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Interview mit Dr. Roland Abold, Vorstandsmitglied des ADM „Unsere Branche hat sich im Hinblick auf Innovationskraft und Adaptionsfähigkeit als extrem leistungsfähig erwiesen“

Gibt es aus Ihrer Sicht gerade genügend Innovationen und Start-ups in der Marktforschungsbranche?
Roland Abold: Innovationen und neue Ansätze kann es aus meiner Sicht niemals genug geben und auch neue, junge Unternehmen, die die Branche mit ihren Ideen, aber auch mit ihren Arbeitsweisen und alternativen Blickwinkeln bereichern, sind jederzeit mehr als willkommen. Ganz generell finde ich, dass sich unsere Branche im Hinblick auf Innovationskraft und Adaptionsfähigkeit in den letzten beiden Jahren als extrem leistungsfähig erwiesen hat (Stichwort: Digitalisierung während der Pandemie)
Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen: In welchen Marktforschungsbereichen erwarten Sie in den nächsten Jahren die meisten Innovationen und Neugründungen?
Roland Abold: Aktuell sehen wir analog zu anderen Industrien den Trend, dass immer weitere Teile der Wertschöpfungskette digitalisiert und mittels geeigneter Plattformen in skalierbarer Form und als „Service“ oder Lizenzmodell angeboten werden. Daher erwarte ich hier in den kommenden Jahren eine Vielfalt an neuen Anbietern und Startups. Darüber hinaus gibt es auch bei den Erhebungsmethoden spannende neue Entwicklungen, seien es passive digitale Messverfahren oder hybride Formen der qualitativen Forschung, bei denen die Entwicklungsmöglichkeiten bei weitem noch nicht ausgereizt sind. Sicher wird uns auch das Thema KI in allen Bereichen weiter beschäftigen.
Der Testmarkt in Haßloch ist Geschichte. Testmärkte waren zu seiner Zeit aber eine bahnbrechende Innovation. Was hat aus Ihrer Sicht das Potenzial eine ähnliche Erfolgsgeschichte zu werden?
Roland Abold: Moderne Marktforschung zeichnet sich unter anderem durch Schnelligkeit und umsetzungsorientierte Ergebnisse aus – Kriterien, die der Testmarkt in Haßloch so im Jahr 2022 nicht mehr ausreichend erfüllen konnte. Davon ausgehend würde ich künftige Erfolgsgeschichten weniger in analogen Großprojekten wie dem Testmarkt verorten als vielmehr in der smarten Kombination von verschiedenen Datenquellen gepaart mit flexiblen Auswertungsmöglichkeiten, gut bedienbaren Tools und einer umsetzungsorientierten Beratung.
Etliche Start-ups entdecken die Marktforschung spontan als Geschäftsfeld, wenn sie es geschafft haben eine eigene responsive Nutzerschaft/Community aufzubauen. Ist das per se eine gute Idee? Wie bewerten Sie diesen Pivot?
Roland Abold: Tatsächlich ist zu beobachten, dass Start-ups, die bspw. mit einer Social App erfolgreich spezifische Zielgruppen ansprechen und diese als Nutzer an sich binden, den entstandenen Datenschatz anschließend auch monetarisieren möchten. Inwiefern dies aus marktforscherischer Sicht im Einzelfall eine gute und sinnvolle Idee ist, hängt immer von den Daten und dem Anwendungszweck ab.
Die viel spannendere Botschaft für unsere Branche ist aus meiner Sicht allerdings, dass heutige Panelisten und Probanden sehr stark durch die Experience auf den Research-Plattformen und durch den Community Gedanken erfolgreich für Marktforschung gewonnen werden können.
Die technische Massenrekrutierung von Befragten sowie eine Standard Incentivierung z.B. mittels Bonuspunkten wird damit wahrscheinlich zunehmend durch spezifische Wertversprechen (Value Propositions) für die Teilnehmer ergänzt oder gar abgelöst.
Gefühlt jedes neue Tool in der Branche hat gerade „KI inside“, die sich aber für Außenstehende oft gar nicht recht erschließen mag. Wie schaut der ADM auf diese Entwicklung? Wie ist die Position des ADM zu künstlicher Intelligenz?
Roland Abold: Wir beobachten die Entwicklung sehr genau und erweitern nicht zuletzt durch die erfolgte Öffnung des ADM für weitere Mitgliedergruppen auch unseren Fokus als Branchenverband. Damit kommen wir verstärkt in die Diskussion mit Unternehmen, die ihren Fokus nicht mehr allein auf Primärerhebungen sondern auch auf Data Analytics und KI haben. Parallel verändern sich auch die Geschäftsmodelle der bestehenden Mitglieder mehr in diese Richtung. Insofern bietet der Bereich KI als Zukunftstechnologie eine Vielzahl an Chancen für die Branche und deren Kunden, die sich beispielsweise in der besseren und schnelleren Analyse von großen Datenmengen und in der automatischen Generierung von taktischen Handlungsempfehlungen zeigen.
Allerdings bleibt auch in diesem Bereich der Kernanspruch des ADM und seiner Mitglieder bestehen:
Wir stehen für Qualität und Transparenz – komplette Black Boxes sowie intransparente Methoden sollte es aus unserer Sicht auch hier nicht geben.
Sicherlich fordert die Digitalisierung von den Markt- und Sozialforschungsunternehmen einen verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit den neuen und zusätzlichen Daten. Denn nur so kann die Akzeptanz in der Bevölkerung zu deren Nutzung erreicht werden.
Wie sieht der ADM die Zukunft der Marktforschungsbranche?
Roland Abold: Generell betrachten wir die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Aussichten, trotz der jüngsten dramatischen Entwicklungen, als weiterhin positiv. Davon unabhängig sieht der ADM jedoch auch einen klaren Bedeutungsgewinn der Erkenntnisse und Empfehlungen, die die Marktforschung sowie die Meinungs- und Sozialforschung generieren. Daher blicken wir für die Branche in Deutschland insgesamt optimistisch in die Zukunft.
Über Dr. Roland Abold
Dr. Roland Abold ist seit 2018 als gewähltes Vorstandsmitglied beim ADM (Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V.) aktiv und beschäftigt sich hier schwerpunktmäßig mit den Themen „Standards- und Richtlinien“ sowie der „Zukunft der Marktforschung“. Hauptberuflich leitet er die internationale Medienforschung bei der GfK in Nürnberg und ist seit 2007 für das Unternehmen tätig. Vor seiner Zeit bei der GfK forschte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bamberg im Bereich der empirischen Wahl- und Einstellungsforschung. Roland Abold hat langjährige Erfahrung in der Markt- und Sozialforschung sowie in der Marketingberatung und ist seit 2011 als Lehrbeauftragter für Marktforschung an der FH Kufstein (Österreich) tätig.
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