Studie von Ernst & Young Unter Druck: Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu

Mehr als jeder zweite Beschäftigte berichtet über zunehmende Arbeitsbelastung. Dies geht aus der aktuellen EY-Jobstudie hervor. Mehr Arbeitsstunden und mehr Verantwortung bei der Arbeit sind demnach Hauptgründe für mangelnde Work-Life-Balance.


Arbeitnehmer in Deutschland sehen sich einem immer größeren Druck ausgesetzt und haben vielfach Schwierigkeiten, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. So berichtet mehr als jeder zweite Arbeitnehmer (55 Prozent), dass die Anforderungen am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Für etwa jeden sechsten Arbeitnehmer (17 Prozent) hat die Belastung sogar "stark zugenommen". Einen Rückgang der Arbeitsbelastung sieht hingegen nur eine kleine Minderheit (sieben Prozent).

Darunter leidet zum Teil auch die Familie: Für 44 Prozent der Befragten ist die Work-Life-Balance – also die Vereinbarkeit von Job und Privatleben – schwieriger geworden, was vor allem an gestiegenen Anforderungen im Job liegt: 42 Prozent der Arbeitnehmer, die über eine verschlechterte  Work-Life-Balance klagen, nennen als Grund mehr Arbeitsstunden, 40 Prozent mehr Verantwortung im Beruf. Gerade einmal jeder Vierte sieht die Ursache im privaten Bereich.

Trotz der steigenden Anforderungen und eines darunter leidenden Privatlebens ist die Zufriedenheit der deutschen Arbeitnehmer hoch: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) ist mit dem eigenen Job "zufrieden", 38 Prozent bezeichnen sich als "eher zufrieden". Lediglich zwei Prozent sind "unzufrieden" mit ihrer Arbeit.

"Die Anforderungen an die Beschäftigten haben eindeutig zugenommen", sagt Ana-Cristina Grohnert, Managing Partner bei Ernst & Young. "Dafür sind zahlreiche Faktoren verantwortlich: So ist die Kommunikation durch E-Mail, Chat und Messenger-Dienste rasanter geworden, und der Druck auf  Arbeitnehmer, ständig erreichbar zu sein, steigt. Zudem hat die Internationalisierung zugenommen, was mehr Reisen oder ungewöhnliche Arbeitszeiten mit sich bringt, um sich mit Kollegen in den USA, China oder anderswo austauschen zu können. Gleichzeitig ist die steigende Belastung aber auch eine Folge des Erfolgs der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren", so Grohnert weiter. "Neue Märkte werden erschlossen, neue Technologien entwickelt, es gibt immer mehr zu tun für die deutschen Unternehmen. Für diesen Erfolg müssen die Betriebe und ihre Beschäftigten aber auch hart arbeiten. Fakt ist, dass im Zuge der Globalisierung der Wettbewerb in allen Branchen zugenommen hat und überall der Druck steigt, Produktivität und Profitabilität zu steigern. Das führt auch zu steigenden Anforderungen an den einzelnen Arbeitnehmer."

Männer haben größere Schwierigkeiten bei der Work-Life-Balance

Sowohl Frauen als auch Männer berichten von steigenden Anforderungen: 57 Prozent der Frauen sagen, dass die Arbeitsbelastung zugenommen hat, bei den Männern sind es mit 54 Prozent nur etwas weniger. Doch während nur 14 Prozent der männlichen Arbeitnehmer angeben, die Arbeitsbelastung habe stark zugenommen, sind immerhin 21 Prozent der Frauen dieser Ansicht.

Dafür tun sich Männer bei der Verbindung von Berufs- und Privatleben etwas schwerer: Die Work-Life-Balance ist für fast die Hälfte der Männer (47 Prozent) schwieriger geworden, aber "nur" für 42 Prozent der Frauen.

Besonders schwer tun sich Eltern von kleinen Kindern (bis drei Jahre) mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Frauen zu 59 Prozent, Männer sogar zu 63 Prozent – trotz Elternzeit und Kitaangeboten für die ganz Kleinen.

Es sind aber keineswegs nur die Kinder, die die Work-Life-Balance junger Eltern so schwierig machen: Wenn Väter von Kindern im Vorschulalter über eine schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie klagen, begründen sie dies vor allem mit steigenden Anforderungen im Job – 47 Prozent führen die verschlechterte Work-Life-Balance auf eine gestiegene Zahl von Arbeitsstunden, nur 37 Prozent auf ihre kleinen Kinder zurück.

Bei Frauen ist das Verhältnis umgekehrt: Für 56 Prozent der jungen berufstätigen Mütter sind die Kinder Grund für eine mangelnde Work-Life-Balance, nur 35 Prozent geben als Grund an, zu viel Zeit im Büro verbringen zu müssen.

"Frauen übernehmen in vielen Haushalten nach wie vor einen Großteil der Kindererziehung. Zwar nutzen auch viele Väter inzwischen Angebote wie die Vätermonate, um bei ihren Kindern zu sein. Aber Männer neigen eher dazu, gleichzeitig auch im Job Vollgas geben und nicht zurückstecken zu wollen – weder im Beruf noch im Privatleben. Deswegen leisten viele von ihnen der Karriere wegen mehr Arbeitsstunden und übernehmen gleichzeitig zu Hause mehr Aufgaben als früher – mit dem Ergebnis, dass sie es schwer haben, die richtige Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden", sagt Grohnert.

Hohe Anforderungen bei der Arbeit können der Arbeitszufriedenheit wenig anhaben

Die steigenden Anforderungen, denen sich Arbeitnehmer im Berufsalltag ausgesetzt sehen, sind aber offenbar nur die eine Seite einer Medaille. Auf der anderen Seite sind die Beschäftigten in Deutschland mit überwältigender Mehrheit nämlich zufrieden mit ihrem Job. Uneingeschränkt positiv bewerten die Mehrheit der Frauen (59 Prozent) und der Männer (52 Prozent) ihre Jobsituation. Auch über alle Altersklassen hinweg ist mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer uneingeschränkt zufrieden. Überwiegend gern zur Arbeit gehen zudem sowohl Gering- als auch Topverdiener. Am geringsten ist die Zufriedenheit in der Gehaltsstufe von 61.000 bis 80.000 Euro mit 48 Prozent, am höchsten in der Gehaltsstufe zwischen 81.000 und 100.000 Euro mit 63 Prozent.

"Auch wenn die hohe Belastung auf der einen Seite und die hohe Zufriedenheit auf der anderen Seite auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirken: sie sind es nicht. Sie spiegeln vielmehr die Herausforderungen und Möglichkeiten, die die heutige Arbeitswelt bietet, wider. Denn die Arbeit insgesamt wird interessanter: Erfolgreiche Unternehmen bieten spannende Aufgaben – internationales Arbeiten, mehr Verantwortung für den Einzelnen, mehr Abwechslung und flachere Hierarchien. Das bietet Arbeitnehmern heutzutage nie dagewesene Entfaltungsmöglichkeiten, aber auch erhebliche Herausforderungen. Es bleibt nun auch Aufgabe der Firmen, die damit einhergehende Belastung abzufedern – beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle oder Kinderbetreuungsangebote", sagt Grohnert abschließend.

Zur Studie:
Die Ergebnisse stammen aus der "EY Jobstudie" der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young), für die mehr als 2.200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland telefonisch befragt wurden.

cl

 

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