Studie von Kantar Trügerische Sicherheit – Die stereotypische "deutsche Gründlichkeit" hinsichtlich der Verhaltensanpassungen lässt nach

Kantar hat Mitte April die zweite Welle einer umfassenden Studie zu den Auswirkungen und Einschränkungen von Corona auf die Bevölkerung der G7-Staaten durchgeführt. Dabei tanzt Deutschland verglichen mit den anderen sechs Staaten etwas aus der Reihe.

Die Studie zeigt, dass die Deutschen es im Vergleich weniger ernst mit der Umsetzung der Verhaltensregeln nehmen, die zur Eindämmung der Pandemie dienen. Bereits Mitte März hat Kantar eine umfassende Studie zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die Gesellschaften der G7-Staaten, bestehend aus:

  • Deutschland
  • Italien
  • Frankreich
  • Groß-Britannien
  • Japan
  • Kanada
  • USA

durchgeführt. Deutschland wurde im weltweiten Vergleich nicht ganz so hart getroffen, wie beispielsweise die USA oder Italien. Über den bisher milden Verlauf sind die Deutschen auch durchaus froh. Nicht einmal zwei Drittel der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren hat die Sorge, dass sich das Virus negativ auf die eigene Gesundheit auswirken könnte. 72 Prozent (im März waren es noch 78 Prozent) machen sich Sorgen um Familienangehörige und 76 Prozent um die Menschen im Deutschland allgemein, was fünf Prozent weniger sind als bei der ersten Befragung.

Wo bleibt die "deutsche Gründlichkeit"?

Allerdings sticht Deutschland hinsichtlich dieser drei Punkte heraus: In den anderen G7-Staaten sorgen sich nämlich mehr als drei Viertel der Bevölkerung um deren eigene Gesundheit. Bis auf Italien ist diese Sorge in allen anderen Ländern gestiegen.

Die geringeren Sorgen um die eigene Gesundheit, um die der Familie und der Bevölkerung insgesamt führen allerdings dazu, dass die Deutschen ihre Verhaltensregeln nicht so konsequent durchziehen, wie andere G7-Staaten: Nur 41 Prozent nehmen die Selbstisolierung zuhause ernst, in Italien sind es beispielsweise ganze 74 Prozent. Auch bezüglich des Tragen eines Mundschutzes (27 Prozent) oder das gründliche Händewaschen (73 Prozent) hinken die Deutschen hinterher: In Italien tragen 81 Prozent der Bevölkerung einen Mundschutz und beinahe neun von zehn Italienern legen Wert auf das gründliche Händewaschen.

Öffentliche Infrastruktur nimmt die Sorgen

Ein Grund dafür könnte die (sehr) gute Infrastruktur sein, von der knapp zwei Drittel der Deutschen überzeugt sind. Auch Großbritannien (mit 63 Prozent) und Kanada (62 Prozent) schneiden in Puncto Infrastruktur gut ab. Im Gegensatz dazu sind die französische und die japanische Gesellschaft nicht mit deren Infrastruktur zufrieden, verglichen mit der ersten Befragung wird sie sogar als schlechter wahrgenommen.

Wie verhält es sich mit den Auswirkungen auf das Einkommen?

Deutschland sticht auch bezüglich der Umsatzeinbußen und den Auswirkungen auf das Einkommen heraus: 58 Prozent, was 4 Prozent mehr als im März sind, berichten, dass sich die Pandemie auf das Einkommen ausgewirkt hat (24 Prozent) beziehungsweise es in Zukunft wahrscheinlich tun wird (34 Prozent). Auch wenn das erst einmal viel erscheinen mag, ist der prozentuale Anteil deutlich geringer als in den anderen G7-Staaten: Dort berichten 72 Prozent der Bürger, mit leicht steigender Tendenz, dass sie diese Erfahrung bereits gemacht haben oder sie zukünftig erwarten.

Soziale Absicherungen wie Kurzarbeitergeld sorgen dafür, dass in Deutschland nicht einmal 20 Prozent der abhängigen Beschäftigten mit Einkommensverlusten zu kämpfen haben, die mehr als die Hälfte des eigenen Einkommens ausmachen. Frankreich steht diesbezüglich mit 15 Prozent ebenfalls wesentlich besser da, als beispielsweise Kanada mit 34 Prozent und den USA mit 33 Prozent.

Allgemein lässt sich ein (sehr) zufriedene Tendenz der deutschen Bürger mit der Unterstützung und dem Umgang der Bundesregierung hinsichtlich Corona verzeichnen. Auch die wirtschaftlichen Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreift, werden von einer breiten Masse (65 Prozent) als gut empfunden. In Kanada und Großbritannien sehen das die Menschen ebenso, in Japan und Italien eher nicht.

Erwartungen, was die "Rückkehr in die Normalität" betreffen

Man ist sich einig, dass man sich uneinig ist. Bezüglich des weiteren Fortgangs und der Dauer der Maßnahmen kommen alle Bürger der G7-Staaten nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Fast jeder Fünfte setzt darauf, dass das "normale" Leben in Deutschland schon bis Ende Juni zurückkehren wird; gleichermaßen hoffen ebenfalls 20 Prozent, dass dies erst frühestens nächstes Jahr der Fall sein wird.  Die Politik trifft in diesem Punkt auf sehr verschiedene Erwartungshaltungen in den Bevölkerungen der G7-Staaten.

Better be safe than sorry

Zwar sind nun in Deutschland Lockerungen der Maßnahmen in Aussicht und 73 Prozent sind der Meinung, dass sie gut bis sehr gut an der Eindämmung des Virus mitwirken, allerdings geht es nun aber darum, die neuen sinnvollen Verhaltensregelungen auch zukünftig zu befolgen. Ingo Leven, der deutsche Leiter der G7-Studie von Kantar befürchtet, dass sich die deutschen in der trügerischen Sicherheit des leistungsstarken Gesundheitssystems wiegen. Man dürfe nicht vernachlässigen, dass ein solches System "schnell an seine Grenzen geraten wir, wenn die Lockerung der Maßnahmen von zu wenig Bereitschaft zur Einhaltung der dabei erforderlichen Verhaltensregeln begleitet wird".

Anstelle dessen sollten wir uns alle über die kleinen Erweiterungen der Möglichkeiten freuen und die leichten Lockerungen bewusst genießen.

cb 

Methodik

Erhebungsmethode Online-Befragung
Befragte Zielgruppe Bevölkerung ab 16 Jahren
Wie wurde die Zielgruppe rekrutiert? Online unter Verwendung des Kantar Access Panel
Stichprobengröße Jeweils 1000 - 1003 Personen pro Land
Feldzeit 9. bis 13. April 2020
Land Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, USA, Kanada, Japan
 

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