Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Verantwortung zwischen Lüge und Wahrheit

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)
Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann
Der Bundesjustizminister hat jüngst folgenden Satz gesagt: "Spötter behaupten ja, die häufigste Lüge im digitalen Zeitalter sei der Satz: "Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin mit ihr einverstanden." In der Tat dürfte die Aussage einigen Wahrheitsgehalt haben. Die Karikaturisten Greser & Lenz haben kürzlich nicht gelogen sondern erschreckend offen die Wahrheit gesagt: "…unser kinderfrommer Christkatholizismus ist uns auch im Internet Sicherheit genug." lautete ihre Antwort auf eine Reihe von Fragen zum Umgang mit den Risiken des Internets.
Vielleicht sind diese beiden Aussagen typisch für unseren Umgang mit dem Internet. Was ist an der Datenschutzerklärungslüge problematisch? Dass es eine Lüge ist doch wohl nicht. Die meisten von uns lügen häufig im Kleinen und im Großen. Man kann damit umgehen, weil man seit Kindesbeinen weiß, was man vom Lügen zu halten hat und man kann die negativen und positiven Konsequenzen des Lügens einschätzen und die Verantwortung dafür übernehmen.
Die Datenschutzerklärungslüge ist eine besondere Lüge
Bei der Datenschutzerklärungslüge handelt es sich aber um eine besondere Lüge. Man weiß zwar, dass man lügt, kennt aber die Konsequenzen der Lüge nicht. Dazu müsste man ja den Gegenstand der Lüge – also die Datenschutzerklärung kennen. Dort erfährt man grundsätzlich, welche Risiken man eingeht. Die Dienste erklären, wie sie die Daten nutzen können. Sie lassen sich Nutzungsrechte einräumen, ohne jedoch zu erklären, ob sie davon Gebrauch machen.
Man erfährt also nicht, was die Konsequenzen der Datenschutzerklärungslüge sind. Deshalb kann man sie auch nicht verantworten. Das macht diese Lüge so besonders. Hier hilft jedenfalls für alle die es mit Greser & Lenz halten, der Liebe Gott der Christkatholiken. Der aber auch nur, wenn man kinderfromm ist.
Verantwortung vs. Kinderfrömme
Wem es an so viel Gottvertrauen fehlt, der sollte sich Gedanken darüber machen, wie er seine Verantwortung im Netz übernehmen kann. Das Problem ist nur, dass man die Mechanismen im Netz weder beherrschen noch verstehen kann. Wie übernimmt man denn Verantwortung für etwas, was man weder beherrschen noch verstehen kann?
Das macht man in ganz kleinen Schritten. Man sollte sich, bei allem, was man im Netz macht, die Frage stellen ob es nötig ist. Das reicht von der Benutzung von Siri, über die Kommunikation in sozialen Netzwerken und Messangerdiensten. Natürlich kann es nicht darum gehen, die Zeit zurückzudrehen. Dennoch muss es darum gehen, auch in der modernen Zeit Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. In der Tat stellt sich im Netz oft nicht die Frage, ob man eine Straße mit Ampel bei rot, gelb oder grün überqueren soll, weil man schon die Ampel nicht sieht. Um das Sehen der Ampel geht es aber, wenn man sich verantwortungsbewusst verhalten will. Klar ist nämlich eines: Gleich, ob es die digitalen Ampeln, die uns vor Gefahren in der digitalen Welt schützen gar nicht gibt, oder ob wir sie nicht sehen: Die rechtliche Verantwortung für das, was uns im Netz zustößt, tragen wir in erster Linie selber.
Zur Person:
Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!).
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