Applied Science Verstehen Sie Spaß? Wenn Unternehmen auf Social Media Witze machen

In der schnelllebigen Welt der sozialen Medien, in der ein Tweet (oder Xeet?!) viral gehen kann, bevor Sie geblinzelt haben, stehen Marken vor der Herausforderung, schnell und gekonnt mit Kritik in “Echtzeit” umzugehen, damit die Marke gestärkt und nicht geschwächt wird. Das millionenfach geteilte Selfie eines Taco Bell-Mitarbeiters, der Taco-Schalen ableckt – eine Katastrophe oder eine Gelegenheit? Die Antwort ist komplizierter als es scheint. Höchste Zeit also, dass sich die Kolumnisten Fretschner und Lüdtke dieses Thema vorknöpfen und ihre Erkenntnisse mit uns teilen.

Die amerikanische Fastfood-Kette KFC nutzte Humor meisterhaft, indem es seine Initialen kreativ umwandelte und auf die Frustration der Kunden in einer Krisensituation eingehen konnte (Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Weingartner-Foto).

Beispiele aus der Praxis und aktuelle Forschung zeigen, dass informelle und humorvolle Reaktionen auf Kritik, Krisen und Fails in sozialen Medien eine positivere Wahrnehmung von Unternehmen erzeugen können, doch die Ergebnisse sind nicht eindeutig. Die amerikanische Fastfood-Kette KFC nutzte Humor meisterhaft, indem es seine Initialen kreativ umwandelte und auf die Frustration der Kunden in einer Krisensituation eingehen konnte. Nachdem mehrere Filialen in England aufgrund von Lieferengpässen und entsprechendem Mangel an Hühnchenteilen dicht machen mussten, startete KFC eine großangelegte Kampagne, auf der einer der berühmten Fresseimer der Kette zu sehen war, nur dass die Buchstaben des Logos zu “FCK” (sprich F*CK) gereiht wurden -  zusammen mit einer kleingedruckten Entschuldigung und Erklärung für die Umstände. Diese Selbstironie wandelte die vorher negative Stimmung und führte zu einer positiveren Wahrnehmung des Unternehmens und einer enormen Steigerung von Markenbekanntheit und Markenbewertung. Andererseits fiel die amerikanische Talkshow-Hostess Ellen DeGeneres mit ihrem humorvollen Versuch durch, auf Vorwürfe eines "toxischen Arbeitsumfelds" in ihrer Produktion zu reagieren – der Schuss ging nach hinten los. Auch bei deutschen Unternehmen finden wir gelungene und weniger gelungene Versuche, humorvoll mit Kritik und Krisensituationen umzugehen. Die deutsche Bahn liefert Beispiele für sehr gelungene Reaktionen, ist aber auch mit humorvollen und bissigen Kommentaren auf Social Media schon mächtig auf die Hose gefallen. Die Lehre? Humor ist als Werkzeug der Unternehmenskommunikation offensichtlich ein zweischneidiges Schwert.

Was bedeutet das für uns als Marktforscher? Wir stehen an der vordersten Front, um die Kommunikation unserer Arbeitgeber und Kunden in der Ära der sozialen Medien zu verstehen und zu gestalten. Die Frage ist nicht nur, ob Humor verwendet werden sollte, sondern wie und wann er am wirkungsvollsten ist. 

In dieser Kolumne greifen daher die Ergebnisse eines aktuellen Paper aus dem renommierten Journal of Interactive Marketing auf, in dem ein chinesisches Forschungsteam untersucht hat, wie die Art des negativen Ereignisses – verteidigbar oder unentschuldbar – darauf wirkt, ob Humor ein Ass im Ärmel oder ein Eigentor ist.

Sie stellen die Hypothese auf, dass in verteidigbaren Vorfällen, bei denen die Marke nicht direkt schuld ist, Humor die Situation entschärfen und zu einer positiveren Haltung gegenüber dem Unternehmen führen. Wenn jedoch das Negative unentschuldbar ist, würde ein humorvoller Beitrag das Feuer nur noch mehr anfachen. 

Methodisches Vorgehen

Die Untersuchung ist in drei Studien unterteilt. 

In der ersten Studie wurde der grundsätzlichen Frage nachgegangen, ob eine humorvolle Reaktion auf Social Media zu einer positiveren Unternehmenswahrnehmung führen. Hierfür untersuchten die Forscher zwei unterschiedliche (zu rechtfertigende) Problemfälle der chinesischen Suchmaschine Baidu, auf die das Unternehmen einmal humorvoll und einmal förmlich geantwortet hat. Im Anschluss wurden alle Socialmedia-Kommentare und Reaktionen von Konsumenten zu den jeweiligen Posts gesammelt und mit Hilfe von Sentimentanalysen untersucht. Es zeigte sich, dass in den Reaktionen auf die humorvolle Kommentierung durch das Unternehmen eine signifikant positivere Stimmung herrschte als beim förmlichen Kommentar. 

In der zweiten Studie wurde der angenommene Interaktionseffekt in den Mittelpunkt gerückt, also die Frage, ob die Wirkung einer humorvolle Reaktion besonders davon abhängt, ob das Unternehmen die Krisensituation zu verschulden hat oder unverschuldet in diese geraten ist. Hierfür untersuchte das Forschungsteam 572 negative Reviews zu Schuhkäufen auf dem Onlinemarktplatz TAOBAO (die “Problemfälle”), auf welche die verkaufenden Unternehmen reagiert hatten. Bei 68,2 Prozent der Reviews stellten unabhängige Kodierer fest, dass der Sachverhalt entschuldbar war und bei 23,8 Prozent der Reaktionen wurde eine humorvolle Antwort der Unternehmen festgestellt. Da für die entsprechenden Schuhe ebenfalls Verkaufszahlen vorlagen, konnte die Wirkung der Kommentare auf den Abverkaufserfolg im Rahmen einer Regressionsanalyse untersucht werden. Die Ergebnisse sind spannend. Zunächst wird deutlich, dass unentschuldbare Kritik negativ mit dem Umsatz assoziiert ist. Allerdings bestätigt das Team den angenommenen Interaktionseffekt: Die Ursache der Kritik beeinflusst, wie Humor auf die Reaktion der Zielgruppen wirkt. Hat es der Verkäufer verbockt, sollte er nicht mit Humor auf Kritik antworten, da dies sich besonders negativ auf die Abverkaufszahlen auswirkt.

Da die vorherige Feldstudie als abhängige Variable “Umsätze” betrachtete und hier annehmbar viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, untersuchen die Forscher in einer abschließenden dritten Studie, wie sich die konkrete Einstellung gegenüber dem Unternehmen in dem Moment verhält, in dem Probanden mit förmlicher oder humorvoller Kommunikation auf die unterschiedlichen Arten der Krise konfrontiert werden. Im Rahmen eines Laborexperiments wurde den Subjekten ein hypothetischer viraler Krisenfall eines Smartphoneherstellers von einem ausgebrannten Mobiltelefon geschildert. Bei der einen Hälfte der Subjekte war die Ursache ein Qualitätsproblem des Originalnetzteils, bei den übrigen Subjekte war die Ursache, dass ein defektes Netzteil von Drittanbietern verwendet wurde. Gleichzeitig wurde für jeweils die Hälfte der Subjekte die Reaktion auf den Fall entweder humorvoll (z. B. “Das Smartphone hat sich aus Zeichen der Loyalität selbst entzündet”) oder förmlich (z. B. “Das Problem mit dem Smartphone ist auf die Verwendung eines unautorisierten und defekten Netzteils zurückzuführen”) für die beiden Szenarien manipuliert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle 1) dargestellt.

Tabelle 1: Ergebnisse des Laborexperiments (in Anlehnung an Yu et al. 2022)

Wir erkennen nun im Laborexperiment eindeutig den vermuteten Interaktionseffekt: In einer nicht entschuldbaren Situation ist die Einstellung gegenüber der Reaktion des Unternehmens dann positiver, wenn das Unternehmen die Situation förmlich kommentiert. Ist das Unternehmen andererseits glaubhaft in der Situation entschuldbar, führt eine humorvolle Reaktion zu einer wesentlich positiveren Einstellung auf die Reaktion des Unternehmens.

Wrap-up und Take-Aways

Lassen Sie uns zusammenfassen, was wir über die humorvolle Kommunikation in den sozialen Medien herausgefunden haben.

Stellen Sie sich vor, Ihre Marke wäre gerade ins Fettnäpfchen getreten. Eine heikle Situation, nicht wahr? Aber anstatt die Stirn in Sorgenfalten zu legen, hat unser Forschungsteam herausgefunden, dass ein Lächeln – oder besser gesagt ein humorvoller Kommentar – das Ruder herumreißen kann. Tatsächlich zeigt sich, dass humorvolles Reagieren auf negative Ereignisse die Kundenbindung erhöhen und sogar den Umsatz ankurbeln kann – zumindest, wenn das negative Ereignis verteidigbar ist.

Wie in einer guten Komödie, spielt das Timing eine entscheidende Rolle. Wenn das Unternehmen einen Fehler gemacht hat, der verteidigbar ist, dann kann ein Scherz die Wogen glätten und die Konsumenten amüsieren, was wiederum zu einer positiven Einstellung gegenüber der Marke führt. 

Aber Vorsicht! Nicht jeder Scherz kommt gut an. Wenn das Fehlverhalten nicht zu rechtfertigen ist, dann kann der Versuch, humorvoll zu sein, nach hinten losgehen. Statt Gelächter ernten Sie dann missbilligende Blicke und im schlimmsten Fall sogar einen Rückgang der Verkaufszahlen. Hier ist es besser, den Clownsnasen eine Pause zu gönnen und stattdessen auf ernstere Kommunikationsweisen zurückzugreifen.

In diesem Sinne, behalten Sie stets Ihre Social Streams im Blick und einen lockeren Spruch auf den Lippen.

 

Über die Personen

Prof. Dr. Michael Fretschner ist Co-Gründer der smart impact GmbH und Professor für Marketing & E-Commerce an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.

Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke ist Co-Gründer der smart impact GmbH sowie Professor und Studiengangsleiter für E-Commerce an der Fachhochschule Wedel.

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de