Unterentwickelt: Onlineshopping im Lebensmitteleinzelhandel folgt anderen Regeln

von Matthias Groß, GfK

Bildschirm an, E-Shop öffnen, los geht’s: Ob Buch, ob Schuh, ob technisches Gerät – was immer auch das Herz begehrt, es lässt sich digital bestellen. Ganz bequem, ganz nebenbei, ganz preiswert. In manchem Produktbereich wird heute fast die Hälfte des Umsatzes über das Internet erzielt. Viele Händler sind dabei, ihre Store-Strategie fundamental zu überdenken, weil die Kunden ins Internet abwandern und sich die personal- und mietkostenintensiven Offlineflächen kaum noch produktiv betreiben lassen. Nur ein Bereich schwimmt gegen den Strom: der Handel mit Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs. Gerade einmal 1 Prozent der "Fast Moving Consumer Goods" geht über die virtuelle Ladentheke – und das obwohl es Onlineangebote gibt und immer mehr Konsumenten immer weniger Lust haben, wertvolle Lebenszeit im Supermarkt zu vergeuden. GfK hat daher jetzt untersucht, was Verbrauchern im elektronischen Lebensmitteleinzelhandel fehlt, und festgestellt: Onlineshopping für FMCGs folgt anderen Regeln.

Supermärkte sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Sie sind der wichtigste Ort, um Nahrungsmittel und Produkte des täglichen Bedarfs zu erstehen – und für die meisten Menschen gibt es auch mindestens einen in Laufweite. Doch Selbstbedienung und Komplettangebot haben an Attraktivität verloren: Shoppen kann als Freizeitvergnügen immer weniger überzeugen. Nicht einmal jeder Zehnte (9 Prozent) macht heute noch aus Lust einen Einkaufsbummel – halb so viele wie noch 2010. Hingegen surfen drei Viertel der Verbraucher (73 Prozent) aus Vergnügen gerne im Internet – ein Plus von 25 Prozentpunkten gegenüber 2010. Die Zahl der Haushalte, die Einkaufen als lästig empfinden, ist in den vergangenen zehn Jahren von 1 auf 34 Prozent emporgeschnellt, die durchschnittliche Zahl der Einkaufstrips pro Konsument und Jahr seit 2000 um ein Viertel zurückgegangen. Zeit ist knapp, sagen 12 Prozent mehr Verbraucher als noch 2006 (insgesamt 31 Prozent) (Quelle: GfK Norm).  Was liegt da näher, als auch den Wocheneinkauf bequem per Mausklick zu bestellen und liefern zu lassen? Offenbar einiges.

GfK-Studie: Was müssen E-Supermärkte können?

Aus diesem Grund hat GfK nun analysiert, wie das Onlinegeschäft mit Fast Moving Consumer Goods (FMCG) funktioniert und der Handel das bestehende E-Supermarkt-Design besser auf die Bedürfnisse der Kunden zuschneiden kann. Die Marktforscher nutzten dazu ein neues Shopper-Research-Instrument: eine Cloud-basierte Software, die es ermöglicht, Einkaufssituationen im stationären und Onlinehandel realistisch nachzubilden, um das Orientierungs-, Informations- und Kaufverhalten der Kunden schnell und kontrolliert zu erfassen. Damit wurden die bestehenden Onlineauftritte dreier Lebensmitteleinzelhändler (LEH) "kopiert" und so variiert, dass die Wirkung von Faktoren wie Sortierung und Platzierung der Produkte, unterschiedliche Darstellungsformen (Fotos, Symbole, Text), Kategoriebildung, Filtermöglichkeiten oder Bewertungen sowie Promotions und Bannerwerbung erfasst und verglichen werden konnten. Insgesamt wurden 15 Szenarien simuliert und mit je rund 500 Probanden getestet. Auf diese Weise wurden kategoriespezifische Analysen möglich. Zunächst lieferten Eye-tracking via Webcam, Klickverhalten, Warenkorbanalysen und eine ergänzende Befragung sehr interessante generelle Erkenntnisse.

1. Gute Preise und Promotions entscheiden das Geschäft

Verbraucher erwarten, dass E-Commerce-Angebote billiger sind oder maximal genauso viel kosten wie Offlineartikel – auch bei Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs. Für jeden zweiten Befragten ist das sogar der wichtigste Aspekt bei der Entscheidung für den Onlineshop. Günstige Onlinepreise sind damit mehr als doppelt so zugkräftig wie eine zeitsparende Navigation oder ein exklusives Sortiment.

Die übersichtliche Präsentation der Sonderangebote ist für die Befragten mit Abstand die wichtigste Funktion, die ein E-Supermarkt bieten sollte (gefolgt von Bestandsangaben, der Möglichkeit, eine Einkaufsliste anzulegen, alphabetischer Sortierung aller Artikel und ausführlichen Produktbeschreibungen; algorithmisch ermittelte Produktempfehlungen sucht hier übrigens fast niemand). Promotion-Artikel werden online nicht nur aktiv gesucht, sondern auch gekauft – vor allem, wenn sie leicht zu finden sind: oben auf der Startseite. In diesen Fällen sind die Warenkörbe rund 15 Prozent größer als bei "versteckten" Sonderangeboten – gleichzeitig geht die Zahl der Klicks pro Einkauf um ein Viertel zurück. Tendenziell werden E-Supermärkte, die Promotions hervorheben, insgesamt als preisgünstiger erlebt, als solche, die das nicht tun. Dies kann zusätzliche Wettbewerbsvorteile verschaffen.

2. Zeit ist ein kostbares Gut: Weniger Klicks machen mehr Umsatz

Gleichzeitig erwartet die Mehrheit der Verbraucher, dass Shoppen im E-Supermarkt schneller gehen sollte als in real life. Heavy User zeigen hier übrigens deutlich weniger Toleranz als das Gelegenheits-Internetklientel: Während immerhin die Hälfte der seltenen Gäste akzeptieren würde, dass der Onlineeinkauf (etwas) länger dauert als im Geschäft, würden drei Viertel der Intensivkunden das nicht hinnehmen.

Tatsächlich wäre es auch für den Umsatz besser, wenn Kunden weniger Zeit im E-Shop verbringen müssten: Je weniger sich Kunden im Onlinesupermarkt durchklicken müssen, desto größer ist regelmäßig der Warenkorb. Klick-intensive Web-Layouts, die quasi zum "Bummeln" zwingen, könnten daher sogar zu Umsatzbremsen werden. 

Leider ist gerade das Zeitsparen für E-Supermärkte eine der größten Herausforderungen: Rund zweieinhalb Minuten braucht ein LEH-Onlinekunde derzeit, um einen Artikel zu finden und in den Warenkorb zu legen. Wer nur einen Fernseher kauft, ist damit schnell fertig. Wer jedoch beim Lebensmitteleinkauf rund 30 Artikel aufspüren muss, ist über eine Stunde beschäftigt. Jedes Mal. Hinzu kommt, dass beim Schnelldurchlauf durch einen echten Markt etwa 95 Prozent der Artikel "auf Autopilot" gekauft werden – also quasi automatisch den Weg in den Wagen finden. Unbewusstes Kaufen ist im E-Shop jedoch noch nicht möglich. Jeder Artikel muss stattdessen bewusst gesucht werden. Auch das erleben Onlinesupermarktkunden als Anstrengung.

3. Den Onlineeinkauf noch wesentlich zu erleichtern, ist die Aufgabe: sechs Tipps   

E-Supermärkte, denen es gelingt, Kunden schnell und intuitiv durch ihr Angebot zu leiten, werden von dem erwarteten E-Commerce-Wachstum in ihrem Segment am meisten profitieren. Die GfK-Studie ergab, dass sie vor allem sechs Dinge bei der Optimierung ihrer Webshops berücksichtigen sollten:

  • Produktbilder – oder Abbildungen von Anker-Produkten für bestimmte Kategorien – sind der Navigation via Textlink deutlich überlegen. Die bildhafte Visualisierung erleichtert die intuitive Orientierung, das Einkaufen "auf Autopilot".
  • Kunden kaufen überzufällig häufig Produkte, die in den ersten beiden Reihen einer Webseite platziert sind – auch wenn diese ansonsten nicht zu den Top-Sellern gehören. Die Wahrscheinlichkeit, gekauft zu werden, ist für top-platzierte Produkte bis zu vier Mal höher als für den Rest. Die Hälfte der Onlinekunden erfasst noch die Reihen drei und vier. Jenseits von Reihe fünf geht die Aufmerksamkeit gegen Null.
  • Werbebanner sind ein hoch wirksames Instrument, um Markenwahrnehmung und Abverkauf zu stärken: In der Kategorie Süßwaren klickte etwa jeder Fünfte auf ein Banner, 40 Prozent der Testkunden erinnerten die Werbung und die Marke. Es wurden doppelt so viele Einheiten gekauft wie ohne Banner.   
  • Kunden suchen überwiegend direkt nach ihren Artikeln. Dennoch sind sowohl alphabetische Sortierung als auch Kategorie-Filter gefragte Navigationshilfen, letztere insbesondere, wenn sie nach besonderen Inhaltsstoffen (lactosefrei, glutenfrei etc.) differenzieren. Wichtig: Im Onlineshop besteht – anders als im Regal – die Möglichkeit, Produkte mehreren Kategorien zuzuordnen, also mehrfach zu segmentieren, und sie so auf verschiedenen Wegen auffindbar zu machen. 
  • Bewertungen spielen im E-Supermarkt keine Rolle. Offenbar haben Kunden genügend eigene Erfahrungen mit den Produk ten, als dass schlechte Kritiken sie vom Kauf abbringen würden.
  • Händler sollten eher Rabatte auf den ganzen Warenkorb geben, statt einzelne Produkte zu promoten oder die kostenfreie Zustellung an einen Mindestbestellwert zu binden. Denn Kunden lieben es, belohnt statt bestraft zu werden.

Der Autor

Matthias Groß (Bild: GfK)
Matthias Groß verfügt über mehr als 17 Jahre Erfahrung in verschiedenen Marktforschungsinstituten. Seit 2014 verantwortet er als Senior Director Shopper Activation Solutions den Shopper Research bei GfK. Hierzu gehören sowohl der qualitative und quantitative Adhoc Shopper-Research als auch die Consumer Panel basierten Shopper-Analysen. Die Integration der Evaluierung von Kaufentscheidungsprozessen mit Hilfe von innovativen Beobachtungsmethoden ist ein Schwerpunkt der GfK-Forschung. Matthias Groß war zudem lange für namhafte Markenartikler in den Bereichen Key Account Management, Trade Marketing, Product Marketing und Category Management tätig.

 

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