Kolumne Unstatistik des Monats Oktober Unstatistik des Monats: Radelt halb Deutschland zur Arbeit?

In der Unstatistik des Monats Oktober geht es um den Anteil der Deutschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Sind es wirklich so viele, wie es ein Social Media-Post des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr nahelegt? Wohl eher nicht, wie dieses Paradebeispiel für den falschen Umgang mit Prozentangaben zeigt.

Fahren wirklich 45 Prozent der Deutschen mit dem Fahrrad zur Arbeit? (Bild: picture alliance/dpa | Jan Woitas)

Die Unstatistik des Monats Oktober ist ein LinkedIn-Beitrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Unter der auffälligen Überschrift „45 Prozent fahren mit dem Rad zur Arbeit“ wird eine Grafik gezeigt, die herausstellt, dass das Fahrrad „mehr als nur ein Freizeitspaß“ sei. „Fahrräder und E-Bikes erobern unseren Alltag“, behauptet das BMDV.

In der Tat wäre es recht bemerkenswert, wenn trotz der traditionell recht autofreundlichen Politik inzwischen fast halb Deutschland mit dem Rad zur Arbeit führe.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) geht allerdings davon aus, dass nur jeder zehnte Deutsche mit dem Rad zur Arbeit fährt. Auch das Statistische Bundesamt kommt bei der Auswertung des Mikrozensus 2020 zu dem Ergebnis, dass nur 10,5 Prozent aller Berufspendler mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Sind diese Zahlen denn schon so veraltet – und feiert das BMDV etwa einen bislang unbemerkten Erfolg der Ampel-Regierung in Richtung Verkehrswende? Immerhin schreibt das BMDV auf LinkedIn weiter: „Und um noch mehr Menschen für diese nachhaltige Fortbewegung zu begeistern, fördern wir das Fahrradparken an Bahnhöfen! Gemeinsam gestalten wir unseren Alltag klimaneutraler und dynamischer!“

Doch aufgepasst: Ganz so dynamisch gelingt der Umstieg auf das Fahrrad nicht.

Das BMDV bezieht sich in seiner Aussage auf einen Bericht des Versicherungsanbieters „Wertgarantie“. In dessen „Fahrrad- und E-Bike-Report“ heißt es: „Den Weg zur Arbeit absolvieren 45,1 % mit dem Rad.“ Diese Prozentangabe bezieht sich jedoch keinesfalls auf alle Arbeitnehmer. Befragt wurden lediglich 1.501 „Fahrradfahrende“ und „Pedelec-Fahrende“.

Vorsicht im Straßenverkehr und bei Prozentangaben

Wie regelmäßig diese Befragten ihr Rad nutzen und ob sie täglich, monatlich oder nur wenige Male im Jahr ihren Arbeitsweg auf zwei Rädern zurücklegen, lässt sich dem „Wertgarantie“-Bericht nicht entnehmen. Sören Hirsch, Bereichsleiter Bike von Wertgarantie, betont in einem LinkedIn-Kommentar jedoch klar: „Unser Interesse [galt] den Fahrrad und E-Bike Fahrenden, die regelmäßig radeln (mindestens einmal wöchentlich).

Dass unter denjenigen, die mindestens einmal pro Woche ihr Fahrrad benutzen, knapp die Hälfte damit zur Arbeit fährt, ist erfreulich, aber keine Sensation. Bei Prozentangaben sollte die erste Frage deshalb stets lauten: Prozent wovon? Fehlt diese Angabe, sollten bei Ihnen alle Fahrradglocken klingeln.

 

Über die Person

Katharina Schüller leitet seit fast 20 Jahren das Beratungsunternehmen STAT-UP mit Fokus auf Datenstrategien, Data Science und KI und ist Vorstandsmitglied der Deutschen Statistischen Gesellschaft. Als Expertin für Datenkompetenz verfasste sie u. a. für das BBSR Studien und Beiträge, etwa zur Smart City Charta des Bundes. Sie berät das BMBF zur „Initiative Digitale Bildung“ sowie zur „Roadmap Datenkultur und Datenkompetenz“ im Rahmen der Datenstrategie und ist festes Mitglied des Digital-Gipfels... mehr

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf marktforschung.de