbau gezielt zu planen oder Immobilienschätzwerte zu berechnen.
Eine Fragestellung kann auch sein: Wo ist es sinnvoll, neue Standorte zu eröffnen, weil in der Region ein hoher Absatz zu erwarten ist? Darüber hinaus werden Kundensegmentierungen angefragt: Entweder das anfragende Unternehmen hat schon eine, dann können wir diese in unserer Befragung reproduzieren und in die Fläche übertragen. Oder wir führen eine neue Kundensegmentierung durch und regionalisieren die Segmente für eine zielgruppengerechte Kundenansprache.
Welche Angebote halten Sie für Ihre Kunden bereit?
Franziska Kern: Unser Portfolio ist breit gefächert. In der Corona-Pandemie haben wir beispielsweise für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Corona-Datenplattform aufgebaut – eine Plattform, in der alle relevanten Kennzahlen auf Kreisebene bis heute und fortlaufend aktualisiert und bereitgestellt werden. Von der Datenrecherche und -aufbereitung über das Design und die Wartung der Plattform selbst stammt alles von uns. Eine ähnliche Plattform ist auch für Energiedaten geplant.
Julia Kroth: Mit unserem CASA Monitor führen wir mehrmals jährlich eine Multi-Client-Studie durch. Kunden können individuelle Fragen einsteuern. Durch die Verknüpfung mit unserer mikrogeographischen Datenbank können wir beliebige Regionalkennziffern berechnen: Beispielsweise Sanierungsquoten, Möbelkaufkraft oder Affinität für Nachhaltigkeit. So haben wir auf Basis von Befragungsergebnissen und unserer Datenbank die Anzahl an Hunden und Katzen für alle Adressen geschätzt. Diese Daten können Tiernahrungshändler bspw. bei der Standortplanung unterstützen. Generell gilt: Wenn wir eine Anfrage auf Basis unseres Datenportfolios und unserer mittlerweile sehr großen Befragungsdatenbank mit über 60.000 Befragten nicht beantworten können, dann können wir das Thema selbst abfragen und regionalisieren.
Wie bereiten Sie die Informationen auf?
Julia Kroth: Wir visualisieren unsere regionalen Daten meist auf Karten. Dafür nutzen wir easymap, die Geomarketing-Software unserer Schwesterfirma infas LT. Damit können Daten auf Karten dargestellt werden, aber auch Vertriebsgebiete oder Standorte analysiert, geplant und reorganisiert werden.
Franziska Kern: Zusätzlich bieten wir die Daten in allen gängigen Tabellenformaten an, inklusive der geografischen Informationen wie Koordinaten. Ein relativ neues Produkt ist unsere API, ein Webservice, über die man jederzeit und überall auf benötigte Daten zugreifen kann. Mit einem entsprechenden Frontend, dass ebenfalls infas LT bereitstellen kann, können so Daten abgerufen und ausgewertet werden, ohne dass man sich super in der Datenanalyse auskennen muss.
Wie werden die Daten durch Sie erhoben? Und: Wie gelingt es Ihnen, Informationen auf PLZ-Ebene bereitzustellen?
Julia Kroth: Wenn eben möglich, arbeiten wir mit amtlichen Daten, beispielsweise des Statistischen Bundesamtes oder des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie. Es kommen aber auch privatwirtschaftliche Anbieter hinzu, beispielsweise die Deutsche Post, Immoscout oder verschiedene Firmendatenbanken. Auch versuchen wir auf Open Data zurückzugreifen. Eine weitere Datenquelle sind unsere Befragungen. Dafür greifen wir auf das Online-Access-Panel bilendi & respondi zurück. Die Panelteilnehmer geben in unseren Befragungen freiwillig ihre Adresse an, wodurch wir unsere CASA-Datenbank anreichern können. Durch statistische Schätzverfahren wie logistische Regressionsanalysen oder Small Area-Methoden schätzen wir die Befragungsdaten dann auf Adressebene und können sie auf beliebige höhere Ebenen hochrechnen, zum Beispiel auf Stadtteil-, PLZ- oder Gemeindeebene.
Wie können Unternehmen die infas-Daten am besten mit ihren eigenen Mafo-Ergebnissen verknüpfen?
Franziska Kern: Wenn Unternehmen selbst eine Umfrage durchführen möchten und sie bei den Befragten zusätzlich die Wohnadresse abfragen (natürlich freiwillig und datenschutzkonform), können wir über anonymisierte Adressschlüssel mikrogeographische Daten aus unserer Datenbank an die Befragung anreichern. So erhält man viele Zusatzinformationen, zum Beispiel das geschätzte Haushaltsnettoeinkommen auf der Adresse, ob der Befragte eine Garage oder eine Solaranlage auf dem Dach hat, den ungefähren Energieverbrauch oder wie nachhaltigkeitsaffin die Person ist. Insgesamt können so mehrere hundert Merkmale den Befragungsdaten hinzugefügt werden. So können auch CRM-Daten mit unseren Daten angereichert werden.
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