Interview mit Regina Ruppert Über die Frauenquote, Geschlechterstereotypen und Job-Life-Fit-Konzepte

Im Interview mit marktforschung.de wirft Dr. Regina Ruppert, Geschäftsführerin der selaestus Personalmanagement GmbH in Berlin und Vizepräsidentin des Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), einen kritischen Blick auf die Gleichberechtigung von Frauen in der deutschen Wirtschaft.

Dr. Regina Ruppert, BDU-Vizepräsidentin (Bild: BDU)

Dr. Regina Ruppert ist Vizepräsidentin des BDU und Geschäftsführerin von selaestus Personalmanagement.

marktforschung.de: Wie beurteilen Sie den Stand der Gleichberechtigung von Frauen in Führungspositionen in Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern?

Regina Ruppert: In Deutschland sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn. Dieses Phänomen hat verschiedene Ursachen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde in der deutschen Industrie der "weiblichen Talentschmiede"  eine eher untergeordnete Bedeutung beigemessen. Frauen haben die beiden oberen Führungsebenen unter dem Vorstand selten erreicht und wenn, dann in der Regel in den "nicht-operativen" Bereichen. Aber gerade diese beiden Ebenen und die operativen Ressorts ebnen den Weg für eine zukünftige Vorstandsposition und üben eine Strahlwirkung auf die unteren Ebenen aus.

Darüber hinaus ist aber auch zu bedenken, dass es nicht automatisch der Wunsch jeder talentierten deutschen Führungsfrau ist sich dem Wettkampf an vorderster Front zu stellen, und dann noch als einzige Frau in einem jahrelang erprobten Männergremium. Sicherlich haben auch kulturelle Elemente wie Geschlechterstereotypen à la "think manager – think male" in Deutschland nach wie vor eine starke Bedeutung. Wirtschaft wurde jahrzehntelang von Männern gemacht, das wirkt nach!

marktforschung.de: Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit dem Gender-Thema und welche Entwicklungen gab es in dieser Zeit?

Regina Ruppert: Das Genderthema steht seit mehreren Jahren auf der Agenda unserer Personalberatung, sei es bei der Rekrutierung von Frauen für Führungspositionen, sei es, wenn es um Aufsichtsrats- und Beiratsmandate oder um Karrierecoaching-Gespräche geht. Ich unterstütze und fördere gern Managerinnen, habe dabei aber zugleich immer im Blick die Best-geeigneten  Führungskräfte den Mandanten zu präsentieren, unabhängig von Geschlecht, Rasse usw. Der BDU hat in seiner letzten Studie noch einmal deutlich gemacht, dass der Anteil der von Personalberatern präsentierten weiblichen Kandidaten inzwischen auf rund 30 Prozent gestiegen ist. Dies ist im Vergleich zu den vorherigen Jahren ein sehr guter Anstieg.

In Führungsfrauen investieren

marktforschung.de: Sind Sie es manchmal leid, dass sich zwar etwas bewegt, aber von einem großen Durchbruch in Sachen Gleichberechtigung im Beruf keine Rede sein kann? Wenn Sie diese Einschätzung teilen, wo sehen Sie die wichtigsten Stellschrauben, um an diesem Zustand etwas zu ändern?

Regina Ruppert: Ein großer Durchbruch ist sicherlich noch nicht erreicht, wenngleich sich die deutsche Wirtschaft in der weiblichen Führungsthematik deutlich offener und engagierter zeigt als in den vergangenen Jahren. Vor allem in Kleinunternehmen aber auch in den großen Konzernen hat sich der Anteil von Managerinnen deutlich erhöht. Deutlichen Aufholbedarf gibt es allerdings noch im Mittelstand, dem Rückgrat unserer Wirtschaft. Insbesondere in traditionell männerdominierten Branchen wie dem Maschinen- oder Anlagenbau, der Investitionsgüter-, Bahn- und Bauindustrie gibt es heute vergleichsweise wenig weibliche Führungskräfte auf den oberen Ebenen, dafür immer häufiger die Interessenbekundung, Managerinnen zu rekrutieren. Jedoch mangelt es gerade in diesen Branchen noch an der Flexibilität, bei sonst gleicher Erfüllung der Anforderungsprofile auch andere Branchenexpertisen für die Führungsvakanz zuzulassen, die weibliche Kandidatinnen mitbringen würden.

Es mangelt aber auch leider immer noch daran, in das Entwicklungspotenzial einer angehenden Führungsfrau zu investieren, und damit natürlich auch ein höheres Risiko einzugehen, wenn die Kandidatin bis heute noch keine vergleichbare Führungsposition ausgeübt hat.  Ein kulturelles und infrastrukturelles Unternehmensumfeld, das dem Gedanken der Diversität Rechnung trägt, ist dabei als flankierende Stellschraube genauso wichtig.  Qualifizierte Frauen gehen immer noch zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr aus familiären Gründen „verloren“. Um dem entgegenzuwirken, ist ein Wandel in der eher konservativen deutschen Arbeits- und Führungskultur notwendig, die zum Beispiel Präsenzzeiten honoriert und Anwesenheit mit Leistung gleichsetzt. Zukunftsgerichtete Personalpolitik sollte daher darauf abzielen, durch konsequente Flexibilisierung von Abläufen und Prozessen attraktive Karrieresperspektiven zu schaffen und geänderten Lebensgewohnheiten Rechnung zu tragen. Fragt nicht die Generation Y bereits heute im Bewerbungsgespräch nach einem Job-Life-Fit-Konzept? 

marktforschung.de: Wie sehen Sie die Einführung der Frauenquote?

Regina Ruppert: Als temporäres und nicht als dauerhaftes Instrument halte ich persönlich die Frauenquote für geeignet, um Frauen zeitnah und bei sonst gleicher Qualifikation in Führungspositionen zu bringen. Etablierte Strukturen werden aufgebrochen, das Bewusstsein für Vielfalt in Führungspositionen geschärft, Vorbilder geschaffen, die jüngere Frauen nachziehen.  Die jüngsten DAX30-Aufsichtsratsstudien zeigen, dass die Einführung der Quote erste Früchte trägt, wir haben gerade den historisch stärksten Zuwachs an Mandatsträgerinnen in Kontrollgremien. Das spricht durchaus für eine erste sichtbare Wirksamkeit des Instruments.

Warum sich Frauen sichtbar machen müssen

marktforschung.de: Inwiefern können Frauen dafür sorgen, dass sie verstärkt wahrgenommen werden, wenn es um Führungsaufgaben geht? Was sind die signifikantesten Unterschiede zwischen dem Verhalten von Frauen und Männern?

Regina Ruppert: In Bezug auf geschlechtsstereotypes Verhalten wird in Deutschland immer noch gern das "Bescheidenheitsklischee" bemüht: Frauen trauen sich Führungspositionen nicht zu und möchten sich dafür auch nicht stark machen. Dahinter verbirgt sich die Denke, Frauen wollen nicht Karriere machen (fachlich gut, aber zu wenig engagiert), Frauen können nicht Karriere machen (durch Mutterrolle gebunden) oder sogar Frauen sollen nicht Karriere machen. Richtig ist aber nach meiner Erfahrung, dass Frauen eher dazu neigen, selbstkritischer in ihrer Selbsteinschätzung zu sein, ihr "Licht unter den Scheffel zu stellen". Zwischen der objektiv erbrachten Leistung einer Managerin und der subjektiven Bewertung derselben kann man häufig ein Gap beobachten. Frauen betrachten die anforderungsgerechte Erfüllung einer Aufgabe eher als selbstverständlich, jedoch nicht als besonders "vermarktungswürdig".

Wenn Bescheidenheit mit Sichtbarkeit übersetzt wird, ist zu beobachten, dass viele Frauen in Führungspositionen immer noch dazu neigen, weniger sichtbar zu sein und auch sehr lange Zeit zur Unauffälligkeit tendiert haben.  Die Verankerung in internen und externen Netzwerken, mit Stakeholdern der Karriere wurde unterschätzt oder anderen Interessen untergeordnet, infolgedessen auch vernachlässigt. Frau ging davon aus, dass sie ja schon durch gute Leistungen und Abschlüsse überzeugt habe. Das Präsentieren der eigenen Person auf öffentlichen Plattformen, der selbstverständlich gewählte Platz in der ersten Reihe einer Veranstaltung, die Netzwerkkommunikation mit Branchenvertretern auf Kongressen, die Publizierung von Artikeln in Firmen- oder Fachzeitschriften sind mögliche Beispiele sich sichtbar zu machen.   

Zwei sehr wichtige mikropolitische Karrierestrategien sind die sogenannte Selbstdarstellung, die Promotion der eigenen Person sowie das Erzielen von Aufmerksamkeit. Beide Karriere-Strategien können Frauen ebenso wie Männer sehr gut und leicht anwenden sowohl intern im Unternehmen als auch extern. Sie müssen nur bereit sein, dafür Zeit zu investieren.

marktforschung.de: Thema Ungleichheit bei der Bezahlung: Wann denken Sie wird der Equal Pay Day nur noch ein Relikt aus der Vergangenheit sein? Oder halten Sie das für generell unrealistisch?

Regina Ruppert: Im kommenden Jahr wird nun zum zehnten Mal der Equal Pay Day begangen. Die unterschiedliche Vergütung von Männern und Frauen in vergleichbaren Stellen eines Unternehmens wird nach wie vor als betriebliche Realität festgestellt, allerdings reduziert sich das Gap bereinigt inzwischen auf fünf Prozent. Im Tarifbereich liegt dieser Prozentsatz sogar noch niedriger als im Spezialisten- beziehungsweise Führungskräftebereich. Die diesem Bereich anzutreffenden (wenigen) Frauen werden im Vergleich auch noch schlechter bezahlt. Die Entgeltlücke vergleichbarer Stellen über Branchen hinaus betrachtet soll allerdings noch weitaus höher liegen, hier kursieren deutlich höhere Prozentsätze in diversen Studien. Das Problem liegt meines Erachtens aber weniger darin, das der Arbeitgeber vorsätzlich schlechter vergütet, sondern darin, dass Frauen in Deutschland, wenn sie die Doppelbelastung Familie und Beruf nicht haben wollen, ihre berufliche Karriere auf Teilzeitbasis fortsetzen möchten. Die Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die wenigen (attraktiv vergüteten) hochqualifizierten Stellen in Teilzeit sowie die nach wie vor schwierigen Betreuungsbedingungen für Kinder werden die Equal-Pay-Thematik noch über mehrere Jahre "befeuern".

marktforschung.de: Wie haben Sie selbst Ihren Karriereweg gemeistert?

Regina Ruppert: Mein persönliches Erfolgsrezept hat mehrere Facetten: mit Disziplin, Leidenschaft und Kompetenz den eigenen Weg zu verfolgen, gelebte Sichtbarkeit nach innen und außen, die Bereitschaft die Extrameile zu gehen, dabei authentisch zu bleiben und – nicht zu unterschätzen – ein partnerschaftliches familiäres Umfeld zu haben, das mitträgt und Verständnis zeigt. 

marktforschung.de: Frau Dr. Ruppert, herzlichen Dank für das Interview!

Das Interview führte Dorothee Ragg.

 

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