Virtuelle Realität – was wirklich dahinter steckt
Mark Zuckerberg hat einen Riecher für vielversprechende Investitionen. Wenn der Facebook-Chef eine Geschäftsmöglichkeit wittert, schlägt er zu. So geschehen beim Messenger-Dienst WhatsApp und beim Social-Media-Netzwerk Instagram. Weitaus weniger Beachtung fand dagegen seine Übernahme des Virtual-Reality-Brillen-Entwicklers Oculus VR Inc. Für einen Kaufpreis von zwei Milliarden US-Dollar sicherte sich Zuckerberg im Jahr 2014 sein Ticket in die virtuelle Realität.
Im Vergleich zum Kaufpreis von WhatsApp, für das Zuckerberg 19 Milliarden US-Dollar in die Hand nahm, klingt der Betrag nach Kleingeld. Doch Zuckerberg investierte in ein Unternehmen, dessen Produkt zum Kaufzeitpunkt noch gar nicht auf dem Markt war. Die VR-Brille Oculus Rift steckte damals noch mitten in der Entwicklung.
Mehr als zwei Jahre später zeigt sich, wie richtig Zuckerberg lag. Heute wird der VR-Brillen-Markt von vier Anbietern bestimmt: Samsung, HTC, Sony – und Oculus. Der Marktführer Samsung Gear verkaufte im Jahr 2016 laut Statista fünf Millionen VR-Brillen, die Oculus Rift liegt mit 3,6 Millionen Stück auf Platz zwei. Statista schätzt den Umsatz mit Virtual Reality bis zum Jahr 2020 auf mehr als eine Milliarde Euro. Davon könnten rund 730 Millionen Euro auf Inhalte, also Anwendungen und Spiele, entfallen. Das zeigt: In der Gamer- und Unterhaltungsszene ist VR bereits angekommen. Auch viele Marktforschungsinstitute beschäftigen sich mit der virtuellen Realität – stehen hier aber noch am Anfang.
Woher kommt VR?
Der Begriff Virtual Reality hat seinen Ursprung in der Literatur. Science-Fiction-Autor Stanley G. Weinbaum schrieb im Jahr 1935 in seiner Kurzgeschichte „Pygmalion‘s Spectacles“ von Videobrillen, die mit künstlichen Sinneserfahrungen einhergehen. Harvard-Student Ivan Sutherland setzte die Idee in den 1950er Jahren dann in die Realität um und entwickelte das sogenannte Damoklesschwert: Das visuelle Ausgabegerät wurde am Kopf getragen und stellt ein am Computer erzeugtes Bild direkt vor den Augen dar. Diese Konstruktion wird von VR-Experten als frühe Form der sogenannten Head-Mounted-Displays angesehen. Doch erst in den 1980er Jahren nahm die technische Entwicklung weiter an Fahrt auf. So lief im Jahr 1985 ein VR-Projekt bei der US-Raumfahrtbehörde NASA, das Astronauten bei der Kontrolle der Raumfahrzeuge helfen sollte. Im Jahr 1987 hielt der Begriff dann Einzug in das Oxford Dictionary.
Wie funktioniert VR?
In der virtuellen Realität wird eine realitätsnahe Umgebung simuliert. Das geschieht durch eine Computergrafik, die auf Benutzereingaben reagiert. Dahinter steht ein sogenannter VR-Engine: Ein Hochleistungsrechner, der mit entsprechender Software ausgestattet und an eine Datenbank gekoppelt ist, stellt die zentrale Komponente eines VR-Systems dar. Gibt der Nutzer Steuerungsbefehle, greift der Computer auf die Datenbank zu und setzt Befehle in Echtzeit um – User und virtuelle Realität interagieren quasi miteinander.
Die Interaktionen erfolgen zum Beispiel durch Datenhandschuhe, indem der Nutzer Steuerbefehle an die Computersoftware gibt. Greift er mit dem Datenhandschuh beispielsweise nach einem Gegenstand in der virtuellen Welt, wird die Tastbewegung durch haptische Sensoren umgesetzt. Bei Datenhelmen und VR-Brillen ist das Prinzip ähnlich: Dort sind entsprechende Sensoren eingearbeitet, die Kopfbewegungen in 3D-Steuerungsbefehle umsetzen. Dreht der Nutzer seinen Kopf, bewegt sich das Bild mit. Durch das sogenannte Head Tracking entsteht der Eindruck eines umfassenden Bildes, das den kompletten Raum einnimmt.
Wie beeinflusst VR die Marktforschung?
Virtual Reality birgt für Marktforschungsfragen Potenzial: In einer computergenerierten Wirklichkeit können Produkte realitätsnah mit Bild und Ton getestet werden. Am gängigsten ist die Übertragung der virtuellen Welt auf ein sogenanntes Head-Mounted-Display – zum Beispiel eine VR-Brille, die man am Kopf befestigt. Durch die 3D-Optik und das sich über das Sichtfeld hinaus erstreckende Bild hat der Proband das Gefühl, mit der virtuellen Realität zu verschmelzen. Diese sogenannte Immersion ist ein zentraler Bestandteil von VR.
Neben klassischer VR-Tests gibt es die Sonderform der gemischten Realität, oftmals als Augmented Reality bezeichnet. Um sich in dieser zu Deutsch “erweiterten Realität“ zu bewegen, sieht der Proband durch eine Spezialbrille zwar weiterhin die Realität, es werden ihm aber überlagerte VR-Bilder eingeblendet.
Die Vorteile der VR-Tests liegen auf der Hand:
· Virtuelle Welten sind kostengünstiger als reale Settings
Das zeigt sich am Beispiel der Automobilindustrie. Klassische Car Clinics, in denen Probanden mehrere Fahrzeuge bewerten, sind mit hohem logistischem Aufwand verbunden. Nicht nur die Fahrzeuge, auch die Probanden müssen zum Testort gebracht werden. Virtuelle Car Clinics dagegen können überall umgesetzt werden, mit geringem logistischen Aufwand.
· Forscher sehen die Reaktionen der Probanden in Echtzeit
Meist verfolgen sie die Kopfbewegungen der Testpersonen auf einem Bildschirm und können so gezielt Fragen stellen. Die Forscher können auch das Setting mit nur wenigen Klicks anpassen und so noch stärker auf den Probanden eingehen.
· Probanden verschmelzen mit der Testumgebung
Sie können nach Gegenständen greifen, diese verschieben und durch den virtuellen Raum laufen. Die Testpersonen setzen sich lebhaft und intensiv mit der Testumgebung auseinander, was zu aussagekräftigen Ergebnissen führt.
Aufgrund der Komplexität und der Neuartigkeit von Virtual Reality gibt es allerdings auch Grenzen:
· Der Umgang mit VR-Hardware ist herausfordernd
Vor allem für ältere Probanden eignet sich Marktforschung via Datenbrille nur in wenigen Fällen. Während Computerspieler intuitiv mit ihr umgehen, ist der Klärungsbedarf bei Senioren hoch und die Einweisung der Testpersonen zeitintensiv.
· Nicht alle Testpersonen eignen sich
Klinische Studien zeigen, dass einigen Nutzern bei der Verwendung von VR-Brillen übel wird. Das verfälscht die Marktforschungsergebnisse und schränkt die Stichprobe ein.
· Die Entwicklung der VR-Technologie steht noch am Anfang
Vor allem bei komplexen Darstellungen ist die Auflösung noch leicht verpixelt. In den kommenden Jahren erwarten Experten allerdings verbesserte technische Komponenten und eine stärkere Rechenleistung der VR-Hardware.
marktforschung.de Redaktion
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