Aktuelle Rechtsfragen aus der Marktforschungspraxis Verantwortlichkeit und Haftung bei Anbietern von Telemediendiensten

Dr. Ralf Tscherwinka (Dr. Hönig Rechtsanwälte)

Dr. Ralf Tscherwinka (Dr. Hönig Rechtsanwälte)

Von Dr. Ralf Tscherwinka

Gegenstand unserer heutigen Kolumne ist die Verantwortlichkeit und die Haftung bei Internet-Auftritten für deren Inhalte – ein Thema, das bei Marktforschungsinstituten immer virulenter wird. Im Wesentlichen geht es dabei um Fragen des Telemedienrechts (1) sowie des Urheberrechts (2). Zwei in diesem Zusammenhang bedeutsame Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) habe ich ausführlich und im Einzelnen unter (3) erörtert, auch wenn diese Urteile natürlich bereits in den voranstehenden Erläuterungen zitiert und angesprochen werden. Diese Urteile scheinen mir aber derart exemplarisch zu sein und sind gut begründet, so dass sich für Ihre tägliche Praxis daraus sicherlich nützliche Erkenntnisse gewinnen lassen.

1. Verantwortlichkeit und Haftung der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz (TMG)

a) Einseitige Haftungsausschlussformulierungen bei Web-Auftritten von Unternehmen sind zwar häufig zu finden, sind aber wirkungslos. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass eine derartige einseitige Haftungsklausel (Waiver oder Disclaimer) Bedeutung habe – Sie können auch nicht im Straßenverkehr teilnehmen und sich dadurch, dass Sie einen Aufkleber auf die Windschutzscheibe kleben, „ich hafte nicht“ sich von Ihren Schadensersatzpflichten befreien. Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen werden erst dann wirksam, wenn sie in einen Vertrag einbezogen worden sind; allein die Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihre einseitige Präsentation reicht grundsätzlich nicht aus. Einseitig können Sie erklären, so viel Sie wollen, wirksam wird es dadurch nicht.

b) Der Anbieter eines Internetportals kann grundsätzlich verantwortlich gemacht werden, wenn er sich Inhalte zu eigen macht (BGH Urteil vom 12. Dezember 2009, Az.: 1 ZR 166/07). Meine Empfehlung kann und muss daher sein, dass unternehmensintern alles getan wird, um Prüfungspflichten festzulegen und Prüfungsprozesse einzuleiten und zu überwachen, um entweder ein „zu Eigen machen“ zu verhindern oder hinsichtlich der Verantwortlichkeiten und Haftungsrisiken damit sorgfältig umzugehen.

c) §§ 7 bis 10 TMG beinhalten Regeln zur Haftung und zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern. Betrachten wir daher zunächst, was eigentlich ein „Diensteanbieter“ im Sinne des TMG ist:

Gemäß § 1 Abs. 1 TMG gilt dieses Gesetz „für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes … sind“.

Was bedeutet das? Das Gesetz geht nach dem Ausschlussprinzip vor. Zunächst wird gefragt, was Telekommunikationsdienste sind. Bei diesen handelt es sich nach § 3 Nr. 24 TKG um Dienste, die „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Hierzu zählt z.B. auch die Internet-Telefonie. Nicht unter das TMG fallen daher nur diejenigen Telekommunikationsdienste, die „ganz“ in der Übertragung von Signalen bestehen. Sowohl dem TKG als auch dem TMG unterfallen diejenigen Dienst, die nur „überwiegend“ den Transport von Signalen übernehmen.

Telemedien sind z.B. Online-Angebote von Waren und Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, multimediale Presse, News-Clubs, Chatrooms und Teleshopping (vergleiche Telekommunikations- und Telemediarecht, Beck-Texte im DTV, Einführung III. Ziffer 1) sowie u. a. Blogs und Community-Plattformen.

Diensteanbieter ist im Sinne des TMG jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereit hält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, § 2 Abs. 1 Ziffer 1 TMG.

d) Für die Verantwortlichkeit dieser Telemedien-Dienste-Anbieter werden Verantwortlichkeit und Haftung in den §§ 7 bis 10 TMG geregelt. Das Gesetz differenziert hier zwischen eigenen und fremden Informationen.

Nach der Grundregel des § 7 TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Für fremde Inhalte gilt eine abgestufte Regelung gemäß §§ 7 Abs. 2, 8, 9 und 10 TMG. Das TMG schafft keine eigene Haftungs- oder Schadensersatzgrundlage, sondern beschränkt die Anwendbarkeit dieser allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen. Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 7 Abs. 2 TMG). All dies ist eine Sonderregelung für Internet-Auftritte.

Gemäß § 8 TMG sind Diensteanbieter (Zugangsanbieter, Access-Provider) für fremde Informationen, die sie übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie insbesondere die Übermittlung nicht veranlasst und die Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (§ 8 Abs. 1 Ziffern 1 und 3 TMG).

Diensteanbieter (Host-Provider) sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (§ 10 Satz 1 Ziffer 1 TMG) oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben (§ 10 Satz 1 Ziffer 2 TMG).

e) Im Einzelnen:

  • Der Host-Provider hat nach § 10 TMG grundsätzlich keine Verantwortung für fremde Informationen, die er für einen Nutzer speichert. Man haftet selbstverständlich für eigene Inhalte gemäß § 7 Abs. 1 TMG. Man haftet im Übrigen für fremde Inhalte, wenn man sie sich zu eigen macht und ab Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten, insbesondere bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
  • Der Access-Provider, der lediglich eine Zugangsvermittlung zu einem Kommunikationsnetz gewährt, ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG grundsätzlich haftungsfrei. Er ist (noch) haftungsprivilegiert, weil der Gesetzgeber generell davon ausgeht, dass der Diensteanbieter typischerweise keine Kenntnis vom Inhalt der weitergeleiteten Informationen hat.
  • Bei der Haftung für „User generated content“ handelt es sich um Inhalte Dritter, die erkennbar für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Bei der Entscheidung des BGH vom 12. November 2009 ging es um das Einstellen von Kochrezepten und Bildern, bei der der BGH zum Ergebnis kam, dass sich hier der Host-Provider diese Rezepte, Texte und Bilder zu eigen gemacht hat und daher haftet. Laut BGH macht man sich Fremdinhalte insbesondere dann zu eigen, wenn
  • der Inhalt vor der Freischaltung überprüft wird
  • man sich daran Nutzungsrechte einräumen lässt
  • das Ganze durch eigene Kennzeichen, Embleme o. ä. gekennzeichnet wird und
  • redaktionell eingebettet wird
  • Bei YouTube sieht man grundsätzlich keine Vorabprüfungspflicht, weil man hier davon ausgeht, dass sich YouTube die Inhalte nicht zu eigen macht. Das ist allerdings heftig umstritten. Dies hängt mit der oben bereits angesprochenen Frage zusammen, ob man in YouTube einen Host-Provider oder einen Service-Provider sieht. YouTube stellt sich natürlich auf den Standpunkt, Host-Provider zu sein und nicht zu wissen, was auf seiner Plattform läuft. Die GEMA dagegen vertritt die Auffassung, YouTube sei ein klassischer Service-Provider, der Inhalte einstellt, sie bewirbt und darauf sein Geschäftsmodell gründet (vergleiche Heker in SZ vom 11. Januar 2013, S. 11). Als Host-Provider kann sich YouTube bisher auf die Anonymität und auf die sehr harmlose Störer-Haftungsfolgen des Telemediengesetzes zurückziehen. Das Ganze ist in der Kommentarliteratur und gerichtlich höchst umstritten.
  • Diese Anonymität im Internet wird derzeit heftig angegriffen und kritisiert. Sie führt dazu, dass anonyme Facebook-Party-Einladungen, religiös diskriminierende Beleidigungen etc. kaum verfolgt werden und die Geschädigten letztlich leer ausgehen, allenfalls einen Löschungs- oder Unterlassungsanspruch haben. Es werden daher derzeit neue alternative Modelle diskutiert, insbesondere dahingehend, dass jeder Provider gleichbehandelt wird und sich vorab entscheiden muss, ob er Anonymität gewährleistet (dann haftet er selbst) oder nicht (dann haftet er nicht, gewährt aber auch keine Anonymität und jeder ist für seinen Beitrag selbst verantwortlich); man denkt hier in die Richtung einer Haftung wie im Presserecht. Andere wollen § 13 Abs. 6 TMG, der die Anonymität im Netz garantiert, komplett streichen.

f) Die Haftungsprivilegierung der §§ 7 ff. TMG gilt nicht für Unterlassungsansprüche (dies führt zumindest zu einer mittelbaren Mitverantwortlichkeit für im Internet abrufbare Informationen). Es bedarf sicherlich keines ausdrücklichen Hinweises darauf, dass das Auseinanderklaffen von Schadensersatzansprüchen einerseits und Unterlassungsansprüchen andererseits stark kritisiert wird. Man muss es wissen.

2. Verantwortlichkeit gemäß Urheberrecht

a) Urheberrechtlichen Schutz genießen persönliche geistige Schöpfungen (Werke) zur Literatur, Wissenschaft oder Kunst und Musik  (§§ 1, 2 Urhebergesetz). Das gilt bei Sprachwerken, also der Verarbeitung und Speicherung von Texten. Geschützt ist ein Sprachwerk dann, wenn es eine „gewisse Schöpfungshöhe“ hat. Es kommt weder auf die Länge noch auf das Niveau an, auch die sogenannte „kleine Münze“ wird urheberrechtlich geschützt. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles an, was die Gesamtbewertung natürlich problematisiert und die Risiken, urheberrechtswidrig vorzugehen, erhöht.

Eine Vervielfältigungshandlung gemäß Urhebergesetz ist insbesondere die Übernahme eines derartigen Textes in die Datenbank und die Weiterleitung an Dritte, insbesondere an Kunden. Zwar hat der BGH das bloße Einstellen von Inhalten ins Internet, ohne von bestehenden Schutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen, als Einwilligung in die Verwendung der Inhalte durch Suchmaschinen dargestellt. Allerdings wird in der Kommentarliteratur heftig darüber gestritten, ob dies auch auf andere Fälle wie z.B.  Social Media Monitoring übertragbar ist. Zum einen sind technische Möglichkeiten für viele Nutzer weder bekannt noch verfügbar. Nicht jeder Internetnutzer muss Monitoring-Indexierungen oder andere Verwertungen (etwa bei Communities) kennen oder damit rechnen. In der Regel muss man daher davon ausgehen, dass hierfür weder eine konkludente noch eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt.

b) Selbstverständlich können Texte ohne urheberrechtlich relevante Schöpfungshöhe in Datenbanken aufgenommen und weitergeleitet werden.

c) Links zu Originalquellen stellen nach ständiger Rechtsprechung keine urheberrechtliche Verletzungshandlung dar (BGH MMR 2003, 719). Nach inzwischen wohl gefestigter Auffassung des BGH liegt „im Setzen einer elektronischen Verweisung (Link) kein öffentliches Zugänglichmachen nach § 19 a Urhebergesetz“. Ein Link verweise lediglich auf ein Werk, das bereits zuvor öffentlich gemacht wurde; darin liege kein erneutes Zugänglichmachen (BGH vom 12. November 2009, 1 ZR 166/07, Randziffer 27).

d) Ohne Einwilligung sind Verwertungen, Veröffentlichungen etc. ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild und können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen. Wenn im Einzelfall die Rechtslage einer wirksamen Einwilligung ungeklärt ist, sind Risiken derartiger Ansprüche zu vermeiden, auch wenn der BGH in einer Entscheidung vom 19. Oktober 2011 (I ZR 140/10) folgende Ausführungen gemacht hat:

„Eine (schlichte) Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes als Vorschaubild in Ergebnislisten von Bildersuchmaschinen liegt auch dann vor, wenn ein Dritter die Abbildung mit Zustimmung des Urhebers ins Internet eingestellt hat, ohne technische Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen.“

Außerdem hat der BGH ausgeführt:

„Eine vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten erklärte Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines Werkes als Vorschaubild erstreckt sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen dieses Werkes, die nicht vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt worden sind.“

Solange man allerdings über die Einwilligung nichts genaues und konkretes (belastbares) in Erfahrung bringen kann und sich auf Vermutungen stützt, sollte man sich auf diese Rechtsprechung (zu Vorschaubildern) nicht verlassen. Der BGH hat, wie unten noch im Einzelnen ausgeführt wird, diese Haftungsprivilegierung nur für den derartigen Fall angewandt, insbesondere im Einzelfall auf erhöhte Sorgfaltspflichten hingewiesen.

e) Hinzu kommt, dass der Betreiber eines Internetportals für die zu eigen gemachten, hochgeladenen, fremden Bilder grundsätzlich haftet (BGH Urteil vom 12. November 2009, I ZR 166/07):

„Eigene Inhalte sind nicht nur selbst geschaffene, sondern auch solche Inhalte, die sich der Anbieter zu eigen macht. Maßgeblich ist dafür eine objektive Sicht auf der Grundlage einer gesamten Betrachtung aller relevanten Umstände.“

3. Betrachten wir nach den vorherstehenden Ausführungen die bereits genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nochmals genauer. Es lohnt sich. Der Blick in die Begründung dieser Urteile erhellt die vorstehenden Ausführungen zum Gedankenaufbau des Bundesgerichtshofs zur Verantwortlichkeit von Internetportalbetreibern sehr deutlich.

a) Chefkochentscheidung (Marions-Kochbuch.de)

Der Leitsatz des BGH (Az. 1 ZR 166/07) in der am 12. November 2009 verkündeten Entscheidung lautete wie folgt:

„Der Betreiber eines Internetportals, in das Dritte für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte (hier: Rezepte) stellen können, haftet für diese Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er die eingestellten Inhalte vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie sich damit zu eigen macht. Das gilt auch dann, wenn für die Nutzer des Internetportals erkennbar ist, dass die Inhalte (ursprünglich) nicht vom Betreiber, sondern von Dritten stammen. Ein Hinweis darauf, dass sich der Portalbetreiber die Inhalte zu eigen macht, liegt auch darin, dass er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen.“

Im Tatbestand ging es um folgendes: Der Kläger erstellte Fotografien von Speisen, die zusammen mit den entsprechenden Rezepten auf der mit seiner Ehefrau betriebenen Internetadresse „www.Marions-Kochbuch.de“ kostenlos abgerufen werden können. Die Beklagte bot unter der Internetadresse www.chefkoch.de ebenfalls eine kostenfreie abrufbare Rezeptsammlung an. Diese Rezepte stammten zum erheblichen Teil von Privatpersonen, die selbständig Rezepte und Bilder (Dritter) auf die Internetseite www.chefkoch.de hochladen können. Nach den dort hierfür gegebenen Hinweisen wurden die Rezepte allerdings erst freigeschaltet, nachdem sie von der Redaktion der Beklagten (www.chefkoch.de) sorgfältig gesichtet und auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft wurden. Die von den Nutzern hochgeladenen Texte und Bilder wurden von der Beklagten Dritten auch zur weiteren kommerziellen Verwertung angeboten (Randziffer 4 des Urteils).

Der BGH räumte dem Kläger (insbesondere aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 2 Nr. 2 Urhebergesetz) einen Unterlassungsanspruch ein. Die Bereitstellung von Lichtbildern des Klägers zum kostenlosen Abruf unter der Internetadresse www.chefkoch.de verletzte das ausschließliche Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19 a Urhebergesetz). Die Lichtbilder wurden ohne klägerische Zustimmung auf die Internetseite der Beklagten gestellt.

Zwar findet gemäß §§ 8 bis 10 TMG grundsätzlich nur eine eingeschränkte Haftung Anwendung, die laut BGH auch unabhängig davon gilt, „dass diese Bestimmungen urheberrechtliche Unterlassungsansprüche nicht vollständig ausschließen“. Allerdings haftet der Portalbetreiber jedenfalls für eigene Inhalte (siehe oben 1.).

Eigene Inhalte sind nicht nur selbstgeschaffene, sondern auch solche Inhalte, die sich der Anbieter zu eigen macht. Maßgeblich ist dafür eine objektive Sicht auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (BGH, Randziffer 23). Etwas anderes gelte dann, wenn lediglich eine Auktionsplattform betrieben werde (BGHZ 158, 236, 246) oder eine elektronischer Marktplatz, auf den fremde Inhalte eingestellt werden (Randziffer 24 des Urteils).

Die Kochrezepte bildeten den redaktionellen Kerngehalt der Internetseite www.chefkoch.de. Dies spreche dafür, dass sich die Beklagte die Rezepte und Abbildungen zu eigen gemacht habe. Auch wurden die Rezepte und Fotografien nicht ohne inhaltliche Kontrolle automatisch freigeschaltet. Zudem verlangte die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Einverständnis der Nutzer damit, dass alle von ihnen zur Verfügung gestellten Daten von Chefkoch selbst oder durch Dritte vervielfältigt und in beliebiger Weise weitergegeben dürfen. Ferner hat sie die Rezepte auch Dritten zur weiteren, kommerziellen Nutzung angeboten (Randziffer 26).

Allein die Kenntlichmachung eines fremden Inhalts als solche schließe dessen Zurechnung zum Anbieter nicht zwingend aus (Randziffer 27).

Somit haftete die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Vorschriften. Hierzu zählen insbesondere urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, die dann vom BGH entsprechend anerkannt wurden. Insbesondere stellte der BGH fest, dass das Aufspielen auf einen Server oder ein anderes Speichermedium eine dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung darstellt (Randziffer 36).

Interessant sind auch die Ausführungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Nutzer dazu verpflichteten, das Angebot der Beklagten nicht dazu zu nutzen, „Inhalte einzustellen, die bzw. deren Einstellung die Rechte, insbesondere Patent-, Urheber-, Marken-, Leistungsschutz-, Kennzeichenrechte Dritter verletzt“. Der BGH hat ausgeführt, dies möge eventuell dann ausreichen, wenn ein Betreiber lediglich fremde Inhalte auf einer Internetplattform einstellt (ohne dies im Einzelnen entscheiden zu müssen). Für die Erfüllung der bei einer Übernahme als eigener Inhalt bestehenden hohen Sorgfaltsanforderungen genüge eine solche Allgemeine Geschäftsbedingung zum Ausschluss der Haftung gerade nicht. Vielmehr seien weitergehende Vorkehrungen möglich und zumutbar. Beispielsweise könne eine Erklärung des Nutzers verlangt werden, wer Urheber des einzustellenden Lichtbildes ist und wem die Nutzungsrechte zustehen. Der Beklagten wäre es laut BGH mit diesen Angaben möglich, das Bestehen eines Nutzungsrecht zu überprüfen.

b) Vorschaubilderentscheidung des BGH vom 19. Oktober 2011 (Az.: 1 ZR 140/10)

Von besonderer Bedeutung ist auch hier wieder der Leitsatz der Entscheidung, der im Folgenden vollständig zitiert wird:

„(a) Eine (schlichte) Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes als Vorschaubild in Ergebnislisten von Bildersuchmaschinen liegt auch dann vor, wenn ein Dritter die Abbildung mit Zustimmung des Urhebers ins Internet eingestellt hat, ohne technische Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen.

(b) Eine vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten erklärte Einwilligung in die Wiedergabe der Abbildung eines Werkes als Vorschaubild erstreckt sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen dieses Werkes, die nicht vom Urheber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten in das Internet eingestellt worden sind (Fortführung vom BGH, Urteil vom 29. April 2010 – 1 ZR 69/08, BGHZ 185, 291 – Vorschaubilder I).“

Die dort streitgegenständliche Fotografie war laut BGH als Lichtbildwerk (im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Urhebergesetz, jedenfalls aber als Lichtbild nach § 72 Abs. 1 Urhebergesetz) urheberrechtlich geschützt.

Zwar wurde durch die Wiedergabe der Fotografie als Vorschaubild in den Ergebnislisten der Google-Bildersuchmaschine in das ausschließliche Recht des Klägers zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografie eingegriffen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19 a Urhebergesetz). Allerdings erfolgte dieser Eingriff laut BGH nicht rechtswidrig, „weil Dritte mit Zustimmung des Klägers in eine Nutzung der Fotografie als Vorschaubild eingewilligt haben“ (Randziffer 16).

Der Senat verweist insbesondere auf seine in Leitsatz (b) angesprochene Entscheidung „Vorschaubilder I.“: Demnach erklärt ein Urheber, der eine Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ins Internet einstellt, ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen, durch schlüssiges Verhalten seine (schlichte) Einwilligung in eine Wiedergabe der Abbildung als Vorschaubild und ein dadurch bewirktes öffentliches Zugänglichmachen des abgebildeten Werkes durch eine Suchmaschine. Eine solche schlichte Einwilligung liege auch dann vor, wenn die Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes nicht vom Urheber des Werkes, sondern mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt wird. Für den Hersteller eines urheberrechtlich geschützten Lichtbildes gelten demgemäß diese Grundsätze entsprechend (Randziffer 18 der Entscheidung).

Mit dem Einstellen von Abbildungen der Fotografie ins Internet haben die Dritten durch schlüssiges Verhalten gegenüber den Betreibern von Suchmaschinen ihre schlichte Einwilligung zur Anzeige von Vorschaubildern der Abbildung in Ergebnislisten von Bildersuchmaschinen erklärt. Räume ein Berechtigter einem Dritten ohne Einschränkungen das Recht ein, die Abbildung eines Werkes oder Lichtbildes im Internet öffentlich zugänglich zu machen, erteilte er damit in der Regel zugleich seine Zustimmung, dass der Dritte in eine Nutzung dieser Abbildung durch eine Bildersuchmaschine einwilligt (Randziffer 27).

Es sei allgemein bekannt, dass Suchmaschinen, die das Internet in einem automatisierten Verfahren unter Einsatz von Computerprogrammen nach Bildern durchsuchen, nicht danach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden ist“ (Randziffer 28).

Dem Kläger sei es im Übrigen unbenommen, diejenigen wegen einer Verletzung seiner nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an der Fotografie in Anspruch zu nehmen, die Abbildungen der Fotografie unberechtigt ins Internet eingestellt haben (Randziffer 29 des Urteils).

 

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