Interview mit Henner Förstel, Geschäftsführer der MANUFACTS Research & Dialog GmbH Über intelligente Adaptionen, Gift für Innovationsprozesse und gespaltene betriebliche Marktforscher

Henner Förstel (Manufacts)

marktforschung.dossier: Herr Förstel, unsere diesjährige Gehaltsstudie mit dem Sonderteil zum Thema „Innovationen“ zeigt, dass in kleinen Firmen fast 90% der Befragten das Gefühl haben, ihre Ideen und Vorschläge würden im eigenen Unternehmen umgesetzt. Welchen Stellenwert haben Innovationen bei Manufacts?

Henner Förstel: Uns geht es wie vermutlich vielen Kollegen, dass wir eine differenzierte Sicht auf das Thema haben: Als Marktforscher muss man bestimmte Standards befolgen, insbesondere methodische Grundprinzipien. Da wird man auch an der handwerklichen Qualität gemessen. Umgekehrt ist die Branche hart umkämpft, sodass man sich als Anbieter von anderen unterscheiden muss, um aufzufallen.

Für MANUFACTS bedeutet das im Ergebnis: Wir versuchen etablierte Standards mit neuen Ideen zu kombinieren und dadurch besser zu machen. Bei vielen Themen kann man das Rad nicht neu erfinden, aber man kann durch intelligente Adaptionen dazu beitragen, den Kundenmehrwert von Projekten zu steigern.

Außerhalb des klassischen Methoden- und Themenspektrums sind wir deutlich mutiger, was Innovationen betrifft. So haben wir z.B. schon für einige Projekte mit digitaler Rekrutierung oder mit spieltheoretischen Ansätzen gearbeitet und gute Erfahrungen gesammelt. Auch im Bereich qualitativer Methoden erlauben wir uns viele Freiräume, z.B. was das Setting von Workshops oder die Visualisierungsmethoden betrifft.

Insgesamt sind wir also schon recht mutig, was den Einsatz neuer Methoden und Technologien betrifft. Das ist auch etwas, was man von uns als jüngerem Institut erwartet.   

marktforschung.dossier: Neben dem bekannten Zeit- und Kostendruck als den am häufigsten genannten Innovationshemmern werden bürokratische Vorgaben, starre Strukturen, ausgeprägte Hierarchien, standardisierte Prozesse und mangelnde Kapazitäten angegeben. Könnten kleinere Unternehmen hier vielleicht generell im Vorteil sein?

Henner Förstel: Grundsätzlich gilt, dass in kleinen Instituten der Zeit- und Kostendruck nicht kleiner ist als in größeren Unternehmen. Da gelten die gleichen Mechanismen.

Allerdings gibt es zwei zentrale Unterscheidungsmerkmale, die den kleineren Anbietern einen Vorteil in Bezug auf Innovationen bieten:

In kleinen Unternehmen gibt es weniger Hierarchie-Effekte und Formalismus. Außerdem sind die Kommunikationsstrukturen direkter, sodass Innovationen meist von Geschäftsführung und Mitarbeitern im gleichen Maße eingebracht und getragen werden. Auf diesen Punkt legen wir auch bei MANUFACTS großen Wert. Man muss jedoch ehrlicherweise sagen, dass dies nicht nur eine Frage der Unternehmensgröße ist, sondern auch eine Frage der Unternehmenskultur. Google ist hier sicherlich ein sehr prägnantes Beispiel, dass auch in großen Strukturen Kreativität entstehen kann.

Die Standardisierung ist in der Tat Gift für Innovationsprozesse – das liegt in der Natur der Sache, weil hier die Wirtschaftlichkeit vor der Kreativität steht. Wer kaum konzeptionelle Freiheitsgrade hat und primär am wirtschaftlichen Ergebnis gemessen wird, der kann nicht auch noch erfinderisch sein. Hier haben die kleineren Institute, denke ich, einen entscheidenden Vorteil, weil sie in der Regel nicht so KPI-getrieben sind.

Ich würde die Situation in etwa so zusammenfassen: Wenn es um größere technologische Innovationen geht, führt m.E. kaum ein Weg an den großen Playern der Branche vorbei, weil nur diese über notwendige Investitions-Volumina verfügen. Betrachtet man aber die Vielzahl kleinerer Ideen und evolutionärer Weiterentwicklungen, so profitiert die Branche auch in starkem Maße von der Vielzahl kleinerer Anbieter. 

marktforschung.dossier: Als Innovationsbremsen sehen die befragten Geschäftsführer der Institute vor allem finanzielle Aspekte, zusätzlich sind aus ihrer Sicht innovative Vorgehensweisen nicht immer mit der Abhandlung des Tagesgeschäfts zu vereinbaren. Wie ist Ihre Einschätzung?

Henner Förstel: Finanzielle Risiken sind ein wichtiger, aber bei Weitem nicht der einzige Innovationshemmer. Hier alle Einflussfaktoren aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Aber exemplarisch möchte ich zwei Punkte herausgreifen:

Standesregeln: Auch wenn dies nicht von jedem gerne gehört wird: Die Standesregeln unterbinden vieles, was heutzutage technisch möglich wäre und im Kontext des Online-Marketings längst Praxis ist. Wir Marktforscher haben hier ein klassisches Dilemma: Die Standesregeln sind wichtig, um Forschungsprivilegien zu verteidigen und den Ruf der Branche zu schützen, umgekehrt sind sie auch ein ziemlich enger Käfig und hindern uns z.T. daran, Innovationen aus anderen Branchen auch für die Marktforschung zu adaptieren.

Die Rolle der Marktforschung als Controlling-Instrument: Klassiker wie Kundenzufriedenheitsbefragungen und Mitarbeiterbefragungen werden von vielen Kunden primär als KPI-Instrument, weniger als strategische Tools, gesehen. In einer wirtschaftlichen Großwetterlage, in der Unternehmen zunehmend Kennzahlen-getrieben gesteuert und durchrationalisiert werden, fällt es uns Marktforschern schwer, echte inhaltliche Neuheiten zu etablieren. Wenn man es mal nüchtern betrachtet, sind auch die Kern-Forschungsfragen der Kunden seit Jahren ziemlich konstant, sodass von der Nachfrageseite wenig Innovationsdruck entsteht.

Wenn hier andere Punkte als rein finanzielle genannt wurden, bedeutet das mitnichten, dass ökonomische Rahmenbedingungen keine Rolle spielen. Ich sehe das genauso wie viele andere Institutsleiter als ganz wesentlichen Aspekt. Allerdings darf dieses Argument auch nicht als Alibi benutzt werden. Denn in dem Kontext der o.g. Punkte würden auch mit höheren Investitionsmöglichkeiten keine Innovationen entstehen, weil der entsprechende Nachfragedruck fehlt und die Branche auch ein wenig in sich selbst gefangen ist.

marktforschung.dossier: Stichwort "Nachfragedruck": Auch bestimmte Kundenvorgaben können Innovationen deutlich bremsen. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?

Henner Förstel: Wir erleben betriebliche Marktforscher in diesem Aspekt als sehr gespalten: Sie sind einerseits sehr neugierig und ständig auf der Suche nach neuen Impulsen für ihre Abteilung, umgekehrt sind sie eher konservativ, wenn es darum geht, bei Innovationen auch mal den „Eisbrecher“ zu spielen. Wir hören dann oft Argumente wie „Das ist eigentlich eine tolle Idee, aber bei diesem strategisch wichtigen Thema wäre es mir doch lieber, wenn wir einen klassischen Ansatz wählen.“ Dieser Konflikt wird verstärkt dadurch, dass die Budgets für betriebliche Marktforscher immer weniger Spielraum enthalten, den man für Testballons nutzen könnte.

Insgesamt bin ich aber der Meinung, dass sich die Kollegen auf Institutsseite an die eigene Nase fassen sollten, anstatt den betrieblichen Kollegen den schwarzen Peter zuzuschieben. Letztlich sollten Innovationen primär beim Dienstleister entwickelt werden, nicht beim Kunden.  

marktforschung.dossier: Herr Förstel, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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